Handkommentar zur Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen präsentiert

Am 19. Juli 2011 fand im Hamburger Rathaus in Anwesenheit hoher politischer und wissenschaftlicher Prominenz die Vorstellung des neuen „Handkommentars zur Europäischen Charta der Regional– oder Minderheitensprachen“ statt. An diesem Kommentar haben gleich zwei Wissenschaftler der Universität Innsbruck, Prof. Peter Hilpold und Mag. Klaus Rier, mitgewirkt.
Hilpold Hamburg 2011
Peter Hilpold - im Bild ganz rechts - wirkte am „Handkommentars zur Europäischen Charta der Regional – oder Minderheitensprachen“ mit. (Foto: Christiane Ehlers)

Dieses Werk, das von einem Expertenteam aus Deutschland, Österreich und der Schweiz erstellt worden ist, ist der erste deutschsprachige Kommentar zu diesem Abkommen und der zweite international. Diese Charta, die sowohl von Deutschland als auch von Österreich ratifiziert worden ist, verfolgt einen innovativen Ansatz, indem sie nicht die Minderheit, sondern ihre Sprache in den Vordergrund stellt. Sie vermeidet damit eine allzu starke Politisierung eines Schutzanliegens, das gerade in Europa besonders ausgeprägt ist, sei es, weil nationale Grenzen Sprachgrenzen durchtrennen, sei es, weil im Zeitalter der Globalisierung die sprachliche Vielfalt in Europa immer stärker bedroht wird. Wie die Kommentatoren zum Ausdruck gebracht haben, ist dieses Instrument auch in der Form diplomatisch-zurückhaltend formuliert, da es den Vertragsstaaten die Möglichkeit einräumt, zwischen verschiedenen Verpflichtungen auszuwählen. Dieser „à la carte“-Ansatz ist gleichzeitig ein sehr wirksamer, da die Einhaltung der übernommenen Verpflichtungen durch die Vertragsorgane sehr genau überprüft wird.

Im vollbesetzten Rathaussaal der Stadt Hamburg haben die politischen Vertreter der Hamburger Stadtregierung und des deutschen Innenministeriums unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Förderung der sprachlichen Vielfalt ein wichtiges Anliegen in Deutschland bleibt.
Besonderer Dank wurde dem Sprecher des Bundesrates für Niederdeutsch, Dr. Reinhard Goltz, entgegengebracht, der von Prof. Stefan Oeter als „spiritus rector“ dieses ganzen Projektes bezeichnet wurde. Prof. Peter Hilpold von der Universität Innsbruck hat die Aufgabe übertragen erhalten, die österreichische Perspektive in Bezug auf die Charta darzulegen. Prof. Hilpold hat dabei grundsätzlich festgehalten, dass eine nationale Betrachtungsweise stets Grenzen aufweist: Minderheitenschutz ist ein internationales Anliegen und kann auf Dauer nur dann wirksam sein, wenn diese internationalrechtliche Grundlage nicht aus den Augen verloren wird. Darüberhinaus mahnte er an, Minderheitenschutzverpflichtungen nicht als Belastung, als Einschränkung der nationalen Souveränität zu sehen. Die Vertragsstaaten sollten vielmehr in einen positiven Wettbewerb treten und um ständige Verbesserungen bei der Umsetzung dieses Abkommens wetteifern. Er betonte auch, dass die Charta Anerkennung dafür verdiene, dass sie auch grenzüberschreitende Schutzmaßnahmen zulasse und sogar fördere. Leider gebe es auf anderer Ebene auch Gegentendenzen, die er kritisch beleuchtete. Zu Unrecht werde das Instrument der Schutzfunktion im Minderheitenrecht in den letzten Jahren immer wieder in Frage gestellt.
Prof. Hilpold betonte auch, dass die Pflege des Minderheitenrechts in der weiter zurück liegenden Vergangenheit ganz primär im deutschen Sprachraum betrieben worden sei. Mittlerweile habe sich der Schwerpunkt in den angloamerikanischen Raum verlagert. Dieses Projekt habe aber gezeigt, dass in den deutschsprachigen Ländern noch genügend wissenschaftliche Ressourcen vorhanden seien, um an diese Projekte der Vergangenheit anzuknüpfen. Sie müssten nur effizient vernetzt werden.
Abschließend wurde von vielen Anwesenden die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, dass diese länderübergreifende Zusammenarbeit bei der Analyse des Minderheitenrechts fortgesetzt und weiter vertieft werden möge. Dabei wurde als erster Schritt eine Übersetzung dieses Kommentars ins Englische ins Auge gefasst.

(ip)