Controlling nicht nur ökonomisch verstehen

Anfang September trat Prof. Dr. Albrecht Becker eine Professur für Betriebliche Finanzwissenschaft an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät an. An der Uni Innsbruck und der SoWi-Fakultät im Speziellen spricht ihn besonders die große Diversität der Lehr- und Forschungsprogramme an.
Prof. Dr. Albrecht Becker
Prof. Dr. Albrecht Becker
"Ein großes Defizit liegt für mich darin, dass die deutschsprachige Betriebswirtschaftslehre die international etablierte sozialwissenschaftlich und organisationstheoretisch orientierte Forschung über Controlling/Management Accounting weitgehend ignoriert," so Albrecht Becker. "In Innsbruck sehe ich die Möglichkeit, einen solchen international konkurrenzfähigen Forschungsschwerpunkt zu etablieren, weil mit Prof. Kappler ein zweiter entsprechend ausgerichteter Lehrstuhl (Controlling und Organisationskultur) existiert." Damit ergibt sich für Becker die Möglichkeit, den Studierenden eine an internationale Theorieentwicklungen anschließende Ausbildung in Controlling/Management Accounting zu bieten. Er betont deshalb auch: "Hier haben wir ein Potenzial, das wir zu einer guten Wettbewerbsposition im gesamten deutschsprachigen Raum ausbauen können." Albrecht Becker studierte Sozialwissenschaften an der Universität Oldenburg. Daran schlossen sich die Arbeit in einem empirischen Forschungsprojekt über Entscheidungsprozesse in Unternehmen sowie ein Forschungsaufenthalt an der Stockholm School of Economics bei Professor Nils Brunsson an. Anschließend war Becker Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Assistent am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin, wo er promovierte und habilitierte. Seit Wintersemester 2001/02 war er Gastprofessor für Betriebliches Rechnungswesen an der Universität Innsbruck.

Die Rolle des Controlling reflektieren

In der Lehre vertritt Dr. Becker das Betriebliche Rechnungswesen mit dem Schwerpunkt Internes Rechnungswesen. Neben der Vermittlung der Grundlagen der Kosten- und Leistungsrechnung ist es ihm ein besonderes Anliegen, die empirisch beobachtbare Praxis des Rechnungswesens in Unternehmen und anderen Organisationen und ihre Rolle im Prozess des Managements zu thematisieren. Absolventinnen und Absolventen eines wirtschaftswissenschaftlichen Universitätsstudiums sollen befähigt werden, diese Rolle von Rechnungswesen bzw. Controlling zu reflektieren und sich auch mit seinen Grenzen und Ausblendungen auseinander zu setzen. Die Untersuchung der Controllingpraxis bildet auch einen Forschungsschwerpunkt von Albrecht Becker. Er knüpft dabei wie gesagt an eine im angelsächsischen und skandinavischen Raum verankerte Forschungstradition an, die Controllingpraxis nicht nur in ihren ökonomischen, sondern auch sozialen und institutionellen Kontexten erforscht. Becker ist einer der wenigen deutschsprachigen Vertreter dieser Forschungsrichtung. Controlling wird dabei als ein Steuerungsinstrument verstanden, das nicht einfach die ökonomische Realität von Organisationen abbildet, sondern sozialkonstruktive, normative und Machteffekte produziert. Einen zweiten Schwerpunkt der Forschung von Dr. Becker bildet der Bereich des Wissensmanagements und des organisationalen Lernens. Beide Forschungsschwerpunkte weisen enge Vernetzungen auf, lässt sich doch das Betriebliche Rechnungswesen als Informationssystem beschreiben; es kann damit als Instrument des Wissensmanagements und insbesondere des Lernens in und von Organisationen verstanden werden.

Neben den guten Lehr- und Forschungsmöglichkeiten waren es nicht zuletzt Stadt und Umgebung, die den begeisterten Radsportler nach Innsbruck gelockt haben, wo er sich nun ohne lange Anfahrtswege der Berge erfreuen kann.