Universitäten auf der Suche nach ihrer Identität

Ende August fand an der Uni Innsbruck eine internationale Konferenz zur Hochschulforschung - die Jahrestagung der Europäische Vereinigung für Hochschulforschung (EAIR) mit Sitz in Amsterdam - statt.
Die Universität im Spannungsfeld von Tradition und Moderne [Foto: David Lederbauer]
Die Universität im Spannungsfeld von Tradition und Moderne [Foto: David Lederbauer]

Was fehlt, dass die österreichischen Universitäten wirklich Weltklasse sind? Sind sie das nicht sogar auf manchen Gebieten? Warum gab es bei den letzten Rektorswahlen an unseren Universitäten so viele „Stolperer“? Weshalb können sich die Fachhochschulen ihre Studierenden aussuchen, die Universitäten aber nicht? Brauchen wir Eliteuniversitäten? Und was ist dann mit dem Rest? Ist das Bild von Studierenden als Kunden wirklich zutreffend? Gilt dann auch der Grundsatz: „Wer (Studienbeiträge) zahlt, schafft an!“? Ist die Rede vom „offenen Hochschulzugang“ angesichts überfüllter Hörsäle und oft drastischer Wartezeiten auf Seminarplätze nicht ein massiver bildungspolitischer (Selbst-?)Betrug? Kann man eine Hochschule genau so führen wie eine Konservendosenfabrik? Wie lässt sich Qualität in Universitäten sichern? Auf welche Risiken müssen sich die Universitäten in Zukunft einstellen? Wie können Universitäten wichtige Traditionen erhalten, ohne in Unbeweglichkeit zu erstarren? Ist „viel“ gleichzusetzen mit „gut“? Welche Wirkungen und Nebenwirkungen haben Wissensbilanzen oder ähnliche Evaluationsverfahren für den Prozess des Wissenschaft Treibens? Übernehmen das wirtschaftliche Denken und der Markt die Oberhand an Universitäten und Hochschulen, werden diese – wie manche befürchten – zu „engines of commerce“? Was ist dann mit den nicht-marktgängigen Fächern? Kann „employability“ wirklich das zentrale Bildungsziel einer Universität sein? Führt die „Power-Pointisierung“ von Lehren und Lernen nicht zu dem Effekt, dass die Form wichtiger wird als der Inhalt? Was passiert eigentlich an den Hochschulen, dass zunehmend auf die Nützlichkeit und die Sinnhaftigkeit des Lesens hingewiesen werden muss? Wie können Universitäten in der Welt mitspielen und in der Region verankert sein? Fragen über Fragen. Und die Antworten sind oft nicht einfach zu finden – außer man sucht nach schnellen und plakativen Sagern für das nächste Stammtischtreffen ….

 

Vom 26. – 29. August 2007 versammelten sich an der Universität Innsbruck fast 400 Wissenschaftler und Praktiker, um die oben beispielhaft genannten Fragen unter dem Leitthema „In Search of Identity – Dilemmas in Higher Education“ zu diskutieren. Stephan Laske, der Dekan der Fakultät für Betriebswirtschaft und der wissenschaftliche Leiter dieser internationalen Konferenz meint dazu: „Wir sind sehr stolz darauf, dass erstmals eine österreichische Universität Gastgeber für diese Konferenz war. Die bisher 28 Jahrestagungen von EAIR fanden alle in anderen europäischen Ländern statt. Die Vergabe der Konferenz an unsere Fakultät ist für uns eine große Auszeichnung. Dies zeigt, dass wir im Bereich der Hochschulmanagementforschung in den letzten Jahren international Anschluss gefunden haben.“ In diesem Zusammenhang gilt ein ausgesprochener Dank nicht nur den vielen Sponsoren sondern auch dem Rektorat, das die Organisatoren finanziell großzügig unterstützt hat.

