Gastkommentar: Ao.Univ.-Prof. Peter Hilpold

Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich: eine Herausforderung auch für die Universität Innsbruck
Ao.Univ.-Prof. Peter Hilpold
Ao.Univ.-Prof. Peter Hilpold

Das von der EU-Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich aufgrund der im Herbst 2005 eingeführten Quotenregelung für den Universitätszugang stellt eine ernste Herausforderung für das österreichische Bildungssystem im Allgemeinen und auch für die Universität Innsbruck im Speziellen dar.

 

Zug um Zug werden nun Prognosen Realität, die punktgenau in der Literatur getätigt worden sind. Dass die Kommission die Quotenregelung nicht akzeptieren kann, war von vornherein klar (siehe dazu Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 11/2006). Die gemeinschaftsrechtlichen Konzepte der Unionsbürgerschaft, des Diskriminierungsverbots und der mitgliedstaatlichen Solidarität drohen das österreichische Universitätssystem, so wie es vor der EU-Mitgliedschaft konzipiert worden ist und wie es sich für die kleinräumigen Bedürfnisse Österreichs im großen und ganzen auch bewährt hat, aus den Angeln zu heben.

 

Die EU arbeitet an einem europäischen Bildungsraum und bringt für nationale Sonderwege nur wenig Verständnis auf. Dies gilt umso mehr, wenn zum Zwecke der Abgrenzung ein Instrument, die Quote, zur Anwendung kommt, das aus EU-rechtlicher Sicht geradezu Anathema ist. Hoffnungen, dass der EuGH den ausufernden Forderungen nach mitgliedstaatlicher Solidarität (im vorliegenden Fall ist im Wesentlichen jene Österreichs gegenüber den Ausbildungsbedürfnissen bundesdeutscher Studierender gemeint) Grenzen setzt, sind legitim. Wenn man sich die bisherige EuGH-Rechtsprechung in diesem Bereich vor Augen hält, sollte man sich aber nicht zu sehr darauf verlassen. Die Politik hat sich in dieser Frage lange zurückgehalten und das Feld der Rechtsprechung überlassen, was die zur Verfügung stehenden Optionen immer enger erscheinen hat lassen.

 

Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für die Innsbrucker Universitäten? Es ist offensichtlich, dass eine Verurteilung Österreichs in einem allenfalls eingeleiteten EuGH-Verfahren das Zulassungsverfahren in den vom Quotensystem erfassten Fächern dramatisch umgestalten und die akademischen Ausbildungsmöglichkeiten der Jugend im gesamten regionalen Einzugsgebiet der beiden Innsbrucker Universitäten nachhaltig beeinträchtigen würde. Dies zu verhindern, ist nun in erster Linie Aufgabe der Politik, die unter den Mitgliedstaaten ein Einvernehmen herzustellen hat, das den Belangen der kleineren Staaten mit großzügigem Bildungsangebot Rechnung trägt. Gefordert ist in einem weiteren Sinne aber auch die Wissenschaft, und die Universität Innsbruck kann und wird ihren Beitrag hierzu leisten. Einmal rechtsberatend und analysierend bei der Suche nach rechtlichen Lösungen im gegenwärtig laufenden Verfahren. Zum anderen aber, in grundlegender Form, bei der Suche nach den Wurzeln dieser Problematik, die auch und gerade in einer EuGH-Rechtsprechung zu sehen ist, die über den großen Zielen der europäischen Integration die legitimen nationalen Interessen zu leicht aus den Augen verliert und die dabei nicht nur die traditionellen Grenzen zwischen Rechtsprechung und Rechtsetzung immer mehr zu verwischen droht, sondern letztlich den europäischen Verfassungskompromiss in Frage stellen könnte. Dieser Frage ist ein kürzlich gestartetes Forschungsprojekt an der LFU Innsbruck gewidmet, das von den Professoren Günter Roth und Peter Hilpold geleitet wird und an welchem zahlreiche Wissenschaftler der juristischen Fakultät dieser Universität mitwirken (Reinhold Beiser, Manfred Büchele, Peter Bußjäger, Johann Egger, Bernhard Koch und Karl Weber).