Mehr als Eierschwammerl

Pilze sind wahre Alleskönner. Sie zeichnen sich nicht nur durch eine enorm große Vielfalt aus, sondern spielen auch in unserem alltäglichen Leben einewichtige, oft unterschätzte Rolle. Sigrid Neuhauser und Martin Kirchmair engagieren sich in verschiedene Richtungen, um die Bedeutsamkeit der Pilze – auch abseits der Klassiker unter den „Schwammerln“ – zu verdeutlichen.
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Skizze eines Becherlings: Die verschiedenen Pilzarten werden entlang des „Pilzpfades“ anhand von Grafiken in Form von Aquarellen dargestellt. Bild: Leopold Simrath

Vom Schimmel- bis zum Speisepilz – die Anzahl der weltweit vorkommenden verschiedenen Arten von Pilzen wird auf etwa 1,5 Millionen geschätzt. Etwa 100.000 Arten sind tatsächlich beschrieben und klassifiziert. Bereits seit mehreren Jahrzehnten befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Forschungsgebiets für Mykologie am Institut für Mikrobiologie der Universität Innsbruck mit verschiedensten Facetten aus der Welt der Pilze. Die Forschungsergebnisse finden international Gehör. „Die Bedeutsamkeit von Pilzen für das Funktionieren unseres Ökosystems oder für den Einsatz in der Herstellung von Arzneien, Lebensmitteln oder in der Industrie sind aber in der öffentlichen Wahrnehmung kaum präsent“, erzählt Dr. Martin Kirchmaier, dessen Forschungsschwerpunkte auf der Pilzsystematik und Taxonomie liegen. Auch im Bezug auf das Verständnis von besonderen Eigenschaften der Pilze sehen die Forscher Aufholbedarf: „Pilze sind mit Tieren beispielsweise näher verwandt als mit Pflanzen“, nennt Dr. Sigrid Neuhauser eine weniger bekanntes Faktum. Die Mykologin befasst sich im Moment in erster Linie mit einzelligen Parasiten namens Phytomyxea, die Pflanzen befallen.

Pilzbestimmung allgemein verständlich

Eierschwammerl, Steinpilze oder Parasole sind hierzulande die beliebtesten und vermeintlich schmackhaftesten „Mitbringsel“ von Ausflügen in Tirols Wälder. „In Tirol gibt es mehrere tausend verschiedene Pilzarten“, sagt Neuhauser. „Bei Waldspaziergängen begegnen wir neben den alten bekannten auch vielen anderen Arten, die häufig unbekannt sind und nicht weiter eingeordnet werden können, auch wenn sie beispielsweise essbar wären“. Pilzberatungen zur Bestimmung der Art sowie möglichen Giftigkeit können hier Abhilfe leisten. Neuhauser und Kirchmair engagieren sich daher bereits seit mehreren Jahren im Verein für Pilzkunde Tirol/Jenbach und stellen ihre Expertise interessierten Schwammerlnsuchern zur Verfügung. „Im Rahmen dieser ehrenamtlichen Tätigkeit unterstützt unser Beraterteam in den Sommermonaten Ratsuchende bei der Bestimmung von gefundenen Pilzen und beantwortet alle Fragen rund um das Thema“, erklären die Forscher. 2015 feiert der Verein für Pilzkunde Jenbach/Tirol bereits sein 40-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass haben die Mykologen gemeinsam mit Nina Oman, einer Absolventin des Lehramtsstudiums Biologie und Umweltkunde, einen Pilzfolder erstellt. Entlang eines Leitsystems versehen mit Ja/Nein-Antwortmöglichkeiten erhalten Interessierte die Möglichkeit, Pilze anhand ihrer Eigenschaften selbst zu bestimmen.

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Zeichnung eines Hohlfuß- Röhrlings. Bild: Leopold Simrath

Ergänzt wird die gefaltete Broschüre durch allgemeine Informationen über Pilze und wie man sie richtig bestimmen kann. „Uns geht es dabei bewusst nicht darum, die Pilze in ‚essbar’ und ‚giftig’ einzuteilen. Wir möchten mit dieser Informationsbroschüre dem interessierten Pilzfreund ein Werkzeug in die Hand geben, um die Vielfalt der Pilze kennen zu lernen und einzelne Vertreter ihrer Art erkennen zu können“, so Neuhauser und Kirchmair. Die Grafiken in Form von Aquarellen in der Broschüre wurden von Leopold Simrath, einem langjährigen Mitglied des Pilzvereins speziell für diesen Anlass erstellt. Dass es sich dabei nicht um Fotografien handelt, ist kein Zufall. „In vielen Pilzbüchern wird mit Fotos gearbeitet. Das Aussehen der Pilze kann allerdings zum Beispiel aufgrund der Witterung variieren, daher handelt es sich dabei um keine sichere Methode“, sagt Kirchmair. Die Pilzbestimmung entlang von Eigenschaften wie etwa Aussehen des Fruchtkörpers oder das Vorhandensein von Lamellen oder Stacheln ist wesentlich zuverlässiger. Wer sich näher mit Pilzen befasst, wird schnell lernen, dass die Anzahl der Speisepilze in Tirol wesentlich größer ist, als viele vermuten. Auch wenn im Moment Hochsaison für Pilzfans ist: „Schwammerln suchen kann man auch bei uns fast das ganze Jahr“, verrät Sigrid Neuhauser. Gelegenheit zum Kennenlernen dieser Vielfalt haben alle Interessierten am Samstag, 29. August und Sonntag, 30. August 2015 von 10 bis 17 Uhr im Veranstaltungszentrum Jenbach, wenn der 40-jährige Geburtstag des Vereins gefeiert wird. Die Pilzexpertinnen und –experten haben 300 Pilzarten in einer Ausstellung vorbereitet.

Mikroben zum „Fressen gern“

Die Jubiläumsfeier bietet neben Einblicken in Tirols Pilzwelt auch Gelegenheit, Näheres über ein sehr wichtiges, oftmals aber eher verstecktes Vorkommen von Pilzen zu erfahren. Sigrid Neuhauser erstellte mit Studentinnen des Praktikums „Mikrobiologische Experimente“ im Rahmen des Lehramtsstudiums für Biologie ein mikrobiologisches Supermarktregal.

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Von Medikamenten bis zu Knabbereien: Pilze spielen in unserem Alltag - oft unbemerkt - eine große Rolle.


„Unser Ziel ist es, die enorme Vielfalt von Produkten unseres alltäglichen Lebens zu verdeutlichen, in denen entweder Pilze oder von Pilzen produzierte Inhaltsstoffe vorkommen“, sagt Neuhauser. Der Einsatz von Pilzen geht dabei aber weit über die mit Champignons belegte Tiefkühlpizza hinaus: Hefeextrakt, Zitronensäure, Sojasauce, Salami und Alkohol sind nur einige wenige Beispiele für diese Vielfalt, die bei einem Blick auf das Regal einige Überraschungen bereit hält.

Weitere Informationen zum Jubiläum und einen Blick auf den Folder zur Pilzbestimmung gibt es hier.