Die Krise verstehen – und politisch handeln

Im Oktober fand mit einem Vortrag von Prof. Heiner Flassbeck und einer anschließenden Podiumsdiskussion der Auftakt zur Veranstaltungsreihe „Die Krise verstehen – und politisch handeln“ statt. Das große Interesse am Thema zeigte sich daran, dass über 140 Menschen an dem Vortrag und der anschließenden Diskussion teilnahmen.
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Der Vortrag von Heiner Flassbeck (im Bild) und die Podiumsdiskussion waren sehr gut besucht.

In seinem Vortrag ging Heiner Flassbeck der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung von Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik nach. Seit der Krise der 1970er Jahre ist die Arbeitsmarktpolitik von der Annahme geprägt, dass bei einer sinkenden Nachfrage nach Arbeitskräften die Löhne sinken müssen, um Arbeitslosigkeit zu verhindern oder zu reduzieren. Nun, nach drei Jahrzehnten, kann diese Politik als gescheitert betrachtet werden, denn die Arbeitslosigkeit ist ungebrochen hoch, während sich die soziale Ungleichheit verschärft hat. Ein Zusammenhang zwischen Reallöhnen und Beschäftigung sei schlichtweg nicht gegeben, so Flassbeck, denn der Arbeitsmarkt sei eben kein Markt wie jeder andere, da über die Höhe der Löhne auch Nachfrage stimuliert werde.

In einer Politik der Lohnzurückhaltung, insbesondere von Deutschland, sieht Flassbeck eine der grundlegenden Ursachen der Euro-Krise. Der Weg der isolierten Lohnsenkung wurde zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beschritten und führte dazu, dass der Anstieg von Lohnstückkosten und Preisen fast immer unter dem in der Europäischen Währungsunion (EWU) gemeinsam vereinbarten Inflationsziel von zwei Prozent zu liegen kam. In den meisten Ländern Südeuropas überstieg das Wachstum der Nominallöhne hingegen den Anstieg der nationalen Produktivität und das Inflationsziel der EWU um einen niedrigen aber stabilen Wert. Einzig Frankreich hielt sich an den vereinbarten Pfad für das Ansteigen der Nominallöhne. Die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Politik manifestieren sich in den Handelsströmen – während der deutsche Export florierte, mussten Frankreich und die sudeuropäischen Länder immer größere Handels- und Leistungsbilanzdefizite hinnehmen. Fazit sei, so Flassbeck, dass der deutsche Versuch, sich durch niedrige Lohnsteigerungen eine günstige Wettbewerbsposition zu verschaffen, insgesamt gesehen nicht erfolgreich war: in Deutschland zerstörte dies die Dynamik des Binnenmarktes und in Europa provozierte es eine Spaltung des Binnenmarktes. Wesentlich seinen deshalb Lohnerhöhungen gerade in jenen Ländern, die Überschüsse erwirtschaftet haben – nicht nur, um für eine nationale Umverteilung dieser Überschüsse zu sorgen, sondern auch um die Rezession in den „Krisenländern“ Griechenland, Spanien Portugal oder auch Italien zu stoppen.

Nach den Ausführungen von Prof. Flassbeck diskutierten politische EntscheidungsträgerInnen aus verschiedenen Bereichen über die Situation und Handlungsmöglichkeiten in Tirol. An der Diskussion nahmen Christine Baur, Landesrätin für Soziales und Frauenpolitik, Anton Kern, Landesgeschäftsführer des AMS Tirol, Otto Leist, Vorsitzender des ÖGB Tirol, Hannes Tratter, Landesrat für Arbeitsmarkt und Arbeitnehmerförderung und Erwin Zangerl, Präsident der Arbeiterkammer Tirol, teil und beleuchteten die Problematik aus ihrer jeweiligen Perspektive.

Vortrag als auch Podiumsdiskussion können sowohl als Ton- als auch als Video-Aufzeichnungen nach-gehört bzw. -gesehen werden. Das Programm der Reihe und die Aufzeichnungen finden sich auf der Homepage des Büros für Gleichstellung und Gender Studies. Wie in den vergangenen Jahren ist die Reihe eine Kooperation des Büros für Gleichstellung und Gender Studies mit der Arbeiterkammer Tirol, dem Verein Gewerkschaftlicher Bildung Österreich und dem Arbeitsmarktservice Tirol.

(Alexandra Weiss)

 

Weiterführende Literatur:

Heiner Flassbeck/Paul Davidson/James K. Galbraith/Richard Koo/Jayati Ghosh (2013): Handelt jetzt! Das globale Manifest zur Rettung der Wirtschaft. Frankfurt/Main.