Die verkannte Kultur vor der Haustüre

Wissenschaft und Musik, Kunst und Kultur, Lesungen und Ausstellungen, Lebens- und Leidenswege bildeten die Pfeiler für ein Fest der Sinne, in dessen Rahmen der Frankreich-Schwerpunkt mit seinen PartnerInnen, darunter dem französischen Kulturinstitut und dem Haus der Begegnung, die größte Minderheit Europas, die Roma, in die öffentliche Erinnerung rief.
Roma aus Südfrankreich machten am Marktplatz Halt.
Roma aus Südfrankreich machten am Marktplatz Halt.

Nicht unbekannt, aber verkannt, so lässt sich das Schicksal der 12 Millionen Roma in Europa beschreiben. Einen Kontrapunkt setzte die Veranstaltungsreihe „Französischer Winter. Nomaden Winter“ vom 10. bis zum 17. Februar 2008. Den Auftakt machten Tony Gatlifs Filme „Gadjo Dilo“ im Leokino und „Transylvania“ im französischen Kulturinstitut Innsbruck. Am Marktplatz hielten Roma aus Südfrankreich mit ihrem Wagen und begeisterten in Lesungen, Lebensberichten und musikalischen Aufführungen nicht nur Schulklassen. Für die wissenschaftlichen Beiträge zeichneten der Anthropologe Marc Bordigoni (Universität Aix-en-Provence), der Soziologe Jean-Pierre Liégeois (Universität Sorbonne, Paris) und der Sprachwissenschafter Jean-Pierre Goudaillier (Universität Sorbonne, Paris), die auf Einladung des interdisziplinären Frankreich-Schwerpunkts nach Innsbruck gekommen waren, verantwortlich. Bordigoni und Liègeois vertraten unterschiedliche Positionen darüber, ob die Kultur der Roma ein lokales, europäisches oder internationales Phänomen sei, einig waren sie sich aber darin, dass die Roma und deren Umgang mit ihrer Kultur im Wechselspiel mit den Kulturen jener Räume, in denen sie umherziehen, als Vorbild für das Zusammenleben der Kulturen gelten können.

 

„Ich spreche die Sprache der Zigeuner“

Was für viele Jugendliche im deutschsprachigen Raum die Anglizismen, sind im Argot, der Umgangssprache der französischen Jugendlichen, Lehnwörter aus dem Sprachgebrauch der Roma. Jean-Pierre Goudaillier, der Experte für französische Jugendsprache, zeigte die vielfältigen Verstrickungen des Argot und der Sprache der Roma auf: „Es zeigte sich in meinen Untersuchungen, dass neben jenen Wörtern und Wendungen, die scheinbar seit jeher gebräuchlich sind, die französische Jugend sehr bereitwillig sich immer neuen Ausdrücken der Roma bedient und diese auch grammatikalisch wie ursprünglich französische Vokabeln verwendet und konjugiert“.


Neben der bemerkenswerten Fotoausstellung „Roma aus Arles und Montenegro“ der französischen Künstlerin Olivia Moura faszinierten die Ausstellungen „Opre Roma! Demain le monde … nos concitoyens Rroms, realisiert von „La ligue des droits de l’homme, Médecins du Monde et Solidarité Laïque“, und „Les gens du voyage“ vom „Mouvement contre le Racisme et pour l’Amitié entre les peuples“ mit Fotos, Schautafeln und Texten über das Leben der Roma.


Abgerundet wurde die Veranstaltungsreihe mit kulinarischen Köstlichkeiten, die die Roma im Haus der Begegnung selbst zubereiteten.

 

Text: Florian Schallhart