Ein Quantum Licht

Bisher wurde in Computersimulationen zur Vorhersage des Einflusses elektromagnetischer Strahlung ein „klassisches“ Verhalten von Licht angenommen.Forscher des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg haben dafür nun die Quantennatur des Lichts berücksichtigt. Michael Ruggenthaler vom Institut für Theoretische Physik ist an der Arbeit maßgeblich beteiligt.
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Die Ladungsdichte eines Elektrons (in blau) verändert sich durch die Wechselwirkung mit Photonen (in rot).

Atome, Moleküle und Festkörper bestehen aus positiv geladenen Kernen und negativ geladenen Elektronen. Die meisten physikalischen und chemischen Eigenschaften von Materie werden durch die Wechselwirkung dieser fundamentalen Bestandteile bestimmt. Die elektrisch geladenen Teilchen interagieren dabei, indem sie Photonen, die Quantenteilchen des elektromagnetischen Feldes, austauschen. Wie dies geschieht, wird durch die Gleichungen der Quantenelektrodynamik beschrieben. Da diese Gleichungen ausgesprochen schwer zu lösen sind, muss man sie stark vereinfachen, um sie auf reale Materialen anwenden zu können. So nimmt man in der Quantenchemie oder der Festkörperphysik üblicherweise an, dass man die Quantennatur des Lichts vernachlässigen kann. Obwohl diese Annahme oft gerechtfertigt ist, haben kürzlich durchgeführte Experimente gezeigt, dass die Quanteneigenschaft des Lichts das Verhalten von Materialien in bestimmten Situationen dramatisch verändern kann. Die in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences veröffentlichte Methode könnte in Zukunft dafür genutzt werden, Materialeigenschaften gezielt mit Photonen zu verändern.

Quantennatur des Lichts

Herkömmliche Computersimulationen komplexer Quantensysteme behandeln elektromagnetische Strahlung jedoch klassisch. Um auch in solchen Situationen Vorhersagen treffen zu können, haben Wissenschaftler der Theorieabteilung des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie, geleitet von Prof. Angel Rubio, eine neue Simulationsmethode vorgeschlagen, welche die Quantennatur des Lichts berücksichtigt. In ihrem neuen Ansatz beschreiben die Wissenschaftler das System aus geladenen Teilchen und Photonen als Quantenflüssigkeit. Hierbei bilden die Teilchen einen Ladungsstrom, der ein klassisches elektromagnetisches Feld erzeugt, welches wiederum auf sehr komplexe Weise auf den Ladungsstrom zurückwirkt. In der aktuellen Arbeit zeigen die Forscher wie dieser Ansatz das Verhalten eines stark mit den Photonen wechselwirkenden Elektrons auf einer Oberfläche richtig beschreiben kann. „Der Vorteil dieser Formulierung des gekoppelten Elektronen-Photonen Problems ist, dass man Näherungen finden kann, die Teilchen und Photonen gleichermaßen beschreiben“, sagt Johannes Flick, einer der Hauptautoren der Arbeit. „Dadurch ergibt sich die Möglichkeit neuartiger Computersimulationen, welche die Photonen nicht vernachlässigen, aber nach wie vor einfach und praktikabel bleiben“, fügt Michael Ruggenthaler, Zweitautor der Studie, hinzu. Der Physiker befasst sich bereits seit mehreren Jahren gemeinsam mit seinem Team am Institut für Theoretische Physik der Uni Innsbruck mit Formulierungen neuer Simulationsmethoden unter Berücksichtigung der Quanteneigenschaften des Lichts. „Unser Ziel ist es, die komplexen Gleichungen so zu vereinfachen, dass sie auf ‚üblichen’ Rechnern auch durchführbar sind“, erklärt Ruggenthaler. „Dabei vermeiden wir die gebräuchliche Vereinfachung die Quanteneigenschaften des Lichtes vollständig zu vernachlässigen“ Die Forschungsarbeit des Teams aus Innsbruck ist Teil des vom FWF geförderten Projekts „Fixpunkt-Sichtweise funktionaler Methoden der Quantendynamik“.
Als nächsten Schritt will Rubios Team die entwickelte Methode verwenden, um komplexe Quantensysteme in Situationen zu untersuchen, in denen Photonen vermutlich eine wichtige Rolle spielen. Dadurch wollen sie verstehen wie die Quantennatur des Lichts die Eigenschaften von Materialien verändert. Dies könnte in Zukunft neue Wege eröffnen, um chemische Reaktionen in komplexen Systemen wie Biomolekülen zu kontrollieren und neue Materiezustände zu finden.

(Michael Grefe, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie / red)