Vorgestellt: Gesund altern - welche Rolle spielen Sport, Schlaf und Hypoxie?

Wie sich die Bereiche Sport, Schlaf, Hypoxie und Alternsforschung wissenschaftlich vereinbaren lassen, ist Gegenstand der Forschungsarbeitenvon Nikolaus Netzer, Professor am Institut für Sportwissenschaften. Training unter Sauerstoffmangel und die Auswirkungen von gesundem Schlaf auf den Alterungsprozess sind Teil wissenschaftlichen Interessen.
Nikolaus Netzer
Nikolaus Netzer, Professor am Institut für Sportwissenschaften untersucht, wie Hypoxie, Sport, Alternsforschung und Schlaf zusammenhängen. (Foto: Foto Nikolaus Netzer)

Dass sich Sport und Bewegung auf Menschen in jeder Hinsicht positiv auswirken, ist bereits seit langem bekannt. Wissenschaftler und Sportmediziner Nikolaus Netzer erforscht mit seinem Team die Möglichkeiten, die Bewegung unter kontrolliertem Sauerstoffmangel im Bereich der Prävention bietet. „Das einzige, was aktuellen Studien zufolge gegen Demenz hilft, ist Bewegung und Sport“, so Netzer. Durch die intensive Durchblutung des Gehirns während einer sportlichen Belastung wird auch der Sauerstoffaustausch im Gehirn gefördert. Schäden der kleinen Arterien durch die Ablagerungen von Amyloiden an der Gefäßwand, die für Alzheimer-Demenz charakteristisch sind, können so verhindert oder zumindest verzögert werden. „Genau hier treffen sich die Forschungsbereiche der Sauerstoffmangel-Forschung, Sport, Bewegungs- sowie Alternsforschung“, freut sich Netzer, der schon seit über 15 Jahren fachlich mit dem Institut der Sportwissenschaften in Innsbruck verbunden ist.

Bewegung und Schlaf als Prävention

„Die Bewegung fördert eine bessere Durchblutung, was einen stabileren Kreislauf zur Folge hat. Dies ist neben allen Organen, besonders auch für das Gehirn essenziel, denn dieses spielt im Alterungsprozess die größte Rolle. Netzer weist darauf hin, dass sich derzeit einige Studien mit dem Zusammenhang von Demenz und Bewegung beschäftigen. International werde derzeit die Meinung vertreten, dass kleine Bewegungseinheiten ausreichen, um Demenz vorzubeugen. Diese Annahmen werden auch von Nikolaus Netzer bekräftigt. Er ist der Meinung, dass bereits die normalen Alltagsbewegungen, wie beispielsweise ein kurzer Gang zum Einkaufen oder die Erledigung des Haushalts bereits präventiv wirken können. Der Mediziner betont, dass es besonders für ältere Menschen nicht intensiver Sport sein muss, um sich fit zu halten. „Ergebnisse zeigen, dass besondere Ernährung nicht denselben Effekt erzielen kann wie ausreichend Bewegung“, so Netzer. Zusätzlich zu Bewegung scheint ein gesunder Schlaf im Alter besonders wichtig zu sein. Schlafatemstörungen wie Schlafapnoe werden im Alter oft unterschätzt und daher nicht behandelt. Krankheiten im Alter und Demenz können durch solche Störungen leichter und häufiger auftreten. „Je besser die Atmung im Schlaf ist, desto besser ist auch die Sauerstoffversorgung. Schlaf spielt also im Alterungsprozess eine große und wichtige Rolle“, erklärt der Mediziner. Interessant für die Prävention bei älteren Menschen ist, dass Wandern in den Bergen oder im hügeligen Gelände die Möglichkeit bietet, bei wenig Zeitaufwand trotzdem ausreichende Belastungsintensitäten für eine Prävention gegen Demenz zu erzielen. Netzer weist darauf hin, dass es effektiver ist, ein bis zwei Mal pro Woche etwa 500 Höhenmeter zurückzulegen, als täglich ein bis zwei Stunden spazieren zu gehen: „Gerade wenn man als 60-jähriger noch arbeitet und dementsprechend weniger Zeit für Bewegung hat ist es sehr sinnvoll, mindestens ein Mal in der Woche einen Hügel zu besteigen. Da kommt der einfache Hügel-Wald-Spaziergang gerade recht und stellt genau die Mehrbelastung dar, die viele Stunden Spaziergang in der Ebene ausgleicht.“ Der Sportmediziner freut sich, dass gerade die Menschen im alpinen Raum und in Tirol in einer privilegierten Umgebung leben, denn Möglichkeiten zur Bewegung in der Höhe werden hier viele geboten.

