Strafrecht und Kultur: Tagung der Partneruniversitäten Innsbruck und Padua

„Migration, Kultur und Strafrecht (im Wandel?)“ war das Thema einer gemeinsamen wissenschaftlichen Tagung an der Universität Padua, organisiert von den Strafrechtsprofessoren Margareth Helfer (Innsbruck) und Mauro Ronco (Padua). Im Mittelpunkt stand die Frage, ob und wie das Strafrecht auf Herausforderungen der zunehmend pluralistischen und multikulturellen Gesellschaft reagieren kann.
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Francesco A. Schurr, Silvia Tellenbach, Fabio Basile, Cuno Tarfusser, Margareth Helfer, Mauro Ronco, Renate Gebhard (von links). (Foto: Civello)

Sollen die traditionellen Strafrechtsprinzipien auf kulturell motivierte Taten wie etwa zur Verteidigung der Ehre uneingeschränkt Anwendung finden? Oder gilt es in Zukunft die bisherigen unumstößllichen Rechtsüberzeugungen zu relativieren und mehr Verständnis für den fremden kulturellen Hintergrund eines mutmaßlichen Täters aufzubringen? Mit diesen Fragen beschäftigte sich unlängst eine hochkarätig besetzte Tagung an der Universität von Padua, bei der sich Fachvertreterinnen und –vertreter aus Wissenschaft, Gesetzgebung und internationaler und nationaler Gerichtsbarkeit aus dem In- und Ausland von Südtirol und Österreich bis zu Italien und Deutschland austauschten. Cuno Tarfusser (Vizepräsident des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag), Renate Gebhard (Abgeordnetenkammer Rom), Margareth Helfer (Institut für Italienisches Recht an der Universität Innsbruck), Silvia Tellenbach (Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg im Breisgau), Fabio Basile (Università degli studi di Milano), Enrico Mario Ambrosetti (Universität Padua), Lorenzo Miazzi (Richter am Oberlandesgericht Venedig) und Fulvio Gianaria (Rechtsanwaltskammer Turin) brachten dabei als Referentinnen und Referenten ihre Beiträge ein.

„Kulturell motivierte Straftaten werden in den verschiedenen Ländern wie Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien und USA sehr unterschiedlich behandelt“, resümiert die wissenschaftliche Leiterin der Tagung Margareth Helfer. „Das Spektrum reicht von einem der fremden Kultur gegenüber toleranten Ansatz in den USA zu einem doch relativ strengen und hinsichtlich der Berücksichtigung der Kultur verschlossenen, neutralen System in Italien und Frankreich“, so Helfer. Welcher Ausrichtung der Vorzug zu geben sei, hänge von verschiedenen kriminalpolitischen und rechtsdogmatischen Überlegungen ab. „Sicher ist, das hat die Tagung erneut bekräftigt, dass die Frage nach der Bewertung der kulturellen Motivation bei Straftaten noch lange nicht endgültig beantwortet ist und uns noch lange beschäftigen wird.“

Die SVP-Kammerabgeordnete Renate Gebhard legte anlässlich der Tagung die Überlegungen und Ansätze des italienischen Gesetzgebers dar und erläuterte die Vorgangsweise anhand einiger konkreter Beispiele von Straftaten.

Die Tagung „Migration, Kultur und Strafrecht (im Wandel?)“ ist von den Partneruniversitäten Innsbruck und Padua organisiert worden, die seit beinahe vierzig Jahren eine enge Zusammenarbeit in Lehre und Forschung pflegen. Diese jahrzehntelange Partnerschaft war 1978 mit einem Freundschaftsvertrag besiegelt und 1982 in einem Staatsvertrag zwischen Österreich und Italien zur universitären Zusammenarbeit bekräftigt worden. In ihrer Begrüßung anlässlich der Tagung hoben der neue Rektor der Universität Padua Rosario Rizzuto und Francesco A. Schurr als entsandter Vertreter des Instituts für Italienisches Recht der Universität Innsbruck die Bedeutung der Zusammenarbeit hervor. Die Ergebnisse der Tagung werden in einem Tagungsband gesammelt und der Öffentlichkeit im Frühjahr 2016 an den Universitäten Innsbruck und Padua präsentiert werden. Bei Interesse kann das Institut für Italienisches Recht an der Universität Innsbruck Auskunft erteilen.

(Institut für Italienisches Recht)