Schmiermittel unter Druck

Der Raum zwischen Reibungsflächen ist ausschlaggebend für die Eigenschaften eines Schmiermittels, das fanden Innsbrucker Theoretikergemeinsam mit Physikern und Materialwissenschaftlern an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen mit Hilfe von Computersimulationen heraus. Sie berichten darüber in der Fachzeitschrift Nature Communications.
varnik_mandal_franosch_400x306.jpg
Wie kann man die Reibung zweier Oberflächen beeinflussen? Ein Team um Fathollah Varnik (ICAMS), Suvendu Mandal und Thomas Franosch (Uni Innsbruck) (von links), untersuchte dies mit Hilfe von Computersimulationen.

Sei es die Gelenkflüssigkeit zwischen einzelnen Knochen oder Öl zwischen zwei Türscharnieren: Um die Reibung zweier fester Flächen aneinander zu vermeiden, bedarf es eines Schmiermittels. Denn was mit dem bloßen Auge oft nicht erkennbar ist, wird unter dem Mikroskop deutlich: Oberflächen sind nie ganz glatt, sondern weisen keilartige Geometrien auf, die zwangsweise zur Reibung der Oberflächen aneinander führen.
Dass der Platz zwischen diesen Flächen ausschlaggebend ist für die Eigenschaften solcher Schmiermittel ist, fanden in einer gemeinsamen Forschungsarbeit Physiker und Materialwissenschaftler am Düsseldorfer Max-Planck-Institut für Eisenforschung, am Interdisziplinären Zentrum für moderne Materialsimulation (ICAMS) der Ruhr-Universität Bochum und an den Universitäten Innsbruck, Erlangen und Tübingen heraus. Die Forscher untersuchten mittels Computersimulationen und theoretischen Vorhersagen Flüssigkeiten zwischen zwei angrenzenden parallelen harten Platten.

„Wir haben dazu das Zustandsdiagramm theoretisch vorhergesagt“, erzählt Prof. Thomas Franosch vom Institut für Theoretische Physik der Universität Innsbruck. Mit Hilfe der sogenannten Modenkopplungstheorie hat Franosch die Abfolge von glasigen und flüssigen Zuständen bei der Veränderung des Plattenabstands beziehungsweise entlang eines leicht geöffneten Keils vorhergesagt. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Eigenschaften der Flüssigkeit stark vom Plattenabstand abhängen, wenn dieser nur wenige Teilchen umfasst. Im Falle amorpher Materialien – das sind Materialien, deren Atome in einer ungeordneten Struktur vorliegen – kann die durch die Platten verursachte, geometrische Einschränkung zu einem Übergang von einem flüssigen in einen festen und brüchigen Zustand führen. Beschränkt man den Abstand weiter, kehrt sich der Prozess um und man erhält wieder eine Flüssigkeit. Diese Um- und Rückwandlung ist wiederholbar und hängt sowohl vom Durchmesser des Plattenabstandes als auch vom äußeren Druck ab. Solche Übergänge von Materialien von einem Zustand in einen anderen werden als Phasenumwandlung bezeichnet. Materialien, die die oben beschriebene Phasenumwandlung durchlaufen, sind Gläser.

Geometrie beeinflusst Zustand

Ein Glasbläser kann durch sehr schnelles Abkühlen einen flüssigen oder gasförmigen Stoff in festes Glas umwandeln. Wie die aktuelle Forschungsarbeit zeigt, können auch geometrische Veränderungen, wie die Änderung des Raumes zwischen zwei festen Stoffen, Einfluss auf die Flüssigkeit beziehungsweise das Schmiermittel im Zwischenraum haben. Die Ergebnisse zeigen erstmals, dass bei keilartigen Geometrien flüssige und glasartige Zustände gleichzeitig nebeneinander existieren, wenn der externe Druck hoch genug ist. Mittels moderner Computersimulationen konnten Aussagen über Zwischenräume von nur wenigen Teilchenlagen getroffen werden, was besonders interessant für Anwendungen in der Mikro- und Nanotechnologie ist. Früher war die Untersuchung solch kleiner Zwischenräume dadurch begrenzt, dass sich Flüssigkeiten durch derart starke Begrenzungen kristallisieren, das heißt, dass deren atomare Struktur von unregelmäßigen, amorphen Mustern in kristalline und somit geordnete Muster übergeht. Die Wissenschaftler konnten dieses Problem durch die Einführung verschiedener Partikelgrößen überwinden.

„Das ist der Anfang einer Reihe von Entdeckungen“, so Dr. Fathollah Varnik, wissenschaftlicher Gruppenleiter am ICAMS. „Die theoretischen Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit öffnen den Weg für neuartige Anwendungen im Maschinenbau, in der Nanotechnologie, und sogar im medizinischen Bereich, zum Beispiel für Endoprothesen.“ Die Berücksichtigung der Reibungsprozesse kann zur Energieeinsparung und längerer Lebensdauer eines Werkstücks führen, indem Verschleiß und Abrieb verringert werden.