Training unter Hypoxie zeigt positive Effekte

Unter kontrollierten Bedingungen trainieren Menschen mittleren Alters im Labor, in dem eine Sauerstoffsättigung von einer Höhe von 4.500 Metern simuliert wird. Um diesen Sauerstoffmangel zu erreichen wird mehr Stickstoff, der sich bei normalem Luftdruck im Körper neutral verhält, in den Raum eingeleitet. Dieser verdrängt den Sauerstoff und so kann Hypoxie hergestellt werden. Die Forscherinnen und Forscher wollen analysieren, ob in Hypoxie der Fettstoffwechsel bei Menschen besser und effizienter funktioniert, als unter normalen Bedingungen. „Wir simulieren hier eine Höhe, die der Gipfelhöhe des Matterhorns entspricht“, erklärt Netzer. Gleichzeitig trainiert eine weitere Gruppe unter normalen Bedingungen, die ihnen jedoch als Hypoxie vermittelt wird. Hier können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Placebo-Effekt mit den tatsächlichen Ergebnissen in Hypoxie vergleichen. Der Sportmediziner entnimmt den Probandinnen und Probanden am Bauch Körperfette, sowie Blut und Zellen, um den Fettstoffwechsel zu kontrollieren. „Erste Ergebnisse zeigen, dass der Fettstoffwechsel in den ersten drei Wochen verbessert wird, die Zellen sich jedoch nach dieser Zeit an die veränderten Bedingungen anpassen und dann kein Effekt mehr gemessen werden kann“, erläutert Netzer. Um allerdings in diesen ersten drei Wochen einen positiven Effekt zu erleben, müssen Menschen auf einer Höhe von mindestens 2.000 bis 2.500 Metern trainieren. In einem weiteren Projekt untersuchen Netzer und sein Team, wie sich Bewegung in Hypoxie auf ältere Menschen Ende 70, Anfang 80 mit Herzinsuffizient auswirkt. „Unsere Annahme ist, dass die Pumpleistung des Herzens dieser Menschen unter leichtem Training in Hypoxie verbessert werden kann. Dabei sprechen wir von leichter Bewegung, die dem Erkrankungszustand entspricht – also moderates Gehen zwischen 50 und 100 Metern“, so Netzer. Genaue Ergebnisse dieser Studie liegen noch nicht vor, jedoch lassen sich positive Tendenzen bereits erkennen. Was der Sportmediziner schon feststellen kann ist, dass Bewegung in Hypoxie auch für ältere und an Herzinsuffizienz erkrankte Menschen nicht negativ ist. „Das ist eine wichtige Erkenntnis für den alpinen Raum, schon allein deswegen, weil auch wir immer älter werden. Man kann sagen, dass sich auch ältere Menschen mit gutem Gewissen im alpinen Raum aufhalten können“, stellt Netzer fest.

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. med. Nikolaus Netzer ist seit dem 1. Jänner 2014 in einer Stiftungsprofessur für Sport, Schlaf, Hypoxie und Alternsforschung am Institut für Sportwissenschaften tätig. Nach dem Abitur studierte er Medizin an der LMU München und an der Universität Innsbruck, bevor er sich 1989 bei Univ.-Prof. Dr. Walter Schmidt an der Universität Innsbruck promovierte. Nach der Facharztausbildungzum Internisten, Pneumologen und Sportmediziner an der Universitätsklinik Freiburg und einer kurzen Zeit als Fachoberarzt am Sportmedizinischen Institut der Universität Ulm ging er 1996 für sechs Jahre in die USA als Visiting Professor an die Universitätsklinik Cleveland und später ans renommierte Walter Reed Army Medical Center nach Washington DC. 1996 gründete er die Fachzeitschrift „Sleep and Breathing“ im Springer Verlag, deren Herausgeber er bis heute ist. Nach der Rückkehr aus den USA habilitierte er 2004 an der Universität Ulm. Es folgte die Firmengründung der Gesundheitsbetriebe Dr. Netzer GmbH und eine weitere Facharztausbildung zum Geriater. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt liegt im Bereich der Hypoxiephysiologie und -therapie mit der Auswirkung von Hypoxie auf den Fett und Zuckerstoffwechsel sowie auf Alterungsprozesse beim Menschen.