Gastkommentar: o.Univ.-Prof. Mag. DDr. Martin Burtscher: Doping im Spitzensport - ein Spiegel unserer Gesellschaft

Prof. Martin Burtscher vom Insitut für Sportwissenschaften der Universität Innsbruck beschäftigt sich im vorliegenden Gastkommentar mit dem Thema Doping.
o.Univ.-Prof. Mag. DDr. Martin Burtscher
o.Univ.-Prof. Mag. DDr. Martin Burtscher

Das Streben des Menschen nach Wettbewerbsvorteilen gegenüber seinen KontrahentInnen, ob moralisch vertretbar oder nicht, ist so alt wie die Menschheit selbst. So ist auch die Geschichte des Dopings untrennbar mit der Geschichte des Sports verbunden.

 

Allerdings haben in den letzten Jahrzehnten biochemische und molekularbiologische Forschung Substanzen und Methoden entwickelt, deren Wirksamkeit sich von reinen Placeboeffekten weit abhebt. Dennoch vermögen sie nicht, aus einem Maultier ein Rennpferd zu machen und können Talent und jahrelanges hartes Training nicht ersetzen, schaffen aber bei sonst vergleichbaren Voraussetzungen einen unbestreitbaren Wettbewerbsvorteil. Abgesehen davon besitzen sie das Potenzial einer nachhaltigen gesundheitlichen Schädigung der AthletInnen.

 

Um dem Sport den Mantel der Fairness umzuhängen und die SportlerInnen vor Gesundheitsschäden zu bewahren, wurde ein Katalog unerlaubter Substanzen und Methoden geschaffen. Die Einhaltung dieses Reglements wird mit immensen finanziellen und organisatorischen Aufwendungen versucht zu kontrollieren. Mit welchem Erfolg? Angesichts der aktuellen Enthüllungen und späten Geständnisse muss der Eindruck entstehen, dass Doping sich allmählich trotz aller Bekämpfungsbemühungen zu einem unlösbaren Problem entwickelt, das den Spitzensport umzubringen droht. Solange die gesellschaftliche Verherrlichung und die horrenden Dotierungen sportlicher Spitzenleistung vorangetrieben werden, wird auch die Dopingbereitschaft gefördert.

 

Der hehre olympische Gedanke und Fairplay sind derzeit im Spitzensport nur mehr oberflächlich und nur von blauäugigen BeobachterInnen wahrzunehmen. Spitzensport ist aber nicht mehr und nicht weniger als ein Spiegel unserer Gesellschaft. Daraus muss zwingend resultieren, dass nur ein Umdenken in der Gesellschaft oder die Abschaffung derzeitiger spitzensportlicher Auswüchse das Dopingproblem zu lösen vermögen. Allerdings hat sich der Spitzensport längst zu einem so bedeutenden Wirtschaftsfaktor entwickelt, dass wir uns an die Dopingskandale, sofern wir das nicht ohnehin schon getan haben, entweder gewöhnen oder in Geduld den Wandel der Gesellschaft erwarten müssen. Dieser Wandel hängt nicht allein von PolitikerInnen, Wirtschaftskonzernen, Sportverbänden oder AthletInnen ab, sondern wird von uns Allen aktiv beeinflusst und mitgetragen.