Nominierung für den österreichischen Staatspreis für Design: Psychiatrische Landschaften

Die Wanderausstellung zur Psychiatriegeschichte „Ich lasse mich nicht länger für einen Narren halten“ ist in der Kategorie „Räumliche Gestaltung“ für den österreichischen Staatspreis für Design nominiert.
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Blick in die Ausstellung an der Universität Innsbruck. (Foto: David Schreyer)

Nach 12 Ausstellungsorten in Österreich, Italien und Deutschland können sich die SzenografInnen der Wanderausstellung Celia Di Pauli (Institut für Gestaltung, studio1) und Eric Sidoroff (Institut für Gestaltung, studio2) über die besondere Auszeichnung der Nominierung für den Staatspreis Design freuen. Entstanden ist die von Lisa Noggler und Celia Di Pauli kuratierte Ausstellung als eines von fünf zweisprachigen Vermittlungsprojekten im Rahmen des Interreg-Projektes „Psychiatrische Landschaften“ an der Universität Innsbruck gemeinsam mit dem Südtiroler Landesarchiv. Aktuell ist die Ausstellung noch bis einschliesslich 7. Oktober 2013 im Nuovo Teatro Comunale in Pergine (Trentino) zu sehen.

Zur Ausstellung:

„Ich lasse mich nicht länger für einen Narren halten“ – schimpft 1903 der Jagdgehilfe Josef B. über seine Behandlung und Einsperrung in der Psychiatrie. Im Rahmen dieser Ausstellung wird sein Schicksal nacherzählt – ebenso jenes von 30 weiteren Frauen und Männern, die im historischen Raum Tirol zwischen den 1830er und den 1970er Jahren psychiatrisch behandelt wurden.

Die Perspektive psychiatrischer Patientinnen und Patienten in den beiden Tiroler Anstalten Hall und Pergine sowie an der Innsbrucker Klinik wurde bisher kaum wahrgenommen. Diese Ausstellung stellt sie in den Mittelpunkt. Ihre Schicksale werden aber nicht ausgestellt, um Neugier auf Absonderliches zu bedienen. Verarbeitet in sorgfältig recherchierte anonymisierte Fallgeschichten, werden sie in Büchern vielmehr von Station zu Station erlesen.

begutachten – arbeiten – essen – behandeln – verwahren – töten – erziehen – verschicken

Die Ausstellung gliedert sich in acht Kapitel, die wesentliche Aspekte der erzählten Schicksale kennzeichnen. Eine Geschichte von Scham und Stigmatisierung, die bis in die Gegenwart andauert und auch in den alltagssprachlichen Drohungen „Hall Einfach“ oder „Du kommst nach Pergine“ zum Ausdruck kommt.

Zur Szenografie:

Die Szenografie der Ausstellung lässt die BesucherInnen in verschiedene abstrahierte Szenen des psychiatrischen Alltags eintreten und die Perspektive von PatientInnen und Personal gleichsam räumlich einnehmen. Vor einem ärztlichen Schreibtisch sitzend, die Krankenakten ausgebreitet vor sich liegend, können Gutachten und Anamnesen gelesen werden. Ein angedeutetes Zugabteil verweist zusammen mit Aufzeichnungen, Tondokumenten und Bildmaterial auf die Verschickung und Entwurzelung von PatientInnen. An einer angedeuteten Werkbank werden die AustellungsbesucherInnen mit geschlechts- wie klassenspezifisch differenten Zerstreuungs-, Beschäftigungs- und Arbeitsprogrammen konfrontiert. In einer beengten Raumsituation verharrend, wird den BesucherInnen die Gewalt der Erziehungs- und Strafmaßnahmen vermittelt, die durch das Personal ausgeführt wurden. An einem Esstisch sitzend sieht und liest man über Hunger, Ernährung, Zwangsernährung und Versorgung der PatientInnen, in den „hungrigen“ 1840er Jahren ebenso wie in der Zeit der beiden Weltkriege. Die szenografische Bearbeitung der einzelnen „Kapitel“ der Ausstellung erzielt auf diese Weise jeweils eine gewisse körperlichen Erfahrung, die den BesucherInnen im Gedächtnis verhaften bleibt. Die damit verbundenen und vermittelten Informationen sind nach Verlassen der Ausstellung leichter wieder abrufbar, da sie mit einem Handeln und Erleben verbunden sind.

Kuratorinnen: Lisa Noggler-Gürtler, Celia Di Pauli
Szenografie: Celia Di Pauli, Eric Sidoroff

Wissenschaftliches Ausstellungsteam:

Die Ausstellung „Ich lasse mich nichtlänger für einen Narren halten“ ist eines von insgesamt fünf zweisprachigen Vermittlungsprojekten im Rahmen dieses Interreg Projekts (Leadpartner: Universität Innsbruck, Institut für  Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie und Institut für Erziehungswissenschaft. Projektpartner: Südtiroler Landesarchiv in Kooperation mit dem Verein Geschichte und Region, Laufzeit 2008-2011).

Leitungsteam: Maria Heidegger, Elisabeth Dietrich-Daum, Hermann Kuprian, Michaela Ralser, Siglinde Clementi

Wissenschaftliches Team: Maria Heidegger, Michaela Ralser, Oliver Seifert, Sabine Mirrione, Friedrich Stepanek, Angela Grießenböck.

(Lisa Noggler-Gürtler)