Gastkommentar: Mag.a Alexandra Weiss: Kindergeld neu: Familien- und Geschlechterpolitik

Mag. Alexandra Weiss, Politikwissenschafterin und Mitarbeiterin im Büro für Gleichstellung und Gender Studies, Geschäftsbereich Gender Studies zum "Kindergeld Neu".
Mag.a Alexandra Weiss
Mag.a Alexandra Weiss

Mit 1. Jänner 2008 ist eine neue Regelung des Kindergeldes in Kraft getreten. Die drei verschiedenen Bezugsmodelle sollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtern. Hintergrund für das neue Modell ist nicht zuletzt, dass das 2002 eingeführte Kindergeld negative Effekte auf die Berufstätigkeit von Frauen hat: Wiedereinstiegsprozesse sind schwieriger geworden, der Zeitpunkt des Wiedereinstiegs hat sich nach hinten verschoben. Besonders problematisch war hier die Differenz zwischen dem Kündigungsschutz, der bis zum zweiten Geburtstag des Kindes gewährt wird, und der Bezugsdauer des Kindergeldes. Diese betrug für einen Elternteil 30 Monate, die in der Regel von der Mutter in Anspruch genommen werden. Die neue Regelung ermöglicht es, den Bezug des Kindergeldes mehr an individuelle Bedürfnisse anzupassen. Gerade Alleinerziehende profitieren davon, auch wenn sie das Kindergeld nicht so lange beziehen können wie Paare. Es gibt aber sicher nur wenige Alleinerziehende, die es sich leisten können 30 Monate mit einem Kindergeldbezug von 436 Euro im Monat zu Hause zu bleiben. Die Möglichkeit einer Verkürzung der Bezugsdauer auf 15 Monate mit 800 Euro oder auf 20 Monate mit 624 Euro stellt so sicher eine Verbesserung dar.

 

 

Bei aller positiven Veränderung und der Betonung der Wahlfreiheit und besseren Vereinbarkeit bleibt festzuhalten, dass wesentliche Elemente dazu fehlen, wie z.B. bedarfsgerechte Kinderbetreuungseinrichtungen. Gerade mal zehn Prozent der Tiroler Kindergärten bieten eine Mittagsbetreuug an und die Hälfte schließt zu Mittag. Die Berufstätigkeit von Müttern wird dadurch und durch die mangelnde Bereitschaft der Väter einen Teil der Betreuung ihrer Kinder zu übernehmen extrem erschwert, daran vermag auch ein flexibles Kindergeld wenig zu verändern. Bis heute übernehmen Männer gerade mal ein knappes Viertel der unbezahlten Arbeit. Auch wenn sich in den letzten Jahren manches zum Positiven verändert hat, so wird etwa im AK-Frauenbericht von 2006 festgestellt, dass sich die Tätigkeit der Väter vor allem aufs Spielen mit den Kindern konzentriert, während die unangenehmeren Tätigkeiten den Müttern überlassen werden.

 

 

Generell hat sich in Bezug auf die Väterkarenz wenig verändert: Lag die Quote der Väter unter den Karenzgeld-BezieherInnen 1995 bei einem knappen Prozent, so lag ihr Anteil zehn Jahre später und nach Einführung des Kindergeldes (durch das der Kreis der Anspruchsberechtigen erweitert wurde) bei etwas mehr als drei Prozent. Der Grund für den Anstieg, wird mehr in der Neuregelung des Zuverdienstes gesehen, als in einem verstärkten Engagement der Väter. So mag es auch nicht verwundern, dass sich kinderbetreuende Väter vor allem unter Selbstständigen und Bauern, gefolgt von Beamten, Studenten, Arbeitslosen und Notstandshilfebeziehern finden. Können die einen Einkommen und Arbeitszeit am ehesten eigenständig steuern, ist für die anderen das Kindergeld mitunter das einzige Einkommen. Wenn derartige Spielräume aber nicht bestehen, stellt sich meist sehr schnell wieder die traditionelle geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ein.

 

 

Hier muss natürlich auch angeführt werden, dass die Einkommensverluste für Familien in der Regel höher sind, wenn Männer zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben, denn die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede sind heute wieder größer als etwa Anfang/Mitte der 1990er Jahre. Die enormen Verdienstunterschiede ergeben sich aber nicht zuletzt aus den familienbedingten Erwerbsunterbrechungen der Frauen. Die andere – ebenso wesentliche – Seite ist aber die, dass sich Männer für diese Arbeiten nicht oder in sehr geringem Maße zuständig fühlen und nicht bereit sind, ihre Karriere zu gefährden.

 

 

 

Der Schluss daraus kann nur sein, dass das Leben von Frauen mit seinen spezifischen sozialen Risiken als Maßstab der (Sozial-)Politik genommen werden muss und bezahlte wie unbezahlte Arbeit zwischen den Geschlechtern gerecht verteilt werden muss. Denn eine Gesellschaft, die die Pflege alter Menschen oder auch die Erziehung und das Aufziehen von Kindern als Ausnahme und Sonderfall behandelt, kann keine (geschlechter-) demokratische Gesellschaft werden und sie wird unter den Bedingungen neoliberaler Politik ihre eigenen Grundlagen – die Reproduktion der Gattung und ein menschenwürdiges Leben – untergraben.