Buchtipp: Mütterlicherseits

Ein Roman von Helene Flöss
Helene Flöss: Mütterlicherseits
Helene Flöss: Mütterlicherseits

Schon als Kind zieht Lilí verträumt die Erinnerungen mütterlicherseits wie einen geheimen Sack hinter sich her. Darin die Bruchstücke einer ihr nicht ganz geheuren Welt, der Schneiderstube ihrer Mutter, deren Überlebenswerkzeug die Nähmaschine ist. Helene Flöss macht einerseits aus der Perspektive eines Kindes, andererseits aus dem Blickwinkel alter, gebrechlicher Menschen sichtbar, was die Welt gern übersieht: das scheinbar Unscheinbare, das oft identisch ist mit dem Wesentlichen. In einem Ton, der vielfach überlieferte Redensarten aufnimmt, durchbricht sie keineswegs nur die Grenzlinien zwischen dem Deutschen und dem Italienischen; in bild(er)dichter Sprache enthüllt sie die Poesie der Erzählungen von Menschen, die noch etwas zu erzählen haben.

"Gern sieht sie sich mit Mutter durch den Schnee stapfen. Die Flocken fallen so unbestimmt als Gewirbel, als kennten sie sich nicht recht aus hier unten. Als hätten sie sich verfehlt und wären unvorsichtigerweise gedankenlos dem Himmel entlaufen und wüssten jetzt nicht, wo sie drauffallen sollen und möchten am liebsten wieder umkehren. Lilís Hand in Mutters Manteltasche. Wie in einem Nest. Hand in Hand können sie ja nicht gehen. Mutter schiebt die ihre unter die Gurten des Buckelgestells, unter das Leder, das tief in die Schultern schneidet. Auf Mutters genopptem Mantel glitzernde Tropfen. Auf jeder Noppe einer. Unzählige. Mit dem Wechsel des Aluminiumköfferchens wechselt Lilí die Hand in Mutters Manteltasche. Dabei läuft sie hinter ihrem Rücken auf die linke oder die rechte Seite. Wirbelt große Wolken Schnees auf. Mutter lässt für einen Augenblick den Gurt ihrer Trage aus. Hilft Lilís Hand in den weichen, warmen Schlitz.

Die Augen voll Eishimmel. Vor dem gleißenden Spiegeln die Augen zusammenkneifen.Und dann mit Mutter ans Meer. Den Strand entlang gehen. Das Wasser ist schwarz, wirft Säume und Falten aus Seide. Lilí wartet auf die Wellen, die ans Ufer schmeicheln. Sie tragen ab und zu ein Wort davon."

 

Die aus Südtirol stammende und in Großhöflein lebende Schriftstellerin kehrt mit "Mütterlicherseits" zu ihren Wurzeln zurück und arbeitet auf sehr persönliche und berührende Weise die Beziehung zur eigenen Mutter auf.
ORF Burgenland, Treffpunkt Kultur

 

Flöss ist es gelungen, Inhalt und Form perfekt aufeinander abzustimmen: Helene Flöss’ neuester Roman "Mütterlicherseits" ist ein lesenswertes Buch, das durch die gewählte Thematik, die sorgsam ausgeführten Motive und den durchdachten Aufbau, die erzählerische und sprachliche Qualität besticht.
Ruth Esterhammer, Literaturhaus am Inn

 

"Alles aufbewahren. Alles festhalten. Den Tag festhalten. Jede Kleinigkeit darin, damit Lili weiß, dass sie ist." Daraus entsteht über eine unüberschaubare Menge an Feinheiten etwas kompakt Großes: Das ganze Leben!
Helmuth Schönauer, Tiroler Gegenwartsliteratur

 

Die Autorin beherrscht die Kunst der Kleinigkeiten, daraus webt sie ein dichtes Lebensgeflecht.
Georg Mair, ff Südtiroler Wochenmagazin

 

Die Stärken des Flöss’schen Erzählens liegen in der Darstellung der Netzwerke, im feinen Geflecht an Beziehungen und Personen, dessen ständige Ausweitung den Text konstituiert. Von Figur zu Figur konstituiert sich „Mütterlicherseits“ als ein Kosmos von Familienmustern, der sich auf engem geografischen Raum ständig selbst aktiviert.
Hans Heiss, Der Brixner

 

Mütterlicherseits
Roman
Helene Flöss
ISBN 978-3-902719-39-3
288 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
edition laurin bei innsbruck university press • iup
Preis: 19,90 Euro

 

Weitere Informationen sowie die neue Herbstvorschau der edition laurin finden Sie unter: http://www.editionlaurin.at/