Exkursion ans MIT

Die zweijährig stattfindende Exkursion nach Boston/Cambridge, USA, unter der Leitung von Prof. Theo Hug, ist bereits eine kleine und höchst fruchtbare Tradition. Auch diesen April nahmen 14 Studierende die Möglichkeit wahr, das renommierte Massachusetts Institute of Technology (MIT) zu besuchen und mit Expertinnen und Experten über aktuelle Medienentwicklungen ins Gespräch zu kommen.
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Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion mit Prof. Noam Chomsky in seinem Büro am MIT. (Foto: Daniel Nagler)

Die Exkursionswoche begann gleich auf hohem Niveau mit dem ersten großen Highlight. Im Foyer seines Büros im Stata Center traf die Gruppe auf Noam Chomsky. Das in einem Frage-Antwort-Format ablaufende Gespräch mit dem Linguisten und Medienkritiker rührte an grundlegenden Themen wie dem Menschlichen Exzeptionalismus und der Betrachtung von Gesten als sprachliche Form, behandelte aber auch aktuelle politische und medienkritische Themen. Während Chomsky sein Verständnis einer anarchistischen Gesellschaft als die Infragestellung illegitimer Herrschaft explizierte, äußerte er sich skeptisch bezüglich der Möglichkeiten, auf das politische Geschehen durch die Nutzung neuer Medien wie beispielsweise Social-Media-Plattformen Einfluss zu nehmen. In der knappen Stunde Gesprächszeit wurde quer durch die behandelten Themen deutlich, wie eng Fragen nach dem Menschen und Sprache mit jenen nach Gesellschaftsformen, Politik, Medien und Bildung verknüpft sind und wie sich diese Verknüpfungen in den wissenschaftlichen Theorien und politischen Überzeugungen von Noam Chomsky darstellen.

Im direkten Austausch

Abgesehen von Noam Chomsky bot die Exkursion den Studierenden noch die Gelegenheit, andere Forscherinnen und Forscher am MIT persönlich zu treffen. So führten Susanne Seitinger und Nan Zhao die Gruppe durch Teile des MIT Media Labs. In dem großzügig mit Glaswänden gestalteten Gebäude konnten aktuelle, und sich teilweise noch im Versuchsstadium befindliche, Entwicklungen entdeckt und mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des jeweiligen Teams gesprochen werden. Nicht zuletzt dort wurde die herrschende „Can do-Mentalität“ spürbar.

Edith Ackermann ging vor allem auf die vielfältigen Interessen der Gruppe ein, als sie zuerst einmal jeder und jedem Einzelnen den Raum gab, sich mit den eigenen Anliegen vorzustellen und diese dann gebündelt in verschiedene Themenbereiche in ein Gruppengespräch aufnahm. Vor allem unter den Aspekten von „living life inbetween“ und der beobachtbaren Zunahme von self tracking sowie aus der kognitven Entwicklung bezogenen Phase des Beginns von symbolischen Spiels, führte das Gruppengespräch über Fragen der Sprache und Entwicklung bis hin zu Fassungen des Selbst oder der Identität in unserer Gesellschaft.

Bei einem Besuch im HyperStudio führte Kurt Fendt in die Entwicklung der Digital Humanities ein und die Gruppe lernte mit dem Comedie-Francais-Projekt und dem Annotationstudio laufende Projekte kennen. Gerade an letzterem wurde die enge Verknüpfung solcher tools, als Ergänzung und Erweiterung der Erkenntnismöglichkeiten in den Geistes- und Kulturwissenschaften, mit der individuellen, kreativen Aneignung der einzelnen Endnutzer deutlich. So hob Kurt Fendt das Anliegen hervor, durch problemorientierte Entwicklung digitale Hilfsmittel zu schaffen, welche Lösungen für Probleme anbieten, die auf herkömmliche Weise nicht gelöst werden können, und dadurch neue Fragen und erweiterte Chancen auf Erkenntnisgewinn zu ermöglichen.

