Gastkommentar: Dr. Franz Eder: Gezielte Provokation oder unbedachte Stimmungsmache? Susanne Winter und ihr gefährliches Spiel mit Islam-Bashing

Franz Eder, Politikwissenschaftler und Mitglied der International Security Research Group ISRG, zu den aktuellen Aussagen einer FP-Politikerin.
Dr. Franz Eder
Dr. Franz Eder

Die Reaktionen auf die Aussagen von Susanne Winter, der Spitzenkandidaten der FPÖ-Graz für die bevorstehenden Gemeinderatswahlen, reichen von Unverständnis und Kopfschütteln bis hin zu Verärgerung und offener Wut. Ihre Anschuldigungen, der Prophet Mohammed sei „ein Kinderschänder“ gewesen und ihm vorzuwerfen, er habe den Koran während „epileptischer Anfälle“ geschrieben, stoßen nicht nur innerhalb Österreichs auf Ablehnung und Unverständnis, sondern werden auch international rezipiert. Von der „Süddeutschen Zeitung“ über „Focus“ und der „Neue Zürcher Zeitung“ ist es nur eine Frage der Zeit, bis dieser Art der Provokation auch in arabischsprachigen Tageszeitungen Platz eingeräumt wird.

 

Man könnte nun argumentieren, dass den verbalen Entgleisungen der Grazer FPÖ Politikerin keine Beachtung geschenkt werden sollten und dass es sich lediglich um den Versuch einer Partei handle, im Kampf um Stimmen, ihre „Bruderpartei“ das BZÖ am rechten Rand zu überholen. Vor dem Hintergrund des dänischen Karikaturenstreits muss man den Worten Susanne Winters jedoch besondere Beachtung schenken und mögliche Konsequenzen aufzeigen.

 

Zur Erinnerung: vor mittlerweile zwei Jahren erschienen in einer dänischen Tageszeitung Karikaturen, die den Propheten Mohammed als Terroristen darstellten. Die Reaktion auf die Karikaturen, vor allem nachdem sie in diversen arabischen Zeitungen thematisiert wurden, reichten von wütenden Protesten und Inbrandsetzungen mehrerer nordischer Botschaften im Nahen Osten bis hin zu einem glücklicherweise vereitelten Terroranschlag in Dänemark wenige Wochen später. Der vor kurzem an der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie zu einem Vortrag eingeladene dänische Botschafter in Österreich S.E. Hugo Østergaard-Andersen bezeichnete, von einer Studentin auf den Karikaturen-Streit angesprochen, diese Phase der dänischen Außenpolitik als größte außenpolitische Herausforderung seit dem Einmarsch Nazi-Deutschlands 1940 (!!!).

 

Auch wenn der Vergleich mit dem dänischen Karikaturenstreit in gewissen Punkten hinken mag (im dänischen Fall handelte es sich um Fragen von Grundfreiheiten westlicher Demokratien, während Winters Aussagen eher als Verhetzung und Angstmache bezeichnet werden müssen), mag dies in der Konsequenz, nämlich der Wahrnehmung durch islamische Kreise keinen großen Unterschied machen. Auch wenn im Verfassungsschutzbericht 2007 des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung die Bedrohung durch islamistisch motivierten Extremismus und Terrorismus in Österreich noch als überschaubar eingestuft wird, ist eine zunehmende Radikalisierung der Szene nicht zu leugnen. Der wachsende Einfluss von Gruppen wie der Al-Qaida im Maghreb auf Europa ist ein auch in der Forschung immer stärker wahrnehmbares Phänomen und der Eindruck, dass Europa verstärkter ins Auge von terroristischen Zellen rückt ist unbestreitbar. Diesen Umstand unterstreichen auch Drohvideos, in denen die Regierung Österreichs im Laufe des Jahres 2007 mehrmals aufgefordert wurde, Bundesheer-Offiziere aus Afghanistan zurückzuziehen und inhaftierte Mitglieder der „Globalen Islamischen Medienfront“ freizulassen.

 

Das generelle Risiko von terroristischen Anschlägen in Europa ist im Steigen - ein Faktum, das auch kürzlich auf der von der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie organisierten Konferenz „Europe and Transnational Terrorism“ von zahlreichen Experten wiederholt betont wurde und ein Grund, warum  das Institut für Politikwissenschaft auch verstärkt den transnationalen Terrorismus als sicherheitspolitische Herausforderung in den Mittelpunkt der Forschung im Bereich Internationale Politik stellt.

 

Aussagen wie jene von Susanne Winter, vor allem aber auch das ständige Islam-Bashing von Vertretern des BZÖ und vereinzelten Vertretern anderer Parteien könnten dazu führen, ein noch relativ begrenzbares Risiko und eine gut einschätzbare Bedrohungslage eskalieren zu lassen. Die Erzeugung einer Atmosphäre von Ablehnung und Missachtung durch Politiker unterschiedlicher Couleurs führt mittel- und längerfristig unweigerlich zu einem Gefühl von Minderwertigkeit und Ausgegrenzt sein, das sich in Radikalisierung der islamistischen Szene äußern kann. Es ist daher die Aufgabe der österreichischen Politik sowie der Medien, die Entstehung einer solchen Atmosphäre zu verhindern bzw. sie zu dekonstruieren. Es muss gelingen, Aussagen wie jene der FPÖ-Politikerin auf breiter Front als das hinzustellen was es ist, nämlich Schwachsinn und die Eskalation solcher Ereignisse damit zu unterbinden.