Nachhaltiges Design mit sozialem Engagement

Die Architekten Alexander Pfanzelt und Johannes Münsch vom Institut für Gestaltung engagieren sich gemeinsam mit Studierenden für ein besonderes Projekt.Aus Recycling-Materialien werden neue Möbel für den sozial-ökonomischen Betrieb Ho und Ruck designt und gebaut. Im Rahmen der Lehrveranstaltung „Wir Selbermacher“ entsteht zum Beispiel ein neuer Kassatresen.
Kassatresen aus Büchern
Der Kassatresen im Ho&Ruck ist das erste Projekt, das von den Studierenden selbst gebaut wird. (Bild: Uni Innsbruck)

Eine Anfrage von Ho&Ruck an die Studierenden und die Lehrveranstaltungsleiter, ohne Budget und nur aus aussortiertem Material neue Möbel zu entwerfen und zu bauen, spornte alle Beteiligten an, kreative Ideen zu entwickeln. Alexander Pfanzelt erklärt das Konzept des Projektes: „Die Planung und Realisierung der Projekte ohne Budget war zwar eine große Herausforderung für uns, eröffnete aber gleichzeitig auch neue Möglichkeiten. Aus einer Lehrveranstaltung wurde ein gesamtnachhaltiges Projekt, in dem auch die Mannschaft von Ho&Ruck mit einbezogen wurde.“ Pfanzelt und Münsch organisierten das Vorhaben als refinanziertes Projekt, indem sie alle Ausgaben für Materialien, die sie einkaufen mussten, durch den Verkauf von Büchern wieder gedeckt haben. Der Themenschwerpunkt war neben der Arbeit mit den Recycling-Materialien die Partizipation mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vom Ho&Ruck.

Gratis Used-Look

Die Herausforderung für die Studierenden im dritten Semester bestand darin, mit den Materialien, die aus der heutigen Konsumgesellschaft übrig bleiben, neue Konzepte für eine Raumgestaltung zu schaffen. Johannes Münsch findet, dass die entstandenen Möbel einen besonderen Touch haben: „Was hier entsteht, kann man nicht planen – nicht am PC oder am Reißbrett. Man muss sich ganz genau anschauen, was man aus dem Vorhandenen bauen kann und das ergibt dann eine eigene Ästhetik. Das kann man nicht im Kaufhaus kaufen.“ Die beiden Architekten weisen darauf hin, dass es heute gerade in der Mode einen Trend zum sogenannten Used-Look gibt. Jeans und andere Kleidungsstücke werden mit großem Aufwand so bearbeitet, dass sie bereits gebraucht wirken. „Man muss sich bewusst machen, dass die Dinge mit denen wir hier arbeiten, schon gebraucht sind. Diesen Effekt des gebrauchten Looks, den man oft künstlich herstellen muss, bekommen wir hier gratis mit“, schmunzelt Pfanzelt, der auch darauf hinweist, dass eine große Herausforderung in der Unterschiedlichkeit der Objekte besteht. „Das Material dort ist nicht genormt oder zertifiziert. Als Architekten müssen wir einen flexiblen Zugang dazu finden – das macht es so spannend.“

Alte Bücher – neuer Look

Bereits geplant und realisiert wurde der neue Kassabereich im Ho&Ruck. „Der neue Tresen war besonders auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ho&Ruck gewünscht, da der alte Bereich so nicht mehr nutzbar ist und sie eine Alternative benötigen.“ Der „Upcycling“-Tresen besteht aus einer einfachen Unterbaukonstruktion aus Paletten, auf die, nach einem aufwändigen Sortierverfahren, die Ausschussware an alten und nicht mehr verwendbaren Büchern gestapelt wurden. Den Abschluss des Tresens bildet eine neue Platte, die die Studierenden aus dem Verkauf von noch brauchbaren Büchern finanziert haben. Während dem laufenden Betrieb sortierten und stapelten Pfanzelt, Münsch und die Studierenden die Bücher für den neuen Kassabereich. „Es war nicht immer einfach für uns, während der Öffnungszeiten hier zu arbeiten. Die Kundschaft vom Ho&Ruck, die sich häufig auch mit dem Unternehmen identifiziert und sich hier auch ein Stück weit zuhause fühlt, interessiert sich dafür, was wir hier machen. Daher ist es umso wichtiger darauf hinzuweisen, dass wir die Bücher, die hier verwendet werden, genau geprüft haben und nur diejenigen tatsächlich zum Bauen verwenden, die nicht mehr verkauft werden können“, so Pfanzelt und Münsch, die sich freuen, dass die Bücher aber trotzdem noch eine schöne und ästhetische Verwendung finden.