Praxisorientierung und Interdisziplinarität

Nikolaus König, welcher seit einem Jahr als Postdoc am MIT beschäftigt ist, erzählte von den Unterschieden, welche er zwischen der europäischen und der US-amerikanischen Wissenschaftskultur wahrnimmt. Dabei explizierte er, was auch in anderen Programmpunkten der Exkursion immer wieder zum Vorschein kam: die starke praxis- und problembezogene Anlage von Forschung, sowie die damit einhergehende Struktur von Präsentationen und wissenschaftlichen Texten.

So wurde diese Herangehensweise beispielsweise bei einem Videospiel deutlich, welches von Philip Tan, dem Ceative Director des MIT Game Lab, vorgestellt wurde. Er erläuterte, dass ebendieses Spiel aufgrund der Anfrage eines Physikprofessors entwickelt wurde. Dieser suchte nach einer didaktischen Möglichkeit, Relativität im Unterricht anschaulich und nachvollziehbar zu vermitteln. Als Gäste in einem Kurs zu Digitale Humanities bei Kurt Fendt hatten die Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmer außerdem die Möglichkeit, ein Beispiel dafür zu erleben, wie sich diese auf die Lösung von Problemen ausgerichtete Wissenschaftskultur auch in der universitären Lehre niederschlägt. So präsentierten die Studierenden dort ihre aktuellen Fortschritte mit den in Teams durchgeführten Projektarbeiten. Dabei handelte es sich um eigenständige Entwicklung von kleineren Anwendungen wie beispielsweise einem sich regelmäßig willkürlich neu gestaltenden Virtual-Reality-Museum oder einer App, die Verbindungen zwischen verschiedenen Ländern auf Basis von Zeitungsartikeln erfasst und darstellt.

Gerade diese Gruppenarbeiten zeigten außerdem auch noch einmal deutlich die Ergänzungsverhältnisse, die sich aus den unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten der einzelnen Studierenden ergaben. Das Potenzial und die Erweiterung der eigenen Prespektive konnte die Exkursionsgruppe auch in ihrer eigenen Zusammensetzung erfahren, da die einzelnen Teilnehmenden aus ganz unterschiedlichen Fachrichtungen und Studiengängen kamen und noch dazu unterschiedlich weit in ihrem jeweiligen Studium fortgeschritten waren.

Verortungen

Gerahmt wurden diese fachlichen Auseinandersetzungen noch durch eine Auswahl ergänzender Programmpunkte. Von dortigen Studierenden geleitete Führungen erlaubten den Exkursionsteilnehmerinnen und -teilnehmern einen Einblick in die jeweiligen Campusstrukturen am MIT und der nahe gelegenen Ivy-League-Universität Harvard, sowie die Unterschiede im Selbstverständnis und den Traditionen der beiden Elite-Universitäten zu erhalten.

Beim gemeinsamen Museumsbesuch gab es die Möglichkeit, zu erfahren, wie sich das MIT im hauseigenen Museum selbst (re-)präsentiert. In der Ausstellung, die sowohl historische Darstellungen, kurze Einführungen in unterschiedliche aktuelle Forschungs- und Entwicklungsbereiche wie auch studentische und künstlerische Arbeiten miteinander verknüpft, gab es dabei noch einmal die Gelegenheit, das Fortschritts- und Technologieverständnis der Forschungseinrichtung zu ergründen.

Entlang des quer durch Boston angelegten sogenannten Freedom Trails konnte sich die Gruppe außerdem wichtige historische Stätten Bostons und dessen Rolle im Unabhängigkeitskrieg erwandern. Dabei wurde auch das Neben- und Miteinander von Geschichte und Gegenwart unter anderem an der typischen Mischung von modernen und historischen Gebäuden deutlich.

Ausreichend freie Zeit erlaubte es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern darüber hinaus, in kleineren Gruppen je nach individuellen Vorlieben verschiedenste kulturelle Angebote vom Tangoabend über die Mayfair am Harvard Square bis hin zu einem Besuch des Museum of Fine Arts und andere Aktivitäten wahrzunehmen.

(Sandra Mauler)