Politisches Vermögen

Ende März fanden an der Universität Innsbruck in Kooperation mit dem Künstlerhaus Büchsenhausen ein Symposium und eine Winter School statt, wo über drei Tage verteilt die Aktualität und Relevanz politischen Handelns und der „Sinn“ der Subjektivierung diskutiert wurden.
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Podiumsdiskussion im Künstlerhaus Büchsenhausen: "Politik 2.0 – Was bedeutet 'politisch sein' heute?" mit Gilles Reckinger, Claudia Schütz, Katharina Nocun, Richard Weiskopf, Tina Leisch. (Foto: Daniel Jarosch)

Im Kontext einer Summe von Diagnosen, die eine Krise der liberaldemokratischen Politik der Repräsentation, ja, eine Erosion des staatsbürgerlichen Subjekts konstatieren, wurde vom 27. bis zum 29. März 2014 im Rahmen eines Symposiums und einer Winter School ein mehrtägiges Forum eröffnet. Unter reger Beteiligung profilierter WissenschaftlerInnen, AktivistInnen und KünstlerInnen wurden an der Universität Innsbruck und im Künstlerhaus Büchsenhausen Momente des politischen Vermögens an der Schwelle von Subjektivierung und Desubjektivierung erörtert.
An der Zeit waren die beiden Veranstaltungen, die einerseits von Martin Gronau und Philipp Hubmann (Winter School) und andererseits von Andreas Oberprantacher und Andrei Siclodi (Symposium) organisiert wurden, nicht allein deshalb, weil in den einzelnen Vorträgen und Podiumsdiskussionen Fragen zur Zukunft der Demokratie bzw. des demokratischen „Begehrens“ und das Phänomen neuer politischer Bewegungen diskutiert werden, sondern auch deshalb, weil andere Verständnisse gegenwärtiger gesellschaftlicher Konflikte und Transformationen ermöglicht wurden.

Der „Sinn“ der Subjektivierung (Symposium)

Das Symposium war vor allem der Frage gewidmet, inwiefern politisches Handeln und Dynamiken der Subjektivierung miteinander verflochten sind und was für einen Sinn es gegenwärtig machen könnte, von Subjekt, Subjektivität oder Subjektivierung zu sprechen. Angefangen von Überlegungen zum politischen Subjekt als "Gestalt des Dazwischen" und der Rede vom "Tod des Subjekts" über die Transformation urbaner Räume und die Chancen post-repräsentativer Demokratie bis zu einer postkolonialen Kritik an der "Staatsphobie" und neuen Szenen der Subjektivierung in Grenzzonen, wurde in den Vorträgen wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass politisches Vermögen auch in Situationen ökonomischer Verschuldung gegeben ist und nicht auf die Figur des staatsbürgerlichen Subjekts reduziert werden kann.

Vortragende: Michel AGIER – Naqibullah AZIZI – Artur R. BOELDERL – Sezgin BOYNIK – Nicholas DE GENOVA – Nikita DHAWAN – 
Petra GERSCHNER – Andreas HETZEL – Serhart KARAKAYALI – Katharina LANG – Sandra LEHMANN – Burkhard LIEBSCH – Sophie LOIDOLT – Bart LOOTSMA – Isabell LOREY – Oliver MARCHART – Sandro MEZZADRA (abgesagt wegen Erkrankung) – Vlad MORARIU – Ben NIENASS – Gerald POSSELT – Christine S. PRANTAUER – Carina SCHEIBER – Veronika SETTELE – Elettra STIMILLI – Felix TRAUTMANN – Vassilis TSIANOS – Shabanali WAFADAR/AHMADI.

Die Arbeit am Widerstand (Winter School)

Kaffeepause im Veranstaltungsort Büchsenhausen. Foto: Daniel Jarosch

Kaffeepause im Künstlerhaus Büchsenhausen, Veranstaltungsort der Winter School "Arbeit am Widerstand". Bild: Daniel Jarosch

Die Winter School widmete sich unter Leitung von Prof.in Dr.in Juliane Rebentisch über drei Tage hinweg neuen Perspektiven auf die „politische Kultur“ der Gegenwart. Neben Analysen engagierter Beiträge aus den Bereichen Publizistik, Film, Kunst, Museologie und Literatur bildete auch die Vorstellung und Diskussion statistischer Untersuchungen von Protestbewegungen und ihrer medialen Repräsentation einen wichtigen Bestandteil der Konferenz. Im Rahmen der Winter School fand am Eröffnungsabend ein Podium zum Thema „Politik 2.0 – Was bedeutet 'politisch sein' heute?“ statt, auf dem Katharina Nocun (Piratenpartei Deutschland), Tina Leisch (Dokumentarfilmerin), Prof. Dr. Gilles Reckinger (Universität Innsbruck) und Claudia Schütz (Aktionsbündnis „Innsbruck gegen Faschismus“) über die Möglichkeiten bürgerschaftlicher Interventionen und deren Reflexion in den Wissenschaften diskutiert haben. Die Winter School wurde in einer Kooperation des Doktoratskollegs „Arts & Politics“ und des Internationalen Graduierten Kollegs „Politische Kommunikation“ (Bologna, Frankfurt, Innsbruck, Pavia, Trient) realisiert.

Kontinuitäten

Die einzelnen Vorträge, welche während des Symposiums und der Winter School gehalten wurden, werden voraussichtlich gegen Ende 2014 publiziert. Abgesehen davon haben sich zwischen den TeilnehmerInnen rege Gespräche über mögliche Forschungsprojekte ergeben, sodass erwartet werden kann, dass sich in naher Zukunft weitere Kooperationen ergeben.

Förderungen

Die Veranstaltung "Politisches Vermögen" wurde gefördert von der Abteilung Kultur der Tiroler Landesregierung, der Stadt Innsbruck, dem Institut für Philosophie, dem Dekanat der Philosophisch-Historischen Fakultät, dem Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Begegnungen - kulturelle Konflikte", der Forschungsplattform „Politik - Religion - Kunst“, dem Internationalen Graduiertenkolleg "Politische Kommunikation von der Antike bis ins 20. Jahrhundert" (IGK), dem Frankreich-Schwerpunkt, dem Italienzentrum und dem Zentrum für Interamerikanische Studien.

(Andreas Oberprantacher und Philipp Hubmann)