Frühstücken im literarischen Ambiente

Beim ersten Montagsfrühstück dieses Jahres, einer Kooperation zwischen dem Literaturhaus am Inn und der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Innsbruck, diskutierten am Podium Autor Rainer Merkel sowie Andrei Siclodi, Autor und Leiter des Künstlerhauses Büchsenhausen. Zentrales Thema war die Frage, wie nahe sich Journalismus und Literatur sind.
Merkel und Siclodi am Podium
Rainer Merkel und Andrei Siclodi diskutieren beim Montagsfrühstück. (Foto: Universität Innsbruck)

Croissants und Kaffee standen für alle Freundinnen und Freunde der Literatur bereit, die am vergangenen Montag ins Literaturhaus am Inn kamen. Als „Forum für strategische Langsamkeit“ widmet sich die Veranstaltung aktuellen Fragestellungen und Problemen von Literatur, Kunst, Wissenschaft und Gesellschaft. Merkel und Siclodi beschäftigten sich mit der Frage, wie journalistisch Literatur sein dürfe bzw. wie ästhetisch Journalismus sein könne. „Journalistisch? Ästhetisch? Literarisch?“ Um diese zentralen Fragestellungen zu beantworten, greifen beide auf einen reichen Erfahrungsschatz und Wissen zurück.

„Was ist Wirklichkeit und wo ist eine Inszenierung der Wirklichkeit?“ (Merkel)

In den Medien begegnen den Menschen täglich Bilder von Krisenregionen, Artikel über Terroranschläge und Nachrichten über Kriege und Konflikte. Journalistinnen und Journalisten haben den Auftrag, diese Ereignisse so objektiv wie möglich darzustellen. Dabei stoßen sie vor allem dann an die Grenzen ihrer Arbeitsmethoden, wenn sie versuchen, auf Einzelteile dieses großen Puzzles einzugehen. An diesem Punkt kann die Literatur einen großen Beitrag leisten. Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben die Möglichkeit und Freiheit, auch unter einem gewissen Aspekt der Kunst, Themen aufzugreifen, Stimmen hörbar und lesbar zu machen, zu vertreten und bis zu einem gewissen Grad zu politisieren. Als Kunst hat die Literatur nicht den Zwang bestimmte öffentliche Kriterien zu erfüllen, wie es der Journalismus verpflichtet ist zu tun. Merkel arbeitete ein Jahr als Mitarbeiter bei der Hilfsorganisation Cap Anamur in einer Psychiatrie in Liberia. Seine Erfahrungen, die er bei seinem Hilfseinsatz und seinen Reisen in weitere vom Krieg gezeichnete Länder gesammelt hat, beeinflussten seine neuen Bücher „Das Unglück der Anderen“ und „Bo“. „Das Material wird zu einer unlösbaren Komplexitätsaufgabe“, sagt Merkel. In beiden Romanen macht er es sich zur Aufgabe, genau hinzusehen und einzelne Schicksale zu thematisieren. Merkel erinnert sich an ein Zitat in dem das Vor-Ort-Sein und das Recherchieren am Schauplatz angesprochen wird. Diese Situation wird mit dem Bergbau verglichen. Vor-Ort-Sein bedeutet demnach „am Ende des Stollens bei maximaler Dunkelheit“ zu arbeiten. Besonders die Recherchearbeit im Journalismus überschneidet sich mit den Arbeitsmethoden von Schriftstellerinnen und Schriftstellern die beschlossen haben, in diesem Stollen zu arbeiten und ihre Erlebnisse für Leserinnen und Leser erfahrbar zu machen.

„Es geht nicht darum den traditionellen Journalismus zu ersetzen, sondern ihn zu ergänzen.“ (Siclodi)

Andrei Siclodi beschäftigte sich auf einer theoretischen Ebene mit der Fragestellung. Er plädiert dafür, dass die Literatur oder der „ästhetische Journalismus“, wie er einen Ausdruck vom italienischen Schriftsteller und Künstler Alfredo Camerotti verwendet, nicht den traditionellen Journalismus ersetzen soll. Der Anspruch der Menschen auf eine objektive Berichterstattung und eine breite Information sei mehr als gerechtfertigt. Die Kunst und die Literatur haben allerdings die Möglichkeit, Details herauszugreifen und mit den Stilmitteln der Kunst und der Literatur zu bearbeiten. Siclodi möchte dabei nicht nur auf die Literatur sondern vielmehr auf die Kunst im Allgemeinen anspielen. Die darstellende Kunst bietet sich, ebenso wie die Literatur, dafür an, Themen kritisch zu beleuchten und subjektiv darzustellen. Für ihn sind die schriftstellerischen Mittel der Literatur und die Möglichkeiten der darstellenden Künste eine ideale Ergänzung zum Journalismus. Andrei Siclodi gibt allerdings zu bedenken, dass die literarischen und künstlerischen Produkte noch nicht die notwendige Öffentlichkeit erreichen. Die in der Kunst entstehenden Ideen würden nur von einem kleineren Publikum rezipiert. Das Wichtigste sei allerdings, dass die Menschen aufgerüttelt und angeregt werden, sich eigene Gedanken über Themen zu machen.

Die Literatur und der Journalismus seien demnach gar nicht allzu weit von einander entfernt wenn es darum geht, aufzuzeigen, zu politisieren und Themen mehreren Menschen zugänglich zu machen. Beide Sparten arbeiten mit unterschiedlichen Methoden und Möglichkeiten, um ihr jeweiliges Publikum zu erreichen und den jeweiligen Zweck des Mediums zu erfüllen. Merkel und Siclodi sind sich einig, dass „Schriftsteller mehr als Journalisten arbeiten“ sollen.

(Daniela Pümpel)