Gastkommentar: Reinhold Gärtner zu David Irving und dem Verbotsgesetz

Nun also wurde David Irving verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, spricht aber bereits jetzt eine deutliche Sprache. Drei Jahre Haft für die Leugnung des Holocaust.
Prof. Reinhold Gärtner
Prof. Reinhold Gärtner

Im Vorfeld des Prozesses – vor allem seit der Verhaftung Irvings im November vergangenen Jahres – war wiederholt über das Verbotsgesetz diskutiert worden; ob dieses noch zeitgemäß sei, ob es wirklich seinen Zweck erfülle oder ob es nicht lieber gestrichen werden solle. Häufig wurde auch damit argumentiert, dass das Verbotsgesetz mit Meinungsfreiheit nicht vereinbar sei.

 

Dazu ist mehrerlei anzumerken:

Zunächst zur Meinungsfreiheit. Es geht bei Irving nicht darum, ob jemand seine Meinung frei äußern darf oder nicht, sondern in erster Linie um die Leugnung eines Verbrechens, um die Leugnung des Holocaust. Es ist keine Meinung, den Holocaust zu leugnen – es ist und bleibt ein Leugnen historischer Tatsachen. Man kann über vieles unterschiedlicher Meinung sein – nicht aber darüber, ob es den Holocaust als historisches Verbrechen gegeben hat oder nicht.

 

Würde jemand behaupten, das Pol Pot Regime hätte keine Verbrechen begangen, so wäre dies ebenso keine Meinung, sondern schlicht eine Lüge. Allerdings würde diese Person gegen keine österreichischen Gesetze verstoßen – und das auf Grund historisch erklärbarer Ursachen: Österreich war nicht Teil der Vernichtungen unter Pol Pot, Österreich war aber sehr wohl – als „Ostmark“ – Teil der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik.

 

Meinungsfreiheit ist also nicht das Thema, wenn es um das Verbotsgesetz geht. Es ist vielmehr umgekehrt zu sehen: Meinungsfreiheit ist nur dann umfassend möglich, wenn verhindert wird, dass manche mit Berufung auf eben diese Meinungsfreiheit Ideologien vertreten, deren Ziel es unter anderem ist, die Meinungsfreiheit (und andere demokratische Freiheiten) abzuschaffen. Und genau das bringt uns zum Nationalsozialismus. Das Verbotsgesetz wurde ursprünglich geschaffen, um zu verhindern dass jemand – in den Jahren nach 1945 eine durchaus berechtigte Sorge – auf die Idee kommen könnte, den Nationalsozialismus oder Teile desselben wieder zu beleben. Und deshalb ist in Kenntnis der jüngeren österreichischen Geschichte durchaus verständlich, dass und wie es zum Verbotsgesetz kam.

 

Und ist das Verbotsgesetz noch zeitgemäß, ist es zu rechtfertigen, dass Personen deswegen verurteilt werden und gleichzeitig reihenweise mutmaßliche NS-Täter von österreichischen Gerichten frei gesprochen wurden? Dazu ist festzuhalten, dass das eine mit dem anderen nicht verwechselt werden darf, dass durch die Tatsache der (zu vielen) Freisprüche bzw. Verfahrenseinstellungen die Lügen der Irvings weder weniger problematisch noch wahrer werden.

 

Das Verbotsgesetz kommt zu Recht immer wieder zum Tragen – häufig auch bei Jugendlichen. Dort wird dann weniger die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieses Gesetzes gestellt. Sehr wohl aber wird die Sinnhaftigkeit des Verbotsgesetzes diskutiert, wenn es um bekanntere Personen geht. Gerade diese aber sind die Problemfälle. Wenn Gefahr von rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen ausgeht, dann umso mehr von den prominenten Stichwortgebern wie Irving oder Gudenus (auf dessen möglichen Prozess man mit Spannung warten kann).

 

Solange diese Prominenz mit der Vermutung, für sie gelten diese Gesetze nicht, meint, die Holocaustlüge verbreiten und die Existenz von Gaskammern in Abrede stellen zu können, ist das Verbotsgesetz nach wie vor notwendig. Und wenn es nur darum geht, Signale zu setzen.

 

PS: David Irving hat auch Beziehungen zu Innsbruck, indirekt auch zur Universität Innsbruck: Es war die akademische Burschenschaft Brixia, die Ende der 80er Jahre einen Vortrag mit David Irving in Innsbruck organisieren wollte (und damals ins benachbarte Mittenwald ausweichen musste)

 

Reinhold Gärtner ist Professor am Institut für Politikwissenschaft

der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.