Gastkommentar: Mag. Linda Götzendorfer, Behindertenbeauftrage der LFU Innsbruck

Seitenblicke einmal anders oder der Mut zur Lücke!
Mag. Linda Götzendorfer
Mag. Linda Götzendorfer

Am 20.01.06 fand zum 4. Mal in den Stadtsälen der integrative Ball  „Ungehindert Behindert“ statt. Vorbildlich wurden alle Voraussetzungen für diesen Ballspaß geschaffen. Für Rollstuhlfahrer wurden Barrieren beseitigt, Blindenleitlinien wiesen den Weg zum Ballsaal, gehörlose Musiker beeindruckten mit einer rhythmischen Trommeldarbietung. Diese musikalische Eröffnung gab den Startschuss für turbulentes Balltreiben. Und alle waren sie da: Die Menschen, um die es ging vermischten sich mit Studenten und Tanzlustigen, die am Beispiel der früheren Jahre von der ungezwungenen Atmosphäre angezogen wurden.

 

Barrierefreier Stadtsaal

Wer war da, und wer glänzte durch Abwesenheit? Nomen est Omen, 500 Ballbesucher mit und ohne Behinderung konnten dieses außergewöhnliche Ballgeschehen genießen. Was ist daran so Besonderes? Dürfen nicht Menschen mit Behinderung ungehindert kulturelle Veranstaltungen besuchen? Ja und Nein, diesen Ball einmal im Jahr, Ende Jänner schon, danach wurden die Blindenleitlinien für andere Bälle und Veranstaltungen im Stadtsaal abmontiert. (Für alle, die nicht wissen, um was es sich bei diesen „Blindenleitlinien“ handelt: am Boden aufgeklebte Papierstreifen) Dieses Fehlen der Nachhaltigkeit behindertengerechter Maßnahmen war an diesem Abend kein Problem.

 

Barrieren im Kopf

Im Mittelpunkt stand die Freude der Menschen mit mentaler Behinderung und der Stolz ihrer Angehörigen. Ungehindert behindert! Für Menschen mit mentaler Behinderung gibt es Barrieren im Kopf. Nicht bei den Ballbesuchern des Tafieballs „Ungehindert Behindert“ sondern bei dem Rest der Menschen ohne Behinderung.

 

Freude an der Bewegung

Beeindruckend war es, die Freude der Betroffenen an der Bewegung zu beobachten, vor allem die Freude hier nicht ausgeschlossen zu sein! Das ausgelassene Tanzen von Tanztherapeuten -  ok, die sind vom Fach – mischte sich mit Walzerdrehungen von Müttern und ihren Söhnen und jugendlichem Tanzen der Studenten und allen anderen, die sich am Parkett drängten. Ein Mensch mit mentaler Behinderung weiß genau, dass er nicht so “normal“ ist wie der Rest der Welt und spürt es, dass er an den Rand gedrängt oder „weggesperrt“ wird. Nicht so bei diesem  Ball! Schön zu sehen war es, wie die Freude dieser Menschen ansteckend auf die anderen Ballbesucher war.

 

Bildung macht frei

Viele kamen wegen der ungezwungenen Atmosphäre zu dieser Veranstaltung. Vor allem Angehörige der Universität, Studenten  und Absolventen der LFU waren zahlreich vertreten - denn Bildung macht „barriere-frei“! Jeder intelligente Mensch weiß, er muss sich vor Menschen mit Behinderung nicht fürchten. Bei der Angst, die gesellschaftlich weit verbreitet ist, spielt sich die Barriere im Kopf ab.

 

Brot und Spiele

Panem et circenses, Brot und Spiele gab es ausreichend beim Ball „Ungehindert Behindert“. Für die Musik sorgte die ehemalige Studentenband „Make up“ und der blinde Starpianist Georg Nussbaumer. Für zwischenzeitliches Amusement sorgte das beliebte Fischerspiel. Memento mori, gedenke des Todes und der Gebrechlichkeit. Vielleicht sind diese lateinische Sätze nicht jedem geläufig. Man muss nicht studiert haben, denn der Spaß stand an diesem Tag im Vordergrund! Theologen tanzten mit Wirtschaftern, Geistes- und Naturwissenschafter gaben sich die Hand. Hier zeigt sich Innsbruck, die Universitätsstadt!

 

Öffentlichkeitsarbeit einmal anders

Behinderung muss sich nicht verstecken! Die Wichtigen waren anwesend, Betroffene wie Nicht-Betroffene, darunter waren Mag.Doris Fischlechner, Absolventin der LFU, Paul Steixner, Vorsitzender des Gehörlosenverbandes, Mag. Christine Riegler, Repräsentantin der Selbstbestimmt Leben Initiative und alle Organisatoren des Ballspaßes vom Verein Tafie. Alle Menschen, die Spaß an ihrem Beruf und die die gesellschaftliche Brisanz dieses Balls erkannt haben, waren da.

Alle waren sie da, durch die Bank: Die Politiker, SPÖ, ÖVP, FI und die Grünen. Allen voran Walter  Peer, Stadtrat mit jugendlichem Charme, Eugen Sprenger Behindertenreferent der Stadt Innsbruck, Herlinde Keuschnig, Vertreterin der Bürgermeisterin und Nationalrätin Grander. Die Liebe ist heutzutage auch eine politische Verpflichtung, die Parteien haben es erkannt. Erhobener Zeigefinger für die Kirche, die keinen offiziellen Vertreter entsandt hat. Im Verborgenen wirkend war sie mit einer signifikanten Anzahl von freiwilligen Mitarbeitern der Caritas vertreten. Nicht zu vergessen alle anderen engagierten und tanzlustigen Mitarbeiter des Roten Kreuzes und anderer Organisationen. Repräsentanten der Medizin wurden nicht beobachtet. Vielleicht liegt es daran, dass die Medizinische Universität nach 4 Jahren noch immer keinen Behindertenbeauftragten für Studierende mit Behinderung hat. Bildung darf nicht im Verborgenen wirken. Deshalb Transparenz, zeigt euch  ungehindert behindert und überhaupt! Jeder, der von diesem gesellschaftlichen Höhepunkt nichts gewusst hat - obwohl er heuer zum wiederholten Male statt gefunden hat – ist selber schuld und hat sich um eine beeindruckende persönliche Erfahrung gebracht.

 

Ball der Superlative

Fesch, fesch waren wir alle! In der Ballkluft, im kleinen Schwarzen und im Anzug. Die, die da waren, haben gewusst und erlebt, es war „a Hetz“! Vor allem „cool“, „ungehindert behindert“, „regellos ungeregelt“ gut! Bis in die frühen Morgenstunden ging das bunte Balltreiben -  und jeder, der einmal dabei war – kommt nächstes Jahr wieder!