Bedrohte Bergfichten

Beim Spaziergang durch die lichten Fichten- und Zirbenwälder erfreuen wir uns der unberührten Bergwelt. Doch unser Bild von Naturidylle wird getrübt durch auffallend viele, schütter benadelte Bergfichten - der aufmerksame Naturfreund wird bemerken, dass die Zweige der Bergfichten kaum mehr Nadeln besitzen und als leblose Gerippe an den Bäumen hängen.
Tiroler Winterlandschaft mit verschneiten Bergfichten
Tiroler Winterlandschaft mit verschneiten Bergfichten

Die Fichten sind offensichtlich krank. Schuld daran ist ein Rostpilz - der sogenannte Fichtennadelblasenrost (Chrysomyxa rhododendri). Obwohl ein massiver Befall durch diesen Pilz seit etwa 10 Jahren vermehrt in ganz Tirol beobachtet wird, gab es bisher keine Untersuchungen über die Auswirkungen auf die von der Epidemie betroffenen Bäume. Ein vom Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung finanziertes Projekt unter der Leitung von Prof. Helmut Bauer, das gemeinsam mit den Wissenschaftlern Dr. Stefan Mayr und Dr. Walter Oberhuber am Institut für Botanik durchgeführt wurde, ermöglicht nun erstmals die Abschätzung des Gefahrenpotentiales und die Entwicklung möglicher Gegenmaßnahmen für das sensible und bedeutende Ökosystem der alpinen Bergwälder.

Der Rostpilz benötigt für seine vollständige Entwicklung einen alljährlichen Wirtswechsel zwischen der Alpenrose (Hauptwirt) und der Fichte (Zwischenwirt). Deshalb erfolgen Infektionen nur oberhalb von etwa 1600 m. Im Frühjahr befällt der Pilz mit seinen auf Alpenrosenblättern gebildeten Sporen die jungen, eben austreibenden und noch weichen Nadeln der Bergfichte, die älteren Nadeljahrgänge bleiben wahrscheinlich aufgrund ihrer derben und widerstandsfähigen Haut verschont. In den Nadeln der Fichte entwickelt sich ein Pilzgeflecht, das sich vom Nadelgewebe ernährt. Im Sommer bildet der Pilz orange, blasenförmige Sporenlager, die schließlich die Nadeloberfläche durchbrechen und erneut Sporen freisetzen. Der Bergwald scheint dann in gelblichen bis orange-braunen Farbtönen geradezu aufzublühen, bei starkem Befall sind dichte, gelbe Staubwolken zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt der Wald auch eigentümlich süßlich zu riechen. Ob diese duftenden gasförmigen Substanzen ein Alarmsignal der kranken Fichte sind oder ein Abbauprodukt, das bei der Zerstörung durch den Pilz entsteht, ist noch nicht geklärt. Die freigesetzen Sporen infizieren nun wiederum Alpenrosenblätter, in denen der Pilz den Winter unbeschadet für den nächsten Infektionszyklus überstehen kann. Die Fichte wirft die durch den Parasiten zerstörten Nadeln im Spätsommer ab, bei starken Infektionen in aufeinander folgenden Jahren bleiben entnadelte Zweigabschnitte zurück. Für den Baum bedeutet die Infektion den Verlust eines Teils der für das Überleben und Wachstum notwendigen grünen Blattorgane.

Schädigung des sensiblen Schutzwaldes

Wie Wachstums- und Photosynthesemessungen gezeigt haben, leiden vor allem junge Bergfichten unter dem Pilzbefall: Mehrjähriger Befall führt dazu, dass die Nadeln abfallen, die Bäumchen deutlich weniger wachsen, ihre Vitalität verlieren und mitunter auch absterben. Damit wäre die natürliche Verjüngung und Aufforstung des Schutzwaldes gefährdet! Aber auch bei erwachsenen Bäumen verursachen die Infektionen Wachstumseinbußen. Als Ursache für den in den letzten Jahren immer stärkeren Befall mit dem Rostpilz vermuten die Forscher eine Zunahme der Alpenrosenbestände durch das vermehrte Auflassen von Almen. Aber auch Luftverschmutzung oder eine mögliche Klimaveränderung könnten eine Rolle spielen.

Gegenstrategien sind wichtig

Die Bundesforste und die Landesforstdirektion wurden durch die Untersuchungsergebnisse der Innsbrucker Forscher alarmiert, gemeinsam arbeitet man zur Zeit an Maßnahmen zum Schutz des Bergwaldes. Die Landesforstdirektion plant, künftig in Gegenden mit starken Alpenrosenbeständen verstärkt mit Lärchen und Zirben aufzuforsten. Eine zweite Strategie könnte ebenfalls zur Erhaltung des Schutzwaldes beitragen: Es gibt Fichtensorten, die durch verspätetes Austreiben der Nadeln dem Sporenflug des Pilzes entgehen und nicht infiziert werden. Durch Pflanzung resistenter Fichten könnte ein Pilzbefall vermieden werden und damit eine Stärkung des Schutzwaldes erreicht werden.


Dies ist ein Beitrag aus der UNIZEITUNG März 2001. Die "UNIZEITUNG. Das Journal der Universität Innsbruck" erscheint viermal jährlich als Wochenendbeilage der Tiroler Tageszeitung. Unter public-relations@uibk.ac.at können Sie kostenlos ein Exemplar der aktuellen UNIZEITUNG bestellen.