Gastkommentar: Von der US-amerikanischen Sub-prime Krise zu Tiroler Fremdwährungskrediten

Dr. Jochen Lawrenz und Mag. Stefan Leitinger vom Institut für Banken und Finanzen über die Zusammenhänge.
Dr. Jochen Lawrenz und Mag. Stefan Leitinger
Dr. Jochen Lawrenz und Mag. Stefan Leitinger

Warum sollte jemand, der in Tirol über die Finanzierung eines Hauskaufs nachdenkt, sich um die Häuserpreise im mittleren Westen der USA Gedanken machen? Ist es denn möglich, dass Immobilienpreise, die sich im Land der Rocky Mountains gebildet haben, einen Einfluss auf den Markt für Wohneigentum in den Alpen haben? Obwohl die Welt in Zeiten der Globalisierung immer stärker vernetzt zu werden scheint, waren solche Überlegungen bislang, nicht nur im räumlichen Sinne des Wortes, etwas sehr weit hergeholt. Die aktuellen Entwicklungen an den Finanzmärkten zeigen uns allerdings, dass es sich dabei womöglich doch nicht um so abwegige Vermutungen handelt.

 

Bereits seit 1995 erfreut sich in Österreich, und insbesondere in den westlichen Bundesländern, die Finanzierung von Wohneigentum durch so genannte Fremdwährungskredite einer ungebrochenen Beliebtheit. Dabei handelt es sich kurz gesagt um ein Hypothekardarlehen, das in fremder Währung aufgenommen wird. Die Verzinsung wird durchgehend variabel vereinbart, mit einer vierteljährlichen Zinsanpassung an den dreimonatigen Geldmarktzinssatz der jeweiligen Fremdwährung. Die Tilgung des Kredits erfolgt in der Regel am Laufzeitende, wobei das dazu benötigte Kapital in einem Tilgungsträger über die Kreditlaufzeit angespart wird.

 

Für den Kreditnehmer bedeutet dies, dass er durch dieses eine Finanzierungsprodukt gleich den drei hauptsächlichen Finanzmarktrisiken – Wechselkurs-, Zinsänderungs- und Aktienkursänderungsrisiko – ausgesetzt ist. Obwohl sich die Banken zweifellos mehr oder weniger stark bemühen, den Kunden über die Risiken aufzuklären, muss man wohl davon ausgehen, dass dennoch ein beträchtlicher Prozentsatz die tatsächliche Tragweite nicht ganz überblickt. Nicht aus Unvermögen wohlgemerkt, sondern aufgrund der komplexen Wechselwirkungen, die die heutigen globalen Finanzmärkte auszeichnen. Und diese Komplexität bekommen wir gerade durch die momentanen Finanzmarktturbulenzen deutlich vorgeführt.

 

In den letzten Monaten haben alle wichtigen Börsen dieser Welt massiv an Wert verloren. Der österreichische Leitindex ATX hat beispielsweise seit Mitte Dezember des letzten Jahres (bis 28.01.2008) rund 14,9% eingebüßt. Als Auslöser für diesen Einbruch wird meist auf die so genannte Sub-prime’- oder Immobilien-Krise’ in den USA verwiesen. Seit einigen Jahren wurden dort von den Banken Gelder an Kreditnehmer ausgeliehen, die nach normalen Maßstäben nicht über ausreichendes Einkommen, Vermögen und Sicherheiten verfügten. Die großzügige Kreditvergabe trieb die Immobilienpreise in die Höhe. Für die Banken war dies dennoch ein lukratives Geschäftsmodell, da sie diese Kreditforderungen – kurz gesagt – bündelten und an institutionelle Investoren weiterverkauften. Dies ging so lange gut, wie es nicht zu massiven Zahlungsausfällen der Kreditnehmer kam. Seit Anfang des Jahres 2007 wurde aber nach und nach offensichtlich, dass bei diesen sub-prime loans noch mit erheblichen Verlusten zu rechnen sein wird. Dies zwang Banken zu massiven Wertberichtigungen und Abschreibungen, was wiederum das Vertrauen der Banken untereinander beeinträchtigte und zu Liquiditätsproblemen führte und sogar die Notenbanken dazu zwang, kurzfristig einzugreifen. Die empfindlichen Verluste, die nahezu alle großen Banken hinnehmen mussten, zusammen mit den trüben Konsumaussichten und den schwachen Konjunktur-Indikatoren für die USA, legten schließlich den Schluss nahe, dass die größte Volkswirtschaft der Welt möglicherweise in eine gravierende Rezession schlittern könnte.

 

Kommen wir aber wieder zurück zum Tiroler Eigenheimbesitzer, der seinen Kauf mit einem Fremdwährungskredit finanziert hat. Haben die Schockwellen der US-Immobilienkrise, die sich momentan über den Globus fortpflanzen, einen konkreten Einfluss auf ihn? In der Tat ist ein Fremdwährungskreditnehmer sogar zweifach von der Krise betroffen.