 

Partner der Innsbrucker Wissenschaftler ist die Europäische Vereinigung für Hochschulforschung (EAIR) mit Sitz in Amsterdam. Unter ihrem Dach wird an Fragen der Weiterentwicklung der europäischen und außereuropäischen Bildungssysteme und Bildungseinrichtungen gearbeitet. Das zentrale Ereignis von EAIR ist das jährlich stattfindende Forum – in den vergangenen Jahren waren Universitäten in Rom, Riga, Barcelona, Limerick, Prag, Berlin die Gastgeber. Im kommenden Jahr wird man sich an der Copenhagen Business School treffen.

 

Wissenschaftliche Highlights der Konferenz waren zweifellos die vier Plenumsvorträge. Der Präsident von EAIR, Prof. José Mora aus Valencia, setzte sich mit Spannungsfeldern im europäischen Hochschulraum auseinander und betonte, dass die europäischen Universitäten (und die Bildungspolitik) es eigentlich mit einem Tetralemma zu tun haben: Gerechtigkeit, Effizienz, Effektivität und eine hinreichende Hochschulfinanzierung seien in eine Balance zu bringen. Prof. Barbara Czarniawska aus Göteborg stellte der verbreiteten Skepsis zur Situation der Universitäten („university in ruins?“) ein provokativ-optimistisch-subversives Gegenbild entgegen („long live university!). Ihr Bild einer „Utopia Universität“ verbindet beides: Serviceorientierung und (intellektuelle) Sabotage – wesentliche Grundvoraussetzung für die Annäherung an diese Utopie sei allerdings die Aufrechterhaltung und Pflege von disziplinärer, methodischer und methodologischer Vielfalt. Begeisterung rief der Plenumsvortrag von Prof. Lee Parker aus Adelaide hervor. Dies lag nicht nur daran, dass der Referent seinen Vortrag mit einer hervorragenden Gesangseinlage würzte – auch seine kritische Auseinandersetzung mit dem weltweiten Trend der oft unreflektierten Übertragung privatwirtschaftlicher Steuerungskonzepte auf Hochschulen lieferte eine Menge an „food for thoughts and discussions“. Der abschließende Vortrag von Prof. Alison Wolf, King’s College, London, die in Großbritannien auch als regelmäßige Kolumnistin im Times Higher Education Supplement bekannt ist, setzte sich mit den Besonderheiten der Steuerung von Universitäten auseinander. Dabei fragte sie, ob man hierbei tatsächlich Anleihen bei Steuerungskonzepten anderer öffentlicher oder privater Einrichtungen machen kann. Ihre „tierischen Assoziationen“ (sie bezeichnete die Leitung von Hochschulen als „managing a camel?“, die Aufgabe, HochschullehrerInnen zu führen, als „herding cats“) stießen auf deutliche Zustimmung der Zuhörerschaft – offenbar scheinen sich die Schwierigkeiten trotz aller Unterschiedlichkeit doch sehr zu ähneln.

 

Die insgesamt etwa 120 Vorträge der Tagung wurden in 8 parallelen Tracks behandelt – dort fanden die eigentlichen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen statt. Hier ist leider nicht der Raum, die Tracks im Einzelnen vorzustellen. Wer sich näher über die Schwerpunktthemen und die wesentlichsten Inhalte informieren möchte, sei auf die Homepage von EAIR und die dort aufgeführten final conclusions von Stephan Laske verwiesen.

 

Trotz gewisser baulicher Beeinträchtigungen ist es gelungen, eine Tagung zu organisieren, die bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf eine höchst positive Resonanz gestoßen ist. Aus den zahlreichen Rückmeldungen sei eine e-mail exemplarisch zitiert: “I am writing to congratulate you on a marvellous conference. It was beautifully organized. Some excellent keynote speakers too. The greeting with the lovely girls in Tyrolean dress and the shooters, supper in the Hofburg and the Dogana -- all of this was brilliant and very creative. It resulted in a memorable function of very high quality. Everyone admired the University and the Faculty for running such a 'tight ship' and treating us so well. Thank you for all the trouble, imagination and sheer competence that you brought to giving us a wonderful experience both intellectually and in human terms.” (Prof. Rosalind Pritchard, University of Ulster, Ireland)