Josef Berghold: "Ferne Nachbarn"

Am 2. April präsentierte der Innsbrucker Gastprofessor Josef Berghold vom Institut für Erziehungswissenschaften im Historischen Museum in Trento sein kürzlich erschienenes italienischsprachiges Werk "Vicini lontani", das im wissenschaftlichen Verlagsprogramm des Historischen Museums veröffentlicht wurde.

"Vicini lontani", zu deutsch "Ferne Nachbarn" untersucht die Beziehungen zwischen Italien und Österreich vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Jahrtausendwende.Die italienisch-österreichischen Beziehungen standen in den ersten Nachkriegsjahrzehnten unter keinen guten Vorzeichen. Sie waren sowohl durch die lange Vorgeschichte einer "Erbfeindschaft" als auch durch die Nachwirkungen der gerade zusammengebrochenen totalitären Regime mit massiven Konflikten belastet. Lange Zeit hindurch spielte dabei auch der Südtiroler Spannungsherd eine wesentliche Rolle, der sich mehrmals knapp am Rande des Abdriftens in einen Sog der Gewalt vorbeibewegte. Im ersten Teil seines Buches beschreibt Josef Berghold vor allem die spannungsgeladenen Beziehungen rund um den Südtirolkonflikt in den Jahren 1945 bis 1959. Im zweiten Teil schildert Berghold zentrale Themen und Motive des historisch-kulturellen Hintergrundes, wie etwa die gegensätzlichen Stereotypen von den "machiavellischen Italienern" und den "rückständigen Älplern", sowie die Nachwirkungen des unzureichend aufgearbeiteten Erbes des Faschismus und Nationalsozialismus. Berghold beschreibt ebenso den langwierigen Prozess, der zum Beschluss des Südtiroler Autonomiepakets 1969 führte, und gibt schließlich im letzten Teil einen Überblick über die Jahrzehnte einer zunehmenden Öffnung und Entspannung ab den 1970er Jahren.

Gerade in Anbetracht der überaus schwierigen Ausgangslage nach 1945 verdient die sehr komplizierte, aber auch aufschlussreiche Geschichte ein umso größeres Interesse, in deren Verlauf schließlich ein Kompromiss erzielt wurde, der die Grundlage für ein nachhaltiges Zusammenleben der Südtiroler Volksgruppen schuf. Parallel dazu ist auch die allgemeinere Entwicklung zwischen beiden Ländern nicht ohne exemplarischen Wert, durch die sich eine der schärfsten nationalistischen Gegensätze Europas nicht nur zu einer einigermaßen entspannten Nachbarschaft gewandelt hat, sondern auch zu einer beachtlichen kulturellen Öffnung und Wertschätzung füreinander geführt hat.

Geladene Gäste bei der Präsentation am 2. April waren unter anderem Prof. Günther Pallaver vom Institut für Politikwissenschaften der Universität Innsbruck, Prof. Gustavo Corni, Zeithistoriker und Direktor des Departments für Geistes- und Sozialwissenschaften von der Universität Trento und Prof. Giuseppe Ferrandi, der Direktor des Museo storico in Trento. Ein weiterer prominenter Teilnehmer an der Diskussion war auch der langjährige Direktor des Museo storico Prof. Vincenzo Calì.

Der Autor
Der 1953 in Graz geborene Sozialpsychologe Josef Berghold studierte an den Universitäten Salzburg und Toulouse-Le Mirail. Seine Lehraufträge führten den Wissenschaftler an die New School for Social Research in New York sowie an die Universitäten Klagenfurt, Wien, Ferrara, Mailand, FU Berlin und Amiens in Nordfrankreich. Derzeit ist Josef Berghold Gastprofessor am Institut für Erziehungswissenschaften an der Universität Innsbruck. Außer den in diesem Buch behandelten Themenkreisen befasst sich Berghold in seinen Forschungsarbeiten und Publikationen auch mit den Herausforderungen der globalen Gesellschaft, mit den psychologischen Grundlagen der Solidarität und des „Faustrechts der Stärkeren“, mit den Wurzeln von Vorurteilen und Feindbildern, Extremismus und Fremdenfeindlichkeit, sowie mit Themen im Bereich der Friedensforschung und interkultureller Beziehungen