 

Zum einen kann der Tilgungsträger durch die Kurseinbrüche an den internationalen Börsen massiv an Wert verlieren. Wie hoch die Verluste hierbei sein können, hängt im Einzelnen davon ab, wie die Ansparung konkret ausgestaltet worden ist. Vor allem Aktienfonds oder fondgebundene Lebensversicherungen mit einem hohen Aktienanteil sind stark vom Einbruch der Börsen betroffen, wie die Entwicklungen der Marktindizes seit Mitte des letzten Monats belegen, Dow Jones (-8,4%), Nikkei-225 (-15,6%), Dax (-14,2%) oder ATX (-14,9%). Der Wertverfall des Tilgungsträgers kann dazu führen, dass gemessen an der gesamten Kreditlaufzeit die erwartete Rendite nicht erreicht wird und somit am Tag der Rückzahlung der Gesamtwert des Tilgungsträgers die Kreditsumme nicht mehr vollständig abdeckt.

 

Während das Tilgungsträgerrisiko nur jene betrifft, die sich für eine riskante Form der Ansparung entschieden haben, hat eine zweite Auswirkung der aktuellen Krise Einfluss auf alle Fremdwährungskreditnehmer. Dabei handelt es sich um substantielle Wechselkursänderungen, die seit Ende letzten Jahres zu beobachten sind. Die Finanzmarktturbulenzen und Rezessionsängste haben insgesamt den Effekt, dass Anleger momentan weniger Risiken eingehen, bzw. bestehende Risiken verringern wollen. Eine Form dieser gestiegenen Risikoaversion zeigt sich in der massiven Rückabwicklung bestehender, so genannter ‚Carry Trades’. Unter Carry Trades versteht man Arbitragegeschäften, die versuchen, Bewertungsunterschiede auf den internationalen Finanzmärkten auszunützen. Dabei werden in Ländern mit niedrigem Zinsniveau Kredite aufgenommen, um dieses Kapital in Länder mit höherem Zinsniveau gewinnbringend investieren zu können. Bedingt durch das geringe Zinsniveau in Japan und in der Schweiz zählten diese in der Vergangenheit zu den kreditgebenden Ländern. Investiert wurde das Kapital in der Regel in Hochzinsländern, wie den USA. Durch die Abwertung des US-Dollars und dem Rückgang im Zinsniveau beginnen die Erträge aus den Carry Trades zu sinken. Als Reaktion darauf werden in letzter Zeit daher die Positionen in US-Dollar verkauft, was zu einem weiteren Absinken des US-Dollars führen wird. Gleichzeitig müssen die Kredite in den Fremdwährungen zurückbezahlt werden, wodurch ein Anstieg der betroffenen Währungen, wie zum Beispiel dem Schweizer Franken oder dem Japanischen Yen ausgelöst wird.

 

Diese Entwicklungen können in den letzten Monaten exakt auf den Devisenmärkten nachvollzogen werden. Speziell im Vergleich zu Mitte Dezember 2007 hat der US-Dollar gegenüber dem Schweizer Franken um 4,3% an Wert verloren. Beim Japanischen Yen liegt der Wertverlust sogar bei 5,3%. Gegenüber dem Euro haben die beiden Währungen ebenfalls an Wert gewonnen. Im Jänner konnte der Schweizer Franken um 3,5% und der Japanische Yen sogar um 4,5% zulegen. Für mehr als 90% der österreichischen Fremdwährungskreditnehmer, die sich im Schweizer Franken befinden, bedeutet eine Aufwertung eine wechselkursbedingte Erhöhung der Kreditschuld um 3,5%.

 

Nimmt man die beiden beschriebenen Effekte zusammen, dann ist ein Fremdwährungskredit im Schweizer Franken mit einem Aktienfonds-gebundenen Tilgungsträger z.B. im ATX innerhalb der vergangenen eineinhalb Monate um rund 18,4% teurer geworden. Es ist natürlich hierbei anzumerken, dass die Entwicklungen in der Zeit vor dem Beginn der Sub-prime Krise für den Fremdwährungskreditnehmer vorteilhaft waren, und so der momentane Wertverlust von einem hohen Niveau aus erfolgt. Jedoch verdeutlicht dieser Extremfall nicht nur das Ausmaß der einzelnen Risiken, sondern auch die Tatsache, dass die verschiedenen Risikoarten sich gegenseitig verstärken können. Diese und ähnliche Fragestellungen werden momentan im Rahmen eines OeNB-Forschungsprojekts zur systematischen Quantifizierung der Risiken von Fremdwährungskrediten am Institut für Banken und Finanzen der Universität Innsbruck bearbeitet.

 

Inwieweit die Verteuerung der Fremdwährungskredite, die zu etwa zwei Dritteln zur Finanzierung von Wohnraum verwendet werden, einen Einfluss auf den heimischen Immobilienmarkt haben könnte, ist letztlich Spekulation. Jedoch belegt das Beispiel das Ausmaß und die Komplexität der heutigen vernetzten Finanzmärkte. Und in diesem Sinne ist es für einen Tiroler Häuslbauer nicht einmal abwegig sich bei der Bau-Finanzierung auch über die Immobilienpreise in den USA Gedanken zu machen.