"Hört hört": Von der Forschungsidee zum Hörimplantat

Rund 300 Tiroler Schüler und Schülerinnen haben die einmalige Chance, gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Industrie und Hochschulen das Hören zu erforschen, zu erleben, wie befriedigend diese Tätigkeit ist und zu erfahren, wie Wissenschaft und Technik Gehörlosen und Schwerhörigen helfen können.
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In Bruchteilen von Sekunden findet unser Gehirn in tausenden von Bildern die Ursache des Geräuschs. (Foto: AUDIOVERSUM)

Das neue Bildungsprojekt "Hört hört!" wird von der Innsbrucker Forschungsmanagement-Firma Cemit geleitet und bringt acht Bildungseinrichtungen mit den Entwicklern des weltbekannten Hörimplantat-Herstellers MED-EL zusammen. Mit an Bord sind die Universität Innsbruck mit dem Institut für Mechatronik und die Hörgerät- und Gehörschutz-Spezialisten der Innsbrucker Firma Gaertner auditiv. Didaktisch begleitet und wissenschaftlich ausgewertet wird das Projekt von der Pädagogischen Hochschule Tirol. Sie sind die Fachleute für innovative Wissensvermittlung an Kinder.

Haarzellen – die feinen Antennen des Innenohrs

Gute Vermittlung ist nötig, denn Hören ist kein trivialer Vorgang: Die Umwandlung von Schall in mechanische Schwingung des Trommelfells, deren Übertragung durch die Hörknöchelchen auf die mit Flüssigkeit gefüllte Schnecke – das ist schon unglaublich raffiniert. Doch es wird noch trickreicher: In der Schnecke wandert die Welle eine Membran entlang, auf der Haarzellen Millionen winzige Härchen wie Fühler in die Höhe recken. Die Härchen biegen sich und die Sinneszellen wