Retter am Telefon: das Rote Kreuz am INTRAWI

Am 19. Januar 2016 besuchte Patrick Kindermann vom Roten Kreuz Tirol auf Einladung von Cornelia Feyrer das Institut für Translationswissenschaft (INTRAWI) und hielt im Rahmen der Lehrveranstaltung Einführung in die Medizin für TranslatorInnen einen Gastvortrag über Kommunikation im Krisenfall – ein Thema von Relevanz auch für ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen.
Reges Interesse für Patrick Kindermanns Vortrag am INTRAWI.
Reges Interesse für Patrick Kindermanns Vortrag am INTRAWI. (Foto: Martina Mayer, INTRAWI)

Patrick Kindermann ist beim Roten Kreuz Tirol im Bereich Qualitätsmanagement Rettungsdienst tätig und führte in seinem Gastvortrag Von Mensch zu Mensch: Kommunikation zwischen Rettungsdienst und Patient Studierende des INTRAWI sowie zahlreiche externe Interessierte in die Kommunikation bei Notrufen ein, einem der Extremfälle der vertikalen medizinischen Fachkommunikation, also von Experte zu Laie. Notrufmanagement und rasche, versierte Hilfe im Ernstfall: Für fachfremde Personen bedeutet ein Notfall zunächst eine Konfrontation mit Gefühlen wie Schmerz, Angst und Panik, was kompetentes Kommunizieren besonders wichtig macht. Kindermann erlaubte dem Publikum am INTRAWI nun ein Eintauchen in die Welt des Rettungsdienstes, da dieses Bewusstsein auch für das translatorische Handeln von besonderer Relevanz ist. Schließlich kommen TranslatorInnen häufig in den unterschiedlichsten Settings der Gesundheitskommunikation als DolmetscherInnen oder FachübersetzerInnen zum Einsatz. Deshalb ist es für Studierende der Translationswissenschaft essentiell, ein Verständnis für ExpertInnen in ihrer Rolle als Textsender sowie PatientInnen als Empfänger zu entwickeln. So begann die in den Vortrag einführende Gedankenreise mit den Worten: „Stellen Sie sich vor, Sie sind mit dem Fahrrad unterwegs … in Gedanken versunken … plötzlich ein PKW von links … alles geht viel zu schnell …“

Patrick Kindermann mit Cornelia Feyrer, Lehrveranstaltungsleiterin und Organisatorin des Gastvortrages.
Patrick Kindermann mit Cornelia Feyrer, Lehrveranstaltungsleiterin und Organisatorin des Gastvortrages. (Foto: Martina Mayer, INTRAWI)

Wenn sich von einer Sekunde auf die andere alles ändert und eigene Hilflosigkeit entsteht, dann braucht es kompetente Helfer, die trotz allem die Ruhe bewahren und durch klare Anweisungen kommunizieren, was zu tun ist. Diese Rolle haben jene Menschen inne, die in der Leitstelle Tirol Notrufe entgegennehmen. Sobald das Telefon klingelt, kommt es in der Kommunikation auf jedes Detail an, ob bei der Geburt eines Babys in einem abgelegenen Ort, einem medizinischen Notfall im städtischen Raum, einem Unfall am Berg oder einem Brandmeldealarm in einem Industriegebiet. Die Rettungsleitstelle koordiniert alle Einsatzkräfte des Landes Tirol und gibt in jedem Fall Anleitung zu sofortigen Maßnahmen. Die Zielsetzung lautet, überforderten Zivilpersonen „so gut wie möglich mit Rede und Antwort zur Seite stehen“. Dies stellt eine extreme Stresssituation dar – nicht nur für die Hilfesuchenden, sondern auch für die kompetente Person am anderen Ende der Telefonleitung, die bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte vor Ort im Notfall ständig telefonisch präsent bleibt und deren Aufgabe es ist, sowohl die Situation als auch die Kommunikation unter Kontrolle zu halten. Mit dem Ende des Notfalls ist die Aufgabe der Helfer bei der Rettungsleitstelle aber nicht erfüllt: Auch „am Tag danach“ stehen sie Patienten und Angehörigen noch bei Fragen, Nöten und Sorgen zur Seite.

Klar strukturierte Abläufe, interne Kommunikationscodes, Checklisten zur Notrufabfrage, Rückfragen zur eigenen Verständlichkeit, die Fähigkeit zum Codeswitching (um sich z.B. auf verschiedene Dialekte einzustellen), eine ausgeprägte persönliche Stressresistenz, Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft zur kritischen Review der eigenen Leistung sind notwendig, um Extremfälle der Kommunikation aufs Beste zu meistern. Wir danken Patrick Kindermann für die spannenden authentischen Einblicke in die Tätigkeit der Notrufzentrale, die er dem Publikum gewährt hat – und dem Roten Kreuz sowie dem gesamten Team des Rettungsdienstes bzw. der Leitstelle Tirol für seine hochqualifizierten Leistungen an der Gesellschaft, uns allen.

(Martina Mayer, INTRAWI)