Francesco Guccini, der „italienische Bob Dylan"

In einem bis auf den letzten Sitzplatz besetzten Kaiser-Leopold-Saal fand am Dienstag, den 9. Mai in der Theologischen Fakultät ein „Musikalischer Leseabend“ mit dem italienischen Liedermacher Francesco Guccini statt.
v.l.: Francesco Guccini, Mag. Carla Festi-Leidlmair, Dr. Saverio Carpentieri
v.l.: Francesco Guccini, Mag. Carla Festi-Leidlmair, Dr. Saverio Carpentieri

Im Gespräch mit den ModeratorInnen Mag. Carla Festi-Leidlmair (Institut für Romanistik) und Dr. Saverio Carpentieri  (Institut für Translationswissenschaft), beide vom Kulturverein INNcontri, und anhand einer Videovorführung ließ Guccini mit seiner sympathischen Ausstrahlung und in seinem emilianischen Tonfall jene Lieder Revue passieren, die längst zu Kultsongs für mehr als nur eine Generation avanciert sind: Von den Balladen im Stil Dylans „Dio è morto“ (Gott ist tot) und „Auschwitz“, - beeindruckende Zeugnisse seines politischen Engagements in den 60er Jahren - , über „Bologna“ und die „Canzone delle Osterie di fuori porta“ (Über die Kneipen der Vorstadt), die Bildungsstationen seiner Jugend in den 70er Jahren, bis hin zu den tiefsinnigen Fragen von „Signora Bovary“ und zu den Portraits unbekannter Helden des alten und neuen Jahrtausends („La locomotiva“ und „Piazza Alimonda“). Kurzum: ein Guccini in seinem unverkennbaren, dem Sprechen angenährten Gesangsstil, in der ganzen Bandbreite seiner Themen, und immer noch auf der Suche nach Fragen, die keine Antworten kennen: „In meinen Liedern hat es verschämt und subtil schon immer die Frage nach dem letzten, dem eigentlichen Sinn der Dinge gegeben... Das Wichtige ist, dass dieses Fragenstellen nie aufhört...“

 

In der Lesung aus seinen teils in emilianischem Dialekt, teils in gehobener Sprache verfassten autobiografischen Romanen ließ er die Welt seiner Kindheit im Apennin, in der Po-Ebene und später in Bologna aufleben.

Viele Besucher konnten auch beim Auftakt der Veranstaltungsreihe, der Eröffnung der Guccini gewidmeten Ausstellung „Croniche gucciniane. Una vita da cantastorie“ im Gang der Theologischen Fakultät (noch bis 21.Mai zu sehen) begrüßt werden. Guccinis vielseitiger, künstlerischer Lebensweg von der Musik zur Literatur über seine Teilnahme am Film und seine Tätigkeit als Comicautor wird anhand von Großportraits von berühmten Fotografen, LPs, Partituren, Interviewausschnitten sowie literarischen und musikalischen Inspirationsquellen dokumentiert. Ein Teil der von Roberto Festi und Odoardo Semellini kuratierten Ausstellung, die schon in Carpi bei Modena gezeigt wurde, beleuchtet Guccinis literarische Seite: Die autobiographischen Romane, die stark an Meneghello und Gadda erinnern, seine in deutscher Übersetzung erschienenen Milieu-Krimis, die Texte für Comics und seine Untersuchungen in der Dialektforschung. Eine echte Fundgrube für jeden Liebhaber der italienischen „canzone d’autore“.

Um die Besonderheiten des Autorenliedes in der Geschichte der italienischen Musik ging es in der Lehrveranstaltung „Parole parole parole in musica“, die Guccini, jahrelanger Lektor für italienische Literatur am Dickinson College in Bologna, am Dienstag, den 9. Mai am Institut für Translationswissenschaft hielt. Am Beispiel der wohl berühmtesten Ballade „Amerigo“ hat der Chansonnier das Schicksal der italienischen Emigranten in der Zwischenkriegszeit exemplarisch rekonstruiert – eine Geschichte, die im Lied mit autobiografischen Elementen verschmilzt. Das ist in vielen Fällen der Stoff, aus dem Guccinis Songs sind. Narrative Strukturen und die empathische Charakterisierung der Helden der Geschichte oder von „Menschen dritter Klasse“ sind typisch für seine  Balladen. Das mag wohl der Grund sein, warum viele seiner Lieder eine Identifikation mit dem Protagonisten zulassen „denn wir sind alle gleich, und gleich sind auch unsere Leiden“.

Nicht nur als Liedermacher und Schriftsteller ist Guccini in der Sprache bestens zuhause, sondern auch als Dialektologe, der den tosko-emilianischen Dialekt seiner Heimat Pàvana genau erfasst und beschrieben hat. Ein akribischer Philologe war hier am Werk, aber sein Wörterbuch des pavanesischen Dialekts ist vor allem eine Hommage an eine längst untergegangene bäuerliche Kultur.

Der Kulturverein INNcontri, dem sich das Institut für Romanistik, das Italien-Zentrum der LFU und das Italienische Kulturinstitut angeschlossen haben, hatte sich vorgenommen, Francesco Guccini auch in Innsbruck vorzustellen. Dies ist ihm voll und ganz gelungen, denn nun hat Guccini auch in Innsbruck eine begeisterte Fan-Gemeinschaft gewonnen, wie der große Beifall am Ende dieses eindrucksvollen Abends bewies.