Autonomie und Selbstbestimmung

Bei einer internationalen Tagung unter Leitung von Prof. Peter Hilpold am 14. Januar in der Aula ging es ganz um die Frage, ob das Völkerrecht einen Anspruch auf Selbstbestimmung einräumt bzw. ob Autonomielösungen einen brauchbaren Ersatz für eine staatliche Verselbstständigung darstellen.
hauptgebaeude_400x306.jpg

Die Idee der Selbstbestimmung war schon lange nicht mehr so populär in Europa wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Fast scheint es, als hätte der Mehrnationenstaat ausgedient. Wie im 19. Jahrhundert wird die Forderung laut: „Jeder Nation ein eigener Staat“. Historische Identitäten – mögen sie echt sein oder nur eine romantische Idee – werden wiederentdeckt und sie scheinen ein Zusammenleben mit anderen Nationen im selben Staat auszuschließen. Beinahe wäre im Jahr 2014 Großbritannien auseinandergebrochen und es wird nun zu sehen sein, ob die von London angebotene Autonomie die Schotten zufrieden stellen wird. In Katalonien wird ein Referendum angestrebt, das die spanische Zentralregierung schon vorab für rechtswidrig erklärt hat. Besonders extreme Formen haben diese Selbstbestimmungsbestrebungen in der Ukraine, auf der Krim, angenommen. Diese Halbinsel hat sich bekanntlich mit Unterstützung Russlands von der Ukraine losgetrennt und ist nun de facto Teil des östlichen Nachbarn geworden, wenngleich dieser Vorgang in klarem Gegensatz zum geltenden Völkerrecht steht. Europa und die USA haben Sanktionen gegen Russland verhängt und damit letztlich mit dazu beigetragen, dass sich die Wirtschaftskrise in diesem Staat weiter verschärft.

All diese Fragen wurden im Rahmen einer Tagung an der Universität Innsbruck angesprochen, wobei die Meinungen zum Teil auch weit auseinander gingen. So war zum Beispiel Prof. Daniel Turp von der Universität Montreal ein klarer Befürworter des Sezessionsrechts, während Prof. Eugenia Lopez-Jacoiste von der Universität Navarra Vorsicht anmahnte und rechtliche Bedenken äußerte. Prof. Markku Suksi von der Abo Academy in Finnland analysierte die Funktion des Referendums als Instrument zur Lösung von Territorialkonflikten und zur Verwirklichung der Selbstbestimmung. Auch die Volksabstimmung in Schottland (Prof. Hofmeister) und die Kurdenfrage (Prof. Oeter) wurden angesprochen. Speziell auf die Südtirol-Frage (Südtirol-Autonomie als internationales Modell) ging MMag. Christoph Perathoner ein.

Ein Publikumsmagnet am Ende der Tagung war noch die Diskussionsrunde unter Beteiligung von weiteren Wissenschaftlern und namhaften Politikern (Landeshauptmann Dr. Arno Kompatscher, Dr. Sven Knoll, Pius Leitner, Dr. Ulrike Haider-Quercia und Alessandro Urzì) unter der Leitung des Rektors der Universität Bozen, Prof. Walter Lorenz. Trotz der Brisanz der Thematik verlief die Diskussion sehr gediegen und informativ, so dass die anwesenden Wissenschaftler den Politikern aus Österreich und Südtirol am Ende der Tagung sehr hohes fachliches Niveau bescheinigten.

„Gezielt wurde im Rahmen dieser Tagung darauf geachtet, die sich immer mehr verstärkende Wissenschaftskooperation in der Europaregion Tirol, Südtirol und Trentino zur Geltung zu bringen, so dass Wissenschaftler von allen drei Universitäten eingebunden wurden“, sagte Organisator Peter Hilpold. An der Tagung wirkten das Südtiroler Bildungszentrum – Forum für Rechtsvergleichung und das Kanada-Zentrum mit. Frau Prof. Ursula Moser vom Kanada-Zentrum übernahm auch die Leitung eines Panels.

Es wurde insgesamt der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass die im Rahmen dieser Tagung gewonnen Erkenntnisse in den politischen Entscheidungsprozess einfließen mögen. Die Tagungsakte sollen demnächst veröffentlicht werden.

(red)