Gefälschte Arzneimittel: Patienten unterschätzen Risiken

10 bis 30 Prozent der verkauften Arzneimittel in Asien, Afrika und Lateinamerika sind nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO gefälscht. Während der gemeinsamen Tagung der Österreichischen und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft in Innsbruck diskutierten Experten unter anderem die Auswirkungen dieser Entwicklung.
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Im Rahmen einer Pressekonferenz informierten die Expertinnen und Experten über Arzneimittel-Fälschungen.

Aus Kostengründen werden heute etwa 80 Prozent aller Arzneistoffe in China und Indien produziert. In Asien hergestellt, in Ungarn oder Rumänien verpackt, in Malta kontrolliert, zum Schluss nach Deutschland transportiert: Solche „Reiserouten“ sind für Arzneimittel längst keine Ausnahme mehr. Wie viele Arzneimittel genau entweder vollständig oder in Teilen im Ausland hergestellt werden, lässt sich nur schätzen, denn pharmazeutische Unternehmen sind nicht dazu verpflichtet, die Ursprungsländer und Produktionswege ihrer Medikamente anzugeben. Zwar müssen die Hersteller im Ausland die gleichen Qualitätsanforderungen erfüllen wie die hier ansässigen Unternehmen, doch wird es im Zeitalter der Globalisierung zunehmend schwieriger, die Hersteller im Ausland wirksam zu kontrollieren.

Nach Angaben des Bundeskriminalamts werden an den deutschen und europäischen Grenzen immer öfter gefälschte Arzneimittel sichergestellt. „Im illegalen Internethandel ist jedes zweite Präparat gefälscht“, sagte Prof. Manfred Schubert-Zsilavecz, Präsident der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft e.V. (DPhG) und Leiter des Zentrallabors Deutscher Apotheker (ZL). „Gefälschte Arzneimittel stellen ein hohes Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung dar“, warnt Schubert-Zsilavecz, denn Studien seines Labors haben gezeigt, wie gefährlich es sein kann, rezeptpflichtige Medikamente über das Internet zu bestellen. Lifestyle-Medikamente gegen Impotenz oder Haarausfall stehen ganz oben auf der Liste der am häufigsten gefälschten Medikamente. Doch längst betreffen Arzneimittelfälschungen auch „gewöhnliche“ Wirkstoffgruppen, z.B. Antibiotika, Schmerzmittel oder Verhütungsmittel wie die „Pille“.

Können sich Patienten vor Arzneimittelfälschungen schützen? Wer auf Nummer sicher gehen will, kauft Arzneimittel in der Apotheke vor Ort, denn in der „legalen“ Vertriebskette kommen Arzneimittelfälschungen so gut wie nicht vor. In Deutschland sind zwischen 1996 und 2008 nur vierzig Fälle von Fälschungen im „legalen“ Vertrieb aufgetreten, in Österreich bisher keine einzige. Dagegen wurden im letzten Jahr allein an den Außengrenzen der EU 3,2 Millionen gefälschter Arzneimittelpackungen sichergestellt. Um den legalen Vertriebsweg auch künftig vor Fälschungen zu schützen, hat die EU im Juli 2011 eine Richtlinie zur Bekämpfung von Arzneimittelfälschungen veröffentlicht. Künftig sollen Arzneimittel Sicherheitsmerkmale tragen, zum Beispiel 2D-Barcodes, mit denen der Apotheker bei der Abgabe prüfen kann, ob die Arzneimittelpackung aus legalen Quellen stammt.

Die gemeinsame Tagung der Österreichischen und Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft fand von 20. bis 23. September an der Universität Innsbruck statt und wurde vom Institut für Pharmazie unter der Leitung von Prof. Hermann Stuppner organisiert.