Dolmetschkompetenz aus erster Hand

Behörden, Sozialämter, Schulen oder Gesundheitswesen: Die Arbeit von DolmetscherInnen ist an vielen Stellen gefragt, kann aber nicht immer von Profisübernommen werden. Die Universität Innsbruck hat in Kooperation mit dem Land Tirol, dem Diakonie Flüchtlingsdienst und dem Integrationsfonds eine neue Fortbildung für LaiendolmetscherInnen ins Leben gerufen.
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Die Vermittlung zentraler Dolmetschstrategien steht im Mittelpunkt eines neuen Universitätskurses im Weiterbildungsangebot der Uni Innsbruck. (Foto: istockphoto.com)

Menschen, deren Muttersprache nicht die des Aufnahmelandes ist, haben bei Gerichtsverfahren das Recht auf Dolmetschleistungen durch professionelle DolmetscherInnen. Die anfallenden Kosten werden vom Staat getragen. In beinahe allen anderen Bereichen des täglichen Lebens fehlt eine solche Regelung allerdings. „Hier kommen häufig mehrsprachige Personen zum Einsatz, die aus der gleichen Sprachgemeinschaft oder sogar aus der Verwandtschaft stammen und bei Arztbesuchen oder Amtswegen dolmetschen, ohne eine Ausbildung zu haben“, erklärt MMag. Katharina Redl, Übersetzerin und Dolmetscherin im psychosozialen und kommunalen Bereich, unter anderem in der Rechtsberatung des Diakonie Flüchtlingsdienstes. Sie leitet gemeinsam mit Dipl.-Dolm. Elvira Iannone vom Institut für Translationswissenschaft den neuen Universitätskurs zur Professionalisierung von LaiendolmetscherInnen. Der Fachbegriff für diese Art des Dolmetschens, die in der neuen Fortbildung unter professioneller Anleitung trainiert werden wird, lautet „Community Interpreting“ oder „Kommunaldolmetschen“.
Was die Qualität dieser Verdolmetschungen anbelangt, müssen häufig Abstriche in Kauf genommen werden. „Denn Kenntnisse in zwei oder mehreren Sprachen bringen nicht automatisch Kompetenzen im Bereich des Übersetzens und Dolmetschens mit sich“, betont Elvira Iannone, Konferenzdolmetscherin und Senior Lecturer am Institut für Translationswissenschaft der Uni Innsbruck. „Es handelt sich ganz im Gegenteil um hochspezialisierte Tätigkeiten, denen eine umfangreiche Ausbildung zu Grunde liegt“. Auf die Arbeit der DolmetscherInnen ohne Ausbildung kann und soll aber keinesfalls verzichtet werden. Professionelle DolmetscherInnen wären oft nicht nur zu kostenintensiv, sondern könnten vor allem das erforderliche Sprachenspektrum nicht abdecken. „Gerade im Asylbereich ändert sich der Sprachbedarf relativ schnell. Für Sprachen des Nahen Ostens oder Afrikas z.B. gibt es oft keine ausgebildeten DolmetscherInnen“, sagt Iannone.

Dolmetsch-Strategien

Der berufsbegleitende Universitätskurs „Community Interpreting – Professionalisierung von LaiendolmetscherInnen im sozialen, medizinischen, psychotherapeutischen und kommunalen Bereich“ findet an der Uni Innsbruck statt und ist der erste seiner Art in Westösterreich. An den insgesamt 6 Blockterminen wird der Fokus zunächst auf die Entwicklung des Dolmetschens und Dolmetschtechniken gelegt. Besonders wichtig ist den Expertinnen praxisnahes Arbeiten: Beispiele aus konkreten Anwendungsfeldern wie etwa Psychotherapie werden in Rollenspielen simuliert. „Dabei geht es uns nicht um die Vermittlung vertiefender Sprachkenntnisse oder Fachbegriffe. Wir möchten spezifische Techniken und Strategien wie Notizentechniken oder Recherchekompetenzen vermitteln“, erklären Iannone und Redl.

Seelische Belastungen

Neben hohen fachlichen Anforderungen sind die Community Interpreters aufgrund ihrer Betätigungsfelder immer wieder mit großen emotionalen Belastungen konfrontiert. „Persönliche Schicksale von Menschen, die aus von Konflikten oder Krisen geprägten Ländern migrieren, können die DolmetscherInnen an emotionale Grenzen bringen“, wissen die Expertinnen aus eigener Erfahrung. „Daher ist es wichtig, dass man sich seiner Aufgaben als DolmetscherIn bewusst ist“. Stressmanagement, Sensibilisierung für Rollenbilder und Fragen der Berufsethik sind daher zentrale Inhalte der neuen Fortbildung.

Großes Interesse

Die 20 Plätze des Ende April erstmals beginnenden Kurses waren rasch vergeben. „Der Bedarf scheint wirklich groß zu sein“, betonen die Kursleiterinnen. Die Fortbildung schließt nach einer mündlichen Prüfung mit einem Zertifikat der Uni Innsbruck ab, der Selbstbehalt beläuft sich auf nur 80 Euro, denn der Großteil der Kosten wird vom Österreichischen Integrationsfonds, der Uni Innsbruck und der TILAK getragen. Aufgrund der großen Nachfrage ist eine Fortsetzung des Kurses bereits in Planung.

Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe des Magazins „wissenswert“ erschienen. Eine digitale Version ist hier zu finden (PDF).