Gastkommentar: Prof. Sigmar Bortenschlager: 30 Jahre Pollenwarndienst Tirol

Am 23.10. hat das Institut für Botanik, LHStv. Dr. Elisabeth Zanon und die Landessantätsdirektion zur Festveranstaltung "30 Jahre Pollenwarndienst Tirol" eingeladen. Mehr als 60 Kolleginnen und Kollegen aus sieben Ländern nahmen an dieser "Geburtstagsfeier" teil.
Prof. Sigmar Bortenschlager
Prof. Sigmar Bortenschlager

Der Pollenwarndienst wurde 1977 durch MR Prof. Dr. Alexander Frank und LR Dr. Fritz Greiderer aus der Taufe gehoben. Die erste Pollenfalle wurde am Dach des Instituts für Botanik aufgestellt. Der Pollenwarndienst ist eine Service-Einrichtung des Landes Tirol und wird seit Beginn wissenschaftlich vom Institut für Botanik betreut. Er ist in das Nationale und Internationale Netzwerk voll integriert.

 

Derzeit wird der aktuelle Pollenflug mit Hilfe von sieben über Tirol verteilten Pollenfallen erhoben und Prognosen über den zu erwartenden Pollenflug werden gegeben. Danach können die Allergiker ihr Verhalten einrichten und entweder Medikamente nehmen oder Allergenkarenz üben. Die Allergenarmut von Orten in Tirol in höheren Lagen wurde durch mehr als 20 Jahre dauernde Untersuchungen belegt. Damit gehört Tirol was den Pollenflug anlangt, zu den bestuntersuchten Gebieten Europas. Mit Pollenrelevanztests wird die Diagnosetätigkeit der Ärzte unterstützt. Diese Daten und Prognosen werden über die Printmedien und das Radio verbreitet, oder sind unter http://botany.uibk.ac.at abrufbar.

 

Im ersten Teil der Tagung  berichteten Vertreter aus der Schweiz, Italien, Russland und Österreich über neueste Ergebnisse, wobei das Referat von E. Severova aus Moskau besondere Beachtung fand. Sie berichtete über  die Bildung von abnormen Pinus (Föhren)-Pollenkörnern, die in der Umgebung von Kernkraftwerken gesammelt wurden.  In der Umgebung von Tschernobil sind bis zu 100 %  der Pollen abnorm und nicht mehr in der Lage den Pollenschlauch zur Befruchtung auszubilden, was bedeutet dass eine Samenbildung und damit eine Vermehrung nicht mehr stattfinden kann.

 

Mindestens die gleiche Beachtung aber fand das  von den Innsbruckern  vorgestellte "Feinstaubprojekt", eine Kooperation zwischen Informatik und Botanik. Es werden dabei die Feinstaubteilchen nicht gravimetrisch erfasst  sondern einzeln. Sie können in Größenfraktionen unterteilt und auch nach Qualität - Ruß/mineralischer Staub - unterschieden werden. Hier steht  ein Archiv über die letzten 30 Jahre zur Verfügung. In einem ersten Probelauf konnte gezeigt werden, dass 1981 die Belastung  gering war, 1991 war sie wesentlich höher  um dann abzusinken und gegen 2001 wieder anzusteigen, der Wert von 1991  ist aber noch nicht erreicht. War 1981 die Fraktion PM 1 vor allem im Winter vorhanden,  hat sich 2001 diese Fraktion in den Sommer hin verschoben und auch noch eine wesentliche Steigerung erfahren.  Allgemein wurde die Meinung vertreten, dass diese Methode zur Routinemethode ausgebaut werden soll, damit die vorliegenden Archive über die Feinstaubbelastung in der Vergangenheit genutzt werden können.

 

Ein zweiter Schwerpunkt war die Allergiebelastung durch Neophyten. Nach der Vorstellung des neuen Neophyten-Kompetenzzentrums am Institut für Botanik, das in Zusammenarbeit  mit dem Amt der Tiroler Landesregierung Abteilung Umwelt aufgebaut wird,  berichteten Vertreter aus der Schweiz, Deutschland, Frankreich, Ungarn und Niederösterreich über die Probleme die vor allem durch Ragweed gleich Traubenkraut  (Ambrosia artemisifolia) verursacht werden. Im Gesundheitswesen belaufen sich die Behandlungskosten für durch Ragweed verursachte Beschwerden bereits auf 32 Mill. € und für Bekämpfungsmaßnahmen werden jährlich 12 Mill. € ausgegeben. In Ungarn, dem meistbetroffenen Land in Europa,  wird das  Nichtausrotten von Ragweed auf dem eigenen Grund mit empfindlichen Strafen geahndet. Bereits 25 % der ungarischen Bevölkerung ist  auf Ragweed sensibilisiert und damit allergieanfällig, berichtete die Kollegin aus Ungarn.  Nicht ganz so dramatisch sind die Verhältnisse in den östlichen Bundesländern, von Niederösterreich bis Kärnten aber auch hier hat man mit der systematischen Bekämpfung begonnen. Tirol ist  in diesem Reigen noch ein Land der Seligen, dzt. kommen nur Einzelpflanzen bzw. kleine Populationen vor, die systematisch ausgerottet werden, um  in Zukunft Kosten zu sparen und Allergiker zu schützen.

Abgerundet wurde das Programm durch Vorträge  von Nutzern des Pollenwarndienstes - von Dr. Reider von der Allergieambulanz der MUI und Dr. Kofler vom Allergieambulatorium in Hall.