Frühstücken im Zeichen des Web 2.0

Die Frage, inwieweit sich die Nutzer sozialer Netzwerke zu einer öffentlichen Selbstentblößung verführen lassen, beschäftigte am 16. Mai die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Montagsfrühstücks im Literaturhaus. Denkanstöße dazu kamen von Autorin Sabine Gruber und Medienwissenschaftler Thomas Schröder.
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Martin Fritz (li) moderierte das Montagsfrühstück. Am Podium sprachen Sabine Gruber und Thomas Schröder.

Bereits seit über einem Jahr laden die Plattform denkpanzer, der Fachbereich Vergleichende Literaturwissenschaft und das Literaturhaus während der Vorlesungszeit ein Mal pro Monat zum Montagsfrühstück ein. Die Veranstaltungsreihe versteht sich als „Forum für Strategische Langsamkeit“, bei dem sich geladene Expertinnen und Experten gemeinsam mit dem Publikum von 9:00 bis 11:00 Uhr Zeit nehmen, um Fragen und Probleme des Zusammenhangs von Literatur, Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft zu diskutieren. Passend zum Motto gibt es türkischen Kaffee im Kupferkännchen und Croissants, die – wie es in der Beschreibung der Veranstaltung heißt – „zur Langsamkeit verpflichten sollen, ohne die Schärfe des Gedankens zu beeinträchtigen.“ Die allmonatliche Einladung nehmen nicht nur eingefleischte Fans, sondern auch viele, zum Teil prominente Impulsreferenten aus dem Literatur- und Kulturbetrieb gerne an. Bei der vergangenen Veranstaltung Mitte Mai gastierten die Schriftstellerin Sabine Gruber und der Innsbrucker Medienlinguistikprofessor Thomas Schröder, um unter der Moderation von Martin Fritz über Gefahren und Chancen der individuellen Präsenz im Internet zu sprechen.

Im Web 2.0 kann jeder publizieren und damit auch aktiv an verschiedensten Demokratisierungsprozessen mitwirken. Demgegenüber steht die Gefahr der Selbstentblößung auf Facebook und Co, die unter anderem Thema der Eingangsstatements von Sabine Gruber und Thomas Schröder war.

Außerliterarische Präsenz gefragt

Sabine Gruber schilderte die Situation aus der Sicht der Autorin und las in ihrem Eingangsstatement aus einem Essay vor, der das Spannungsfeld zwischen Geheimhaltung und Entblößung im Literaturbetrieb in den Mittelpunkt rückte. So mussten Schriftsteller im Laufe der Geschichte immer wieder Teile ihrer Persönlichkeit und ihres Lebens verschleiern, andere hingegen machten sich Persönliches zu Nutze, um bekannter zu werden. Heute sei die außerliterarische Präsenz von Autorinnen und Autoren wichtiger als je zuvor, sagte Gruber anknüpfend an das Vorgelesene. Viele würden sich aus Angst vor Bedeutungslosigkeit auch dann noch bei jeder Gelegenheit zu Wort melden, wenn sie nichts mehr zu sagen hätten.
„Was mich als Autorin besonders belastet, ist, dass die Grenzen zwischen Privatem und Öffentlichem im Netz aufgelöst werden; auch im literarischen Leben, um die Quoten und Auflagen zu erhöhen“, schilderte Gruber. Darüber hinaus fehle ihr im Internet die Filterfunktion seriöser Medien.

Gelassenheit und Medienkompetenz

Thomas Schröder wollte zunächst für „Gelassenheit“ in Hinblick auf das Thema plädieren. Facebook und ähnliche Plattformen seien Mittel zur Selbstdarstellung ähnlich wie ein bestimmter Kleidungsstil oder das Konsumieren einer bestimmten Marke. „Auffallend ist dabei insbesondere bei Jugendlichen eher die Ähnlichkeit in den bevorzugten Gestaltungsmitteln von Profilseiten als Individualität“, stellte Schröder in seinem Eingangsstatement fest. Für Jugendliche sei Facebook nur eine von vielen Selbstdarstellungsmöglichkeiten, die jedoch in keiner besonders engen Beziehung zum Selbst stehe, meinte der Wissenschaftler. Natürlich werde dabei auch Privates oder gar Intimes öffentlich gemacht. Das sei aber grundsätzlich eine Frage der kommunikativen Kompetenz. „Vor allem den Jungen muss bewusst gemacht werden, dass Internetkommunikation öffentliche Kommunikation ist“, erklärte Schröder. Bewusstseinsbildung und die Vermittlung von Medienkompetenz sei daher eine wichtige Aufgabe der Schule.

 

Wer sich selbst ein Bild von der Veranstaltung machen möchte, findet auf folgenden Seiten weitere Informationen zu den kommenden Terminen:

(Eva Fessler)