Internationales Forschungskolloquium zur Kommunikativen Theologie in Augsburg

Ende Oktober fand in Augsburg das internationale und interdisziplinäre Forschungskolloqium „Kommunikative Theologie“ unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Matthias Scharer, Innsbruck, Univ.-Prof. Dr. Bernd Jochen Hilberath, Tübingen und Univ.-Prof. Dr. Franz Weber, Innsbruck, statt.
Die TeilnehmerInnen des Forschungskolloquiums [Foto: P. Jung]
Die TeilnehmerInnen des Forschungskolloquiums [Foto: P. Jung]

HabilitandInnen und DoktorandInnen aus unterschiedlichen theologischen Disziplinen aus Innsbruck und Tübingen setzten sich vor dem Hintergrund des Wissenschafts- und Forschungskontextes mit der Philosophie der Anerkennung (reconnaissance) von Paul Ricoeur auseinander und versuchten diese mit den eigenen Forschungsprojekten in Verbindung zu bringen.

 

Die Referate, Gruppenarbeiten und Plenumsdiskussionen führten entlang der drei Abhandlungen von Ricoeurs Werk „Wege der Anerkennung“:  „Reconnaissance“ als Identifizieren, „Sich selbst erkennen“ und „wechselseitiges Anerkennen“. Ricoeur stellt vor allem im dritten Teil grundsätzliche Fragen nach den Bedingungen der Möglichkeit von Anerkennung:  Wie ist es möglich, aus dem problematischen Kreislauf von Tat und Gegentat, Missetat und Racheakt heraustreten zu können? Können Handelnde innerhalb von Institutionen je zu wechselseitiger Anerkennung und in diesem Sinne zu einem Stadium des Friedenszustandes gelangen? Die Antwort ist mit Skepsis verbunden. Nach Ricoeur gelingt es in Institutionen wohl eher,  „richtige“ Gegenseitigkeit im Sinne von Gerechtigkeit zu erzielen, was seiner Ansicht nach aber schon ein bedeutender Schritt ist: Geben und in adäquatem Maße zurückgeben, Symmetrie, Recht, Tausch, Markt; im Letzten sozusagen die Erwiderung der Gabe, die Gegengabe, als „gezähmter“ Vorgang, der weder in einen ausufernd konkurrierenden Potlach noch in Verweigerung mündet. Dies ist jedoch noch nicht wechselseitige Anerkennung, eher Vergleich, Symmetrie und erkannte und angenommene Verpflichtung.

 

Wechselseitige Anerkennung dagegen beruht nach Ricoeur – für uns, die wir Symmetrie für ein zentrales Gut halten, zunächst vielleicht erstaunlich – auf Asymmetrie. Gemeint sind damit Beziehungsangebot und Vertrauensvorschuss, sozusagen die "Logik des ersten Schrittes". Es handelt sich dabei um jene unerwartete, ungeschuldete und unverdiente Vor-Gabe, die man Liebe (Agape) nennt.  Eine heiß diskutierte Frage beim Kolloquium war, ob diese Logik der Agape in  Institutionen als Unterbrechung des funktionalen Handelns möglich ist oder ob sie nur außerhalb, dann, wenn Menschen aus funktionalen Räumen heraustreten und sich in ihrer Verletzbarkeit zeigen können, gelebt werden kann.

 

Die Erkenntnisse des ersten Tages wurden dann im zweiten Teil des Kolloquiums auf konkrete Handlungsfelder bezogen: Muslimisch-christlicher Dialog, universitäre Theologie, Kommunikationsprozesse in der Schule und in der Gemeinde. In allen Feldern zeigte sich: Leben ist durchsetzt von Konkurrenz, also Kampf um Anerkennung. Dennoch sind immer wieder Unterbrechungen und Verwandlungen dieses Kampfes möglich. Diese gehen hin zu Gegenseitigkeit  und Gerechtigkeit, aber auch  zu Vertrauensvorschuss, Hingabe und Agape und somit  zu wechselseitiger Anerkennung. Diese Friedenszustände sind aber kleine Ereignisse und als solche geschenkte und nicht verdiente Unterbrechungen. So gesehen ist der Weg zu einer Kultur der Anerkennung in Wissenschaft und Forschung kein breiter, ebener Weg. Auch hat sich gezeigt, dass diese Kultur nicht methodisch hergestellt, erzeugt oder erzwungen werden kann. Sie ist in höchstem Maße unverfügbar. Es können nur die Bedingungen dafür geschaffen werden.

 

Alle TeilnehmerInnen des Kolloquiums waren sich einig, dass die Auseinandersetzung mit der Anerkennungsphilosophie von Paul Ricoeur wertvolle Impulse für die gemeinsame Forschungskultur sowie die Arbeit an den konkreten Forschungsprojekten gebracht hat.

(ip)

Link: Institut für Praktische Theologie