Zerstörung des irakischen Kulturerbes

Die Archäologin Prof. Helga Trenkwalder vom Institut für Alte Geschichte und Altorientalistik ist Expertin für die antiken Kulturen im Irak. Sie gräbt seit 1978 in Borsippa und zeigt sich betroffen über die verheerenden Auswirkungen des Krieges auf das kulturelle Erbe des Zweistromlandes. iPoint sprach mit Prof. Trenkwalder.
Dame von Warka, Bronzekopf
Dame von Warka, Bronzekopf
Frau Prof. Trenkwalder, seit wann führen Sie im Irak Grabungen durch?

Ich bin seit 1978 im Irak tätig, mein Grabungsschwerpunkt liegt in Borsippa, einer Schwesternstadt von Babylon. Der Stufenturm von Borsippa wurde von Nebukadnezar II. um die Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. gebaut, er ist vielleicht sogar älter als der Turm von Babel. Ich führte bisher jedes Jahr zwei Grabungskampagnen durch und war heuer bis vier Tage vor Kriegsbeginn im Irak. Ich habe auch sehr viel im Nationalmuseum von Bagdad gearbeitet, das eines der modernsten Museen des Vorderen Orients war. Saddam Hussein hat die Archäologie sehr gefördert und es gab auch ein striktes Ausfuhrverbot für antike Fundgegenstände.

Wie sehen Sie auch aus Ihrer historischen Sicht den Irak-Krieg?

Was mich so frustriert, ist die Tatsache, dass in diesem Land schon im dritten Jahrtausend vor Christus Kriege um Ressourcen geführt wurden. Es hat sich also in 5.000 Jahren Geistesgeschichte nichts verändert! Die Hauptanliegen für den Krieg waren damals wie heute das Mehren des Reiches, der Macht und der Bodenschätze. Alle Kriege werden mit einer Lüge begonnen.

Welche Auswirkungen auf die antiken Stätten sind durch den Irakkrieg zu erwarten?

Die Auswirkungen durch den Krieg sind verheerend! Der Irak gilt als Wiege der Zivilisation und besitzt ein überreiches kulturelles Erbe. Es sind jedoch mehr als 100.000 archäologische Stätten noch nicht erforscht! Wenn die geplündert werden, sind sie für die Wissenschaft verloren! Weiters bestand eine massive Gefährdung von schon ausgegrabenen antiken Städten wie Uruk, Babylon oder Borsippa durch Bombardierung oder durch Ausheben von Schützengräben.
Dass Plünderungen vorkommen werden, war aufgrund der Verarmung der Bevölkerung durch das UNO-Embargo vorhersehbar. Sie haben aber aufgrund des Zusammenbruchs jeglicher Infrastruktur ein unvorstellbares Ausmaß angenommen. Die Wächter vor Ort sind hilflos gegen die plündernden Massen. Ich mache mir große Sorgen um die Wächter meiner Grabungsstätte, die ich schon seit 20 Jahren kenne und zu denen jeder Kontakt abgebrochen ist.

Was können Experten in der jetzigen Situation tun?

Ein Großteil der gestohlenen, archäologischen Fundstücke wird auf dem Kunstmarkt auftauchen, der schon seit dem ersten Golfkrieg an mesopotamischen Kunstgegenständen reicher geworden ist. Keilschriften, Statuen und Kultgegenstände der Sumerer, Arkadder oder Assyrer sind bei Sammlern aus der ganzen Welt sehr beliebt. Zürich und auch Wien sind zu Umschlagplätzen geworden. Experten müssen sich weigern, Gutachten zu erstellen, denn ohne Bewertung sind die Kunstgegenstände wertlos. Ich werde mich so schnell als möglich um meine irakische Grabungsmannschaft kümmern und auch baldmöglichst meine Grabungen wieder aufnehmen.

Wir danken für das Gespräch. (sp/cf)