„Ecology of Glacier Forelands“-Workshop im Universitätszentrum

Ein international besetzter Workshop zur Ökologie von Gletschervorfeldern fand von 17. bis 21. September 2014 im Universitätszentrum Obergurgl statt.
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Die TeilnehmerInnen des Workshops in Obergurgl. (Foto: AFO)

Die Alpine Forschungsstelle Obergurgl der Universität Innsbruck und das Muse (Museo delle Scienze, Trento) organisierten gemeinsam einen Workshop, der die aktuelle Forschung in den Gletschervorfeldern weltweit zum Inhalt hatte. Beleuchtet wurden alle Organismengruppen, von den „Super-Pionieren“ unter den Pflanzen, Tieren, Flechten, Pilzen und Bakterien, die als erste die Besiedelung vornehmen bis hin zu Folgearten und späten Sukzessionsarten, die den weiteren Verlauf der Primärsukzession in terrestrischen und aquatischen Habitaten bestimmen.

36 TeilnehmerInnen aus 8 Ländern (Österreich, Italien, Spanien, Deutschland, Polen, Schweden, Norwegen, USA) tauschten die neuesten Ergebnisse der Gletschervorfeldforschung aus. Ziel des Workshops war nicht nur die gegenseitige Information, sondern vor allem auch die Planung von gemeinsamen Projekten und die Vorbereitung eines englischsprachigen Übersichtsartikels in einem renommierten Publikationsorgan zum Thema „Gletschervorfelder – ein neu entstehendes Ökosystem unter sich ändernden Bedingungen“.

Eine Halbtagesexkursion auf die Hohe Mut und ins Gletschervorfeld des Rotmoosferners eröffnete den TeilnehmerInnen den Blick auf die Einmaligkeit der lokalen Untersuchungsgebiete und bot Gelegenheit zur Vorstellung der seit 1996 laufenden Forschungsarbeiten. Rüdiger Kaufmann, Brigitta Erschbamer und Nikolaus Schallhart von der Alpinen Forschungsstelle Obergurgl führten die Exkursion zu den Versuchsflächen und stellten Projekte sowie Ergebnisse der Langzeituntersuchungen in Obergurgl vor, die Teil des nationalen und internationalen LTER-Programmes (LTER = Long-Term Ecosystem Research) sind. Es geht dabei um ein seit dem Jahr 2000 betriebenes Monitoringprogramm, das von der subalpinen bis zur subnivalen Höhenstufe die Veränderungen durch Weideausschluss und durch den Klimawandel untersucht. Im Gletschervorfeld des Rotmoosferners wurden die Faktoren der Besiedelung für die einzelnen Organismengruppen besprochen sowie die aktuellen Pflanzen- und Tiergemeinschaften vorgestellt.

Den Abschluss des Workshops bildete eine Ganztagesexkursion auf das auf 3006 m Meereshöhe gelegene Ramolhaus. Dabei konnte eindrucksvoll der Rückgang der Gletscher, allen voran jener des Gurgler Ferners, gezeigt werden.

Das Abschmelzen der Gletscher und damit das Freiwerden von neuen Flächen ist wohl eines der sichtbarsten Zeichen des Klimawandels und gerade in diesen Tagen – im Vorfeld des UN-Klimagipfels – ein höchst aktuelles Thema. Im Verlauf der letzten 100 Jahre hat beispielsweise der Rotmoosferner jährlich ca. 14 m an Länge verloren. Die pflanzliche Besiedelung der vom Eis befreiten Flächen verläuft unterschiedlich rasch je nach Korngröße und Feuchtigkeit des Substrats. Während im Gletschervorfeld des Rotmoosferners nach 3 Jahren die ersten Pionierpflanzen auftreten, konnte in italienischen Gletschervorfeldern bereits nach einem Jahr eine Besiedelung festgestellt werden. In hohen nördlichen und südlichen Breiten kann es hingegen auch wesentlich länger dauern. Entscheidend für die Ansiedelung von Pflanzen ist neben ausreichender Feuchtigkeit vor allem der Eintrag von Samen. Hier konnte mit Hilfe von Experimenten ganz klar eine Limitierung im Gletschervorfeld aufgezeigt werden: unbehandelte Kontrollflächen wiesen keine Keimlinge auf, während auf angesäten und bewässerten Flächen eine hohe Anzahl an Keimlingen zu verzeichnen war.

Doch auch an Stellen unmittelbar am Gletscherrand, wo es noch keine Gefäßpflanzen gibt, kann man bei einiger Aufmerksamkeit kleine Tiere wie Wolfsspinnen oder Laufkäfer herumhuschen sehen. Sie sind als räuberische Tiere auf noch kleinere Tiere, wie zum Beispiel Springschwänze, als Nahrung angewiesen. Dieses Nahrungsnetz war zunächst rätselhaft, konnte inzwischen aber von ÖkologInnen der Universität weitgehend aufgeklärt werden. Welche Nährstoffquellen aber letztlich das Leben in diesen initialen Ökosystemen ermöglichen, ist noch nicht endgültig geklärt, und das könnte in Gletschervorfeldern weltweit durchaus unterschiedlich sein. Trotzdem haben MikrobiologInnen unser Wissen auch über diese mikrobiellen Nährstoffzyklen in den letzten Jahren wesentlich erweitert.

(Brigitta Erschbamer und Rüdiger Kaufmann)