Zertifizieren oder nicht?

Esther Blanco vom Institut für Finanzwissenschaft hat Faktoren identifiziert, die für das langfristige Überleben von Umweltzeichen ausschlaggebend sind.
Umweltzeichen
Umweltzeichen sind ein Anreiz für Unternehmen, nachhaltige Strategien zu verfolgen. Nicht immer können sich Umweltzeichen aber erfolgreich etablieren.

Einige Umweltzeichen wie zum Beispiel der Blaue Engel und das österreichische Umweltzeichen haben sich als Garanten für nachhaltige Produkte etabliert. Aber nicht alle Umweltzeichen überleben langfristig. Grund dafür sind unter anderem die Startbedingungen, unter denen ein Umweltzeichen kreiert wird.
Umweltfreundliche Produkte dürfen ruhig ein bisschen mehr kosten. Beim Einkauf will der bewusste Konsument aber in der Regel sicher sein, dass er tatsächlich zu einem nachhaltigen Erzeugnis greift. Aus diesem Grund kreieren Regierungen, aber auch Umweltschutzorganisationen oder Unternehmervereinigungen Umweltzeichen, die ökologisch agierenden Firmen die Möglichkeit bieten, sich zertifizieren zu lassen und mit dem jeweiligen Logo zu werben. Darüber hinaus können Zertifizierungsprogramme bestimmte Anreize für konventionell agierende Unternehmen darstellen, ihre Produktionsstrategien künftig nachhaltig zu gestalten. Dr. Esther Blanco, gebürtige Spanierin und Nachwuchswissenschaftlerin am Institut für Finanzwissenschaft, untersucht in einer kürzlich publizierten Studie gemeinsam mit Kollegen, unter welchen Voraussetzungen Umweltzeichen langfristig funktionieren. Hand in Hand mit der Überlebensfähigkeit eines Umweltzeichens geht in einem weiteren Schritt auch die Frage, wie sich die Einführung von Umweltzeichen unter verschiedenen Bedingungen, auf die Bereitschaft von Unternehmen auswirkt, ökologische Strategien zu verfolgen.

Methodisch folgt Blanco dabei dem Ansatz der evolutionären Spieltheorie, bei der es möglich ist, dass im Rahmen von verschiedenen Szenarien Akteure, in ihrem Fall Unternehmen mit unterschiedlichen Umwelt-Strategien, auf einem Markt miteinander konkurrieren. Ein Nebeneinander, also das gleichzeitige Überleben zweier Strategien ist dabei prinzipiell möglich. Die Szenarien werden durch Rechenmodelle repräsentiert. Im Zentrum steht die Frage, wie die unterschiedlichen Strategien interagieren und welche Strategien letztendlich überleben. „Die Attraktivität eines Umweltzeichens ergibt sich aus der Kosten-Nutzen-Relation. Das langfristige Überleben hängt sehr stark davon ab, wie viele Firmen freiwillige Aktivitäten zugunsten der Umwelt unternehmen“, betont Blanco. Dabei wird die Überlebenschance des Umweltzeichens stark vermindert, wenn zu Beginn der Einführung des Umweltzeichens vielen Firmen aktiv sind, die nicht in umweltschonenende Maßnahmen investieren. Der Grund: Die Möglichkeit, sich durch das Umweltzeichen preislich von den anderen abzuheben, ist zu gering. Das macht das Umweltzeichen uninteressant. Im Idealfall lassen sich in der Gründungsphase eines Umweltzeichens viele Unternehmen zertifizieren, die bereits grüne Strategien verfolgen. „Je mehr desto besser“, unterstreicht Blanco dieses Ergebnis.

Ungünstige Startbedingungen

Aus diesem Grund kann es manchmal sogar schädlich sein, wenn man ein Umweltzeichen in einem Land einführt, in dem einige wenige Firmen gerade beginnen, umweltschonenende Aktivitäten zu implementieren, wenn das Umweltzeichen also zu früh ins Leben gerufen wird. „Stellen wir uns ein Entwicklungsland vor, in dem nur wenige Firmen freiwillige umweltschonende Aktivitäten unternehmen. Kommt nun eine internationale Organisation und schafft mit den besten Absichten ein Umweltzeichen, so ist dieses zum Scheitern verurteilt, obwohl alle umweltbewussten agierenden Firmen daran teilnehmen“, erläutert die Wissenschaftlerin. Das Umweltzeichen kollabiert und die Anreize für freiwillige Aktivitäten verschwinden zur Gänze. – Neben diesem hat die Forscherin viele weitere Szenarien erforscht, die Aufschluss über die Entwicklung eines Umweltzeichens geben. So sollten alle Regierungen, NGOs und andere Organisationen, die Zertifizierungsprogramme forcieren, die möglichen Startbedingungen und Dynamiken auf den Zielmärkten berücksichtigen, empfehlen Blanco und ihre beiden Kollegen am Ende ihrer Studie mit dem Titel „Can Ecolabels survive on the long run?“

Evolutionäre Spieltheorie

In der Spieltheorie werden Entscheidungssituationen modelliert, in denen sich mehrere Beteiligte gegenseitig beeinflussen. Eine neuere Entwicklung im Bereich der Spieltheorie stellen evolutionäre Spiele dar. Der Ursprung dieser Art von Spieltheorie stammt aus der Biologie. Von evolutionärer Spieltheorie spricht man daher meist dann, wenn das Verhalten der Spieler nicht durch rationale Entscheidungskalküle abgeleitet wird, sondern als Ergebnis von kulturellen oder genetischen Evolutionsprozessen begründet wird. Die Grundidee ist, dass erfolgreiche Verhaltensmuster dominieren und weniger erfolgreiche sich ausdünnen. Ein Nebeneinander von Verhaltensmustern in einem stabilen Gleichgewicht ist allerdings nicht ausgeschlossen.

Zur Person

Esther Blanco, geboren 1981 in Spanien, schloss im Jahr 2005 ihr Masterstudium Tourismus und Umweltökonomie an der Universidad de las Islas Baleares (Palma de Mallorca) ab. Von 2005 bis 2009 absolvierte sie dort ihr Doktoratsstudium der Wirtschaftswissenschaften. Seit Jänner 2010 ist Esther Blanco Assistenzprofessorin am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck. Zu ihren Forschungsinteressen zählen unter anderem evolutionäre Spieltheorie, experimentelle Ökonomik, öffentliche Ökonomik, Industrieverbände, Umwelt- und Naturressourcenökonomik.

 

Dieser Artikel ist in der aktuellen Ausgabe von wissenswert – dem Magazin der Universität Innsbruck in der Tiroler Tageszeitung – erschienen. Weitere interessante Beiträge rund um Lehre und Forschung an der Universität Innsbruck finden Sie in der Online-Ausgabe von wissenswert.