Podiumsdiskussion: Europa und der Transnationale Terrorismus

Am 1. Dezember 2015 veranstaltete das Institut für Politikwissenschaft im Hörsaal 1 an der SOWI eine gut besuchte Diskussion zum Thema des transnationalen Terrorismus. Unter der Moderation von Martin Senn diskutierten Gerhard Mangott, Franz Eder und Andreas Maurer über Ursachen, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen nach den Pariser Anschlägen.
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Moderator Martin Senn mit den Diskutanten Gerhard Mangott, Andreas Maurer und Franz Eder (von links). (Foto: Philippa Ettenauer)

In den letzten Wochen beherrschen die Geschehnisse des 13. November 2015 in Paris die Medien und die Öffentlichkeit. Viele Fragen bleiben jedoch offen. Auch deshalb lud das Institut für Politikwissenschaft zu einer Expertenrunde unter dem Titel „Europa und der Transnationale Terrorismus: Eine Bestandsaufnahme von Ursachen, Auswirkungen und Gegenmaßnahmen nach den Anschlägen von Paris“. Ziel war, die wichtigsten Problemstellungen zu klären und zu diskutieren. Ass.-Prof. Dr. Martin Senn moderierte die Podiumsdiskussion, die auch über einen Livestream mitverfolgt werden konnte. Außerdem bestand die Möglichkeit – auch schon im Vorhinein sowie während der Veranstaltung – über die sozialen Netzwerke Facebook und Twitter Fragen zu stellen.

In einer ersten Fragerunde richtete sich Prof. Senn direkt an die drei Panelisten. Der erste Themenkomplex bestand in den Ursachen und Wirkungsweisen des transnationalen Terrorismus. An assoz. Prof. Dr. Franz Eder waren Fragen nach dem Zusammenhang zwischen dem IS und den Attentätern in Europa, den vermittelten Botschaften sowie der konkreten Gefährdung Österreichs und den Zusammenhängen zwischen Flüchtlingsbewegungen und Terroranschlägen gerichtet. Prof. Eder sprach dabei von der „Notwendigkeit eines Anschlags“. Der IS habe sich vor allem durch die Abnahme des Respekts vor ihm zu Aktionen gezwungen gefühlt. Eder hob hervor, dass es sich bei den Anschlägen um keine „top-down“-Aktionen handle, sondern diese „von unten“ kommen würden. Er sehe keine direkten Zusammenhänge zwischen Flüchtlingen und Terroristen, allerdings sei es nicht auszuschließen, dass sich im Rahmen der Flüchtlingsbewegungen auch einzelne Terroristen einschleusen würden. Die größere Gefahr gehe laut Eder allerdings von in Europa aufgewachsenen Sympathisanten aus. Die Gefahr von Anschlägen sei in ganz Europa gestiegen, allerdings müsse man differenzieren, betonte Eder. In erster Linie seien Länder gefährdet, die zurzeit an militärischen Aktionen gegen den IS teilnehmen. In Österreich sei die Anschlagsgefahr auf jeden Fall geringer, es gebe aber durchaus einen Pool an potentiellen Sympathisanten.

Bezeichnend für die Auswirkungen der Pariser Anschläge und die Situation in Frankreich und Belgien sah Univ.-Prof. Dr. Andreas Maurer die Tatsache, dass an belgischen Schulen mittlerweile sogar „terrorfrei“ sei. Der „Lockdown“ in Brüssel, die Abriegelung der Stadt und der Einsatz des Militärs zur Zeit des Podiumsgesprächs hätten bisher kaum Wirkung gezeigt. Die gesuchten Personen seien nicht gefunden worden. Auch deshalb stelle sich die Bevölkerung mittlerweile die Frage nach dem Sinn der Aktionen, die Regierung gerate in Erklärungsnot. Die Hauptprobleme der gemeinsamen Terrorismus-Bekämpfung sieht Maurer in der mangelnden Zusammenarbeit hinsichtlich des Datenaustausches unter den europäischen Geheimdiensten. Die Strukturen seien zwar da, einzelne Staaten würden sich aber weigern Informationen herauszugeben, wodurch die Koordination in der Terrorismusbekämpfung erheblich erschwert werde.

Univ.-Prof. Dr. Gerhard Mangott hatte vor allem die Frage nach dem Vorgehen gegen den IS und die Möglichkeit von gemeinsamen Maßnahmen im Rahmen einer Allianz zu klären. Er betonte, dass vor allem aufgrund der fehlenden Legitimation für Angriffe in Syrien derzeit eine Kriegsrhetorik an den Tag gelegt werde, etwa vonseiten des französischen Präsidenten Francois Hollande. Durch die explizite Betonung, „im Krieg“ zu sein, versuche man die harten Maßnahmen zu rechtfertigen. Mangott hob vor allem drei wichtige Punkte zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus hervor. Die wichtigste Anti-Terror-Maßnahme in Europa sei Integration, nicht Abschottung. Man müsse den Menschen Perspektiven bieten, um eine Radikalisierung von Personen, die sich an den Rand gedrängt fühlen und gesellschaftlich abschotten, zu vermeiden. Als zweites müsse das „Staatsversagen in Nahost“ beendet werden. Auch die gegenwärtige Zusammenarbeit mit Saudi Arabien und Katar müsse überdacht werden. Eine erfolgreiche Bekämpfung des IS könne laut Mangott nur militärisch gelingen, in dem das vom IS eroberte Territorium, welches dieser als „Kalifat“ bezeichnet, zerschlagen werde. Luftschläge allein würden dazu allerdings nicht ausreichen, es brauche deshalb als dritten wichtigen Punkt den Einsatz von Bodentruppen. Allerdings sei dazu aktuell kein Staat bereit, und das werde sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Eine funktionierende internationale Allianz gegen den IS werde laut Mangott in erster Linie durch Unstimmigkeiten in der Definition des zu bekämpfenden Gegners und die Verfolgung von teils gegensätzlichen Zielen erschwert. Auch der jüngste Vorfall des von der Türkei abgeschossenen russischen Kampfjets habe die Bemühungen um ein richtiges militärisches Bündnis erschwert und unnötig verkompliziert.

Nach einer guten Stunde öffnete Prof. Senn die Diskussion für Fragen aus dem Plenum. Insgesamt fanden drei Fragerunden statt, in denen auch Userfragen aus den sozialen Netzwerken zur Sprache gebracht wurden. Im Vordergrund standen die Lösung des Syrienkonflikts und die Frage nach einer möglichen Ausweitung in globaler Form, die Effektivität von zusätzlicher Überwachung und Datensammlung sowie Maßnahmen, um neuen Anschlägen und der Radikalisierung von in Europa geborenen Menschen vorzubeugen. Die Debatte wurde mitunter emotional geführt und auch von Zwischenrufen aus dem Publikum begleitet. Interessant war die Kontroverse um ein größeres militärisches Vorgehen gegen den IS, auch in Form von Bodentruppen. Im Gegensatz zu Prof. Mangott und Prof. Eder sprach sich Prof. Maurer dagegen aus.

Prof. Senn beendete schlussendlich eine bisweilen hitzige Diskussion mit dem Hinweis, dass aufgrund des großen Interesses weitere Veranstaltungen in dieser Form geplant seien und bedankte sich bei den Panelisten, dem Publikum im Hörsaal und den Zuseherinnen und Zusehern via Livestream.

Die Podiumsdiskussion auf Youtube nachsehen:

Direktlink: https://www.youtube.com/watch?v=NyHA2qUgfQ8

(Jakob Kathrein)