Die Macht des Arguments

Auf Einladung des Instituts für Philosophie fand vergangene Woche ein Gastvortrag zur philosophischen Argumentationstheorie statt. Referent Prof. Georg Brutian (Armenische Akademie der Wissenschaften) bot dabei einen Überblick über die von ihm begründete „Eriwan-Schule der Argumentation“.
Prof. Georg Brutian (Dritter von links) und Prof. Hans Köchler (Mitte) mit Nachwuchsw …
Prof. Georg Brutian (Dritter von links) und Prof. Hans Köchler (Mitte) mit Nachwuchswissenschaftlern der Universität Innsbruck.

Unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges erlebten Argumentationstheorien einen Bedeutungsaufschwung, der, wie Prof. Brutian in seinem Vortrag vor zahlreichen Zuhörern erläuterte, dem Umstand geschuldet war, dass immer mehr Menschen den „Kampf der Argumente“ dem Kampf der Waffen vorzogen. Die von Brutian begründete Argumentationslehre war in der ehemaligen Sowjetunion überaus einflussreich und ist auch heute noch für Philosophen in aller Welt Grundlage für ihre wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Argumenten und Argumentation.

 

Explikation als erste Voraussetzung für Argumentation

Noch bevor sich (widerstreitende) Argumente begegnen, sei es, so Brutian in Anlehnung an Rudolf Carnap, die Bedingung sine qua non sinnvoller Diskussion, dass die Teilnehmer die Bedeutung der von ihnen verwendeten Begriffe und Konzepte offenlegen. Dieser Transformationsprozess von einem Explikandum hin zu einem Explikatum sei nicht zuletzt deshalb notwendig, da sich im Laufe der Philosophiegeschichte beachtliche Bedeutungsverschiebungen zentraler Begriffe feststellen lassen. Als Beispiel führte Brutian den Terminus Dialektik an, der bei Platon und Hegel jeweils unterschiedlich verstanden wird. Zusätzlich zur Definitionsarbeit benötige gelungene Argumentation die konsequente Orientierung an der Wahrheit. Logik, die Lehre vom richtigen Schließen, sei dafür nicht ausreichend. „Auch die Prämissen müssen wahr sein“, so Brutian. Große Bedeutung kommt aus der Perspektive seiner Argumentationslehre auch der diskursprägenden Rolle von Macht zu. Nicht ob ein Argument mächtig ist im Sinne von Hegemonie (Argument of Force), sondern ob es über Macht im Sinne von Überzeugungskraft verfügt (Force of Argument), sei entscheidend. Auch wenn diese Überzeugungskraft für ein gutes Argument konstitutiv ist, so reicht für Brutian das Ziel aller Argumentation doch weit darüber hinaus: „Anders als Plato sieht die Eriwan-Schule der Argumentation den Sinn von Diskussionen nicht in der Überzeugung des Gegenübers, sondern in der Schaffung von Bedingungen gemeinsamen Handelns“, betonte Brutian.

 

Gründung der zentraleuropäischen Abteilung der Internationalen Akademie für Philosophie

In seiner Funktion als Präsident der Internationalen Akademie für Philosophie (IAPh) nützte Prof. Brutian seinen Innsbruckaufenthalt, um mit Nachwuchswissenschaftlern der Universität Innsbruck Kontakte zu knüpfen und eine eigene zentraleuropäische Abteilung der IAPh ins Leben zu rufen. Die IAPh, die er 2001 u.a. mit dem US-amerikanischen Philosophen Donald Davidson (1919-2003) gegründet hat, verzeichnet 70 Mitglieder in über dreißig Ländern und setzt sich zum Ziel, philosophische Bemühungen und Potenziale zu verbinden und die Entwicklung philosophischen Denkens weltweit zu fördern. Insbesondere durch ihre eigene Jugendabteilung, die Association of Young Scholars, bietet die IAPh auch interessierten Angehörigen der Universität Innsbruck die Möglichkeit internationaler Kontakte und Zusammenarbeit.

 

Hohe Auszeichnung für Innsbrucker Philosophen

Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Köchler, Life Fellow der IAPh und Professor am Institut für Philosophie an der Universität Innsbruck, wurde von Prof. Brutian für seine Verdienste auf dem Gebiet der Philosophie mit der höchsten Auszeichnung der IAPh, der Grand Medal of David the Invincible, geehrt. Die Auszeichnung ist benannt nach dem Armenischen Philosophen des 5. Jahrhunderts, David Anhaght, der aufgrund seiner rhetorischen Brillanz auch der Unbesiegbare genannt wurde. In seiner Laudatio betonte Brutian, wie wichtig es sei, auf der Spur der Geheimnisse der Philosophie die Anstrengungen unterschiedlicher philosophischer Schulen und auch einzelner Denker mit einzubeziehen. Prof. Köchler, als „aktivstem Mitglied der Internationalen Akademie für Philosophie“, sei dies, so Brutian, in seinem Denken und Wirken stets gelungen.

 

Zum Referenten:

Geboren 1926; Studium der Ingenieurwissenschaften, Internationalen Beziehungen und Philosophie in Eriwan und Moskau; seit 1970 Professor für Philosophie an der Universität Eriwan; Mitglied der Armenischen Akademie der Wissenschaften; Präsident der Armenischen Philosophischen Akademie; Präsident der Internationalen Akademie für Philosophie; Autor von über 70 Büchern und 200 Artikeln, die insgesamt in zwanzig Sprachen publiziert wurden. Zu den wichtigsten Veröffentlichungen zählen u.a.: Philosophy and Language (1972), Philosophical Knowledge (1981), Outline of a Theory of Argumentation (1992), 101 Rules for Political Argumentation (2003), The Logical in the Mirror of the Philological (2007), Philosophy and Metaphilosophy (2007), Transformational Logic (2008).

(ip)

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