Herrenhaus Wissenschaft? – Perspektiven feministischer universitärer Lehre

Trotz Semester-Endspurts stieß der am 27. Juni abgehaltene Workshop über „feministische Perspektiven in der Lehre“ auf reges Interesse. Zur Diskussion stand die Frage, wie und warum universitäre Vermittlung feministische Perspektiven braucht und welche Ziele damit verbunden sind. Geleitet wurde die Veranstaltung von Erziehungswissenschaftlerin Susanne Dermutz.
Susanne Dermutz
Die Erziehungswissenschaftlerin Susanne Dermutz leitete den Workshop "Feministische Perspektiven in der Lehre".

Der Workshop, der von der Interfakultären Forschungsplattform Geschlechterforschung in Kooperation mit der Personalentwicklung der Universität Innsbruck angeboten wurde, beschäftigte sich ausgehend vom Begriff „Feminismus“ mit verschiedensten feministischen Fragestellungen, die mit praktischen Beispielen aus der Lehre illustriert wurden. Den TeilnehmerInnen ging es vor allem darum, zu erörtern, warum feministische Perspektiven für die universitäre Lehre von Bedeutung sind und auf welche Art und Weise diese in die Lehre Einzug finden könn(t)en. Darüber hinaus wurden auch die Rahmenbedingungen für universitäre Lehre thematisiert: „Jede/r Lehrende befindet sich nach wie vor in einem patriarchal strukturierten „Herrenhaus Wissenschaft“, weshalb auch die Frage nach den institutionellen Bedingungen der Lehre in Augenschein genommen werden muss“, führt Univ.-Ass. Prof. Dermutz aus.

 

 

„Was interessiert Sie?“

 

Bei der Vermittlung feministischer Ansätze sei es im Sinne der Selbstbestimmung wichtig, dass die Interessen und Forschungsfragen der Studierenden als Ansatzpunkt für die Vermittlung dienten. „Die Studierenden müssen gefragt werden, was SIE lernen wollen und dies muss in einen Kontext und in die entsprechenden Zusammenhänge gebracht werden. Dann erst kann in die Tiefe gedacht werden“, so Univ.-Ass. Prof. Dermutz. Dezidiert sprach sich die Leiterin des Workshops gegen die Zerstückelung des Wissens aus – zu allererst sei ein Gesamtbild herzustellen.

 

Realität im Unterricht

 

Univ.-Ass. Prof. Dermutz wählte zur Veranschaulichung ein spannendes Beispiel, durch das auch ein weiterer Grundsatz feministischer Lehre - „das Private ist politisch“ - sichtbar gemacht werden konnte: Die Erziehungswissenschaftlerin ist von der Stadt Villach eingeladen worden, einen Frauenbericht zu erstellen. Dies nahm sie als Ausgangspunkt für eine dreisemestrige Lehrveranstaltung. Sie stellte ihren Studierenden die Frage: „Was interessiert Sie dazu? Worüber möchten Sie in dem Bericht lesen?“ Eines der Themenfelder, das sich herauskristallisierte, war die mangelhafte öffentliche Verkehrsinfrastruktur in der Region Villach, die den Alltag von vielen Frauen erschwert. In Zusammenarbeit mit der Frauenberatungsstelle erhoben die Studierenden die Gründe für die schlechte Verkehrsinfrastruktur und fanden heraus, dass die Verkehrspolitik sich ganz am Berufsverkehr orientierte und z.B. die Bedürfnisse der Beförderung von Kindern von und zu Nachmittagsveranstaltungen (Sport, Musik) etc. ganz unberücksichtigt lässt. So wurden für die Studierenden die Wirkungszusammenhänge zwischen individuellen Lebensweisen und strukturellen Gegebenheiten offensichtlich.

 

Plenum oder Kleingruppen? – Die Mischung macht’s

 

Den Arbeitsmethoden kommt bei der Vermittlung von feministischen Inhalten eine nicht unwesentliche Rolle zu: „Für die feministische Lehre ist es besonders wichtig, dass sich die Arbeit im Plenum mit der Arbeit in Kleingruppen abwechselt“, erklärt Univ.-Ass. Prof. Dermutz. Dies wurde auch bei der Präsentation der Ergebnisse des Studierenden-Projekts vor Ort – in Villach – berücksichtigt. Die Studierenden diskutierten mit der betroffenen Bevölkerung nochmals in Kleingruppen die Zusammenfassungen und reformulierten ihre Forderungen.

 

Im Workshop folgte „frau“ derselben Arbeitsweise. Die einzelnen Kleingruppen behandelten folgende Fragen: „Was heißt das konkret für meine Lehre?“ Und: „Was kann ich für die Durchsetzung feministischer Aspekte tun?“ Die TeilnehmerInnen brachten auf diese Weise ihre eigenen Erfahrungen ein wie sie auch ihre Zugangspraxis zur Lehre reflektierten. Dabei stellte sich heraus, dass sich viele TeilnehmerInnen die Auseinandersetzung mit feministischen Perspektiven in der Lehre als verpflichtendes Tool der Hochschuldidaktik wünschen.

 

 

Zur Person:

 

Univ.-Ass. Prof. Susanne Dermutz greift didaktisch wie hochschulpolitisch auf jahrzehntelange Erfahrungen und Engagements zurück, die an der Universität Innsbruck ihren Anfang genommen haben. Sie studierte in Innsbruck Erziehungswissenschaften, Politikwissenschaft und Psychologie und ist seit Jänner 2008 stellvertretende Institutsvorständin am Institut für Erziehungswissenschaften der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.

 

Weitere Auskünfte bei der Koordinatorin der Forschungsplattform Geschlechterforschung unter andrea.ellmeier@uibk.ac.at bzw. unter www.geschlechterforschung.at

 

(ck)