Kommt meine Katze auch in den Himmel?

Der dritte Termin der Ringvorlesung „Die Grenzen meiner Wissenschaft – die Grenzen meiner Welt?“ führte die Disziplinen der Theologie und Ökologie zusammen: Prof. Roman Siebenrock, Fundamentaltheologe und der Ökologe Prof. Rüdiger Kaufmann diskutierten über „ihre“ Grenzen der Wissenschaft. Moderiert wurde die Diskussion vom Literaturwissenschaftler Prof. Martin Sexl.
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Prof. Kaufmann (links) und Prof. Siebenrock (rechts), Prof. Martin Sexl (Mitte) fungierte als Moderator.

Im Rahmen der Ringvorlesung „Die Grenzen meiner Wissenschaft – die Grenzen meiner Welt?“ stellten sich am 26. März Dr. Rüdiger Kaufmann, Professor am Institut für Ökologie, und Dr. Roman Siebenrock, Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie am Institut für Systematische Theologie, der Herausforderung, die Grenzen ihrer jeweiligen wissenschaftlichen Disziplin in der gemeinsamen Diskussion aufzuzeigen und auszuloten.

Bereits zu Beginn des Abends wurde klar, dass sowohl die Ökologie als auch die Fundamentaltheologie zwei in der gesellschaftlichen Wahrnehmung oft missverstandene Disziplinen sind. Den Ökologen stellt man sich als bärtigen Umweltaktivisten vor, der sich vehement für den Naturschutz einsetzt, gegen Atomkraft auftritt und im selben Atemzug den Bau von Wind- und Wasserkraftwerken verhindern will. Ähnlich ergeht es dem ebenso bärtigen Fundamentaltheologen, dem ein stures, fundamentalistisches Verharren in von der Moderne längst überkommenen Überzeugungen unterstellt wird. Dass diese Vorurteile auf die beiden wissenschaftlichen Disziplinen in keinster Weise zutreffen (keiner der beiden Wissenschaftler trägt im übrigen einen Bart), davon konnten sich die geneigten ZuhörerInnen in der beinahe einstündigen Diskussion über Gott (Theologie) und die Welt (Ökologie) überzeugen.

Der Theologe Roman Siebenrock beschäftigt sich mit dem Fundament - also der Basis - von Religiosität, mit den, wie er es formuliert, „lebenstragenden Überzeugungen der Menschen“ und deren transzendenten, identitätsstiftenden Äußerungen. Die Mechanismen des Glaubens greifen nicht nur in der Religion, sondern genauso in den Fußballstadien oder den Botschaften der Werbebranche: Religion funktioniere auch, so Roman Siebenrock, wenn es Gott nicht gibt. Und Dogmen seien keine nicht mehr zu hinterfragenden Axiome, auch wenn dies oft so erscheinen mag. Vielmehr sind es Überzeugungen, die es ermöglichen, einen Standpunkt klar zu formulieren. „Man’s best friend is his dogma“ bedeutet, seine Überzeugungen in klarer Form zu offenbaren, um angreifbar und widerlegbar zu werden.

Rüdiger Kaufmann erforscht als Ökologe Lebensräume: Er beobachtet „in der Natur das, was übrig geblieben ist, nachdem alles schief gegangen ist, was schief gehen konnte“ – und das nach streng naturwissenschaftlichen Prämissen, wie etwa jener, das Objekt seiner Beobachtung, nämlich Lebensräume, möglichst nicht zu beeinflussen. Forschung mit dem vordergründigen Ziel, Politik und Gesellschaft zu verändern, ist für ihn schwer denkbar. Er begreift die Ökologie gleichwohl als eine Disziplin mit gesellschaftswissenschaftlicher Komponente, beschäftigt sie sich doch auch mit jenen Überzeugungen und Handlungsweisen von Menschen, die Lebensräume gestaltend verändern. Auf den ÖkologInnen lastet daher – neben dem eigenen (wissenschaftlichen) Gewissen – ein öffentlicher Druck, der von der Wissenschaft Urteile in einem moralisch-politischen Sinne verlangt, etwa bei großen Bauprojekten auch dezidiert Stellung zu beziehen. Der persönliche Einsatz für eine Sache sei aber nicht Aufgabe der Wissenschaftlerin bzw. des Wissenschaftlers, sondern der Person: „Grenzen meiner Wissenschaft – Grenzen meiner Welt?“

Wo wären nun aber die Schnittmengen der beiden Disziplinen in Bezug auf Forschungsgebiete und Fragestellungen, wo ihre Differenzpunkte? Siebenrock wie Kaufmann stimmten darin überein, dass die vermeintliche Schnittmenge „Schöpfungsverantwortung“ eine Differenz markiert. Für ÖkologInnen, so Kaufmann, ist die Beobachtung von sich selbst zerstörenden Systemen eine Form wissenschaftlicher Normalität, „Schöpfungsverantwortung“ bedeute für ihn der Verzicht auf den Eingriff in ein Ökosystem; der für den Theologen in diesem Zusammenhang entscheidende Begriff der Teleologie spielt für den Ökologen Kaufmann kaum eine Rolle.

Am deutlichsten wurden die Unterschiede in der Herangehensweise der beiden Forscher an ein bestimmtes Thema wohl bei der Frage: „Kommt meine Katze auch in den Himmel?“ Der Theologe erkennt in dieser Frage, wie tief der Mensch mit seiner Umwelt verbunden ist, wie sehr er sich über seine Beziehung zu Landschaft und Tieren selbst als Person konstituiert. Der Ökologe kann bei dieser Frage nur darauf verweisen, dass mit seinen Methoden diese Frage nicht zu beantworten ist, schon gar nicht die Frage, ob die Katze überhaupt in den Himmel kommen will.

(Christoph Baur)