Wertlos oder unbezahlbar?

„Was mir extrem gut daran gefällt, ist die Handarbeit. Man sieht, dass es nicht von der Maschine gemacht oder mit dem Computer programmiert wurde und das ist unbezahlbar“, ist Johannes Münsch begeistert. Der Wert der Arbeiten ist auch für die Profis nicht leicht zu ermitteln. Zu schmal ist der Grat zwischen der Verarbeitung von Wertlosem und Kunst. „Wenn jemand nach dem Preis fragt, dann ist es schwierig, eine Antwort darauf zu geben. Da kann man eigentlich null Euro sagen, weil das Material das wir verwenden, ja nichts wert ist. Genauso möglich ist es aber auch, einen Preis von 100.000 Euro anzuschreiben, weil wir hier etwas schaffen, das schon als Kunstwerk bezeichnet werden kann. Das, was hier passiert, kann man nicht mit Geld aufwiegen“, so der junge Architekt. Ähnlich wie Münsch sieht auch Alexander Pfanzelt den ästhetischen Wert der entstehenden Objekte. Er betont, dass die Summe der zusammengebastelten wertlosen Dinge einen sehr hohen ästhetischen Anspruch erfüllt. „Das, was wirklich wertvoll daran ist, sind die Ideen und die Arbeitsstunden der Studierenden. Zwei Tage lang haben hier 20 Studierende gebastelt und Bücher sortiert“, lobt Pfanzelt die hohe Motivation der angehenden Architektinnen und Architekten. Das Unperfekte, die kleinen Lücken und die feinen Abweichungen von der Norm machen das Ergebnis besonders charmant.

Wir Selbermacher

Pfanzelt und Münsch skizzieren, dass die Architektur häufig nur dort zum Einsatz kommt, wo Menschen genügend Kapital zur Verfügung haben. „Die Architektur wird oft nur als eine Leistung für die oberen 10.000 der Gesellschaft wahrgenommen. Wir bemühen uns hier, die Architektur für die unteren 10.000 einzusetzen“, engagieren sich die beiden Architekten, die ihre idealistischen Anschauungen auch an die Studierenden weitergeben möchten. „Für uns ist es wichtig, den Studierenden zu zeigen, dass es mehr gibt als nur das Absolvieren von Prüfungen. Wir möchten sie dazu ermuntern, auch über den Tellerrand hinauszuschauen und sensibel dafür zu werden, wo Architektur zum Einsatz kommen kann“, so Münsch. Alexander Pfanzelt möchte den Studierenden den tieferen Sinn des Projektes vermitteln. „Das Projekt heißt ja auch ‚Wir Selbermacher’. Der Titel impliziert schon dieses Wir-Gefühl, das für die Realisierung besonders wichtig war“, so Pfanzelt. Das Wir bedeutet in diesem Fall auch, dass die Studierenden ihre Ideen selbst mit dem vorhandenen Material umgesetzt haben, immer in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ho&Ruck vor Ort. Die Studierenden haben bei dieser Lehrveranstaltung nicht nur gelernt einen Plan selbst eins zu eins umzusetzen, sondern auch, Materialien selbst zu prüfen, zu sortieren und mit dem Vorhandenen zu arbeiten. Johannes Münsch und Alexander Pfanzelt freuen sich über den Mehrwert des Projektes: „Es war auf jeden Fall auch ein Lernen von beiden Seiten. Wir konnten von dem Wissen und der Geschichte des Ho&Ruck profitieren. Gleichzeitig waren wir mit unserer Spritzigkeit und der Kreativität der jungen Leute auch eine Bereicherung für den Betrieb. Es war ein Geben und Nehmen auf beiden Seiten.“

 

Dieser Artikel ist in der Feber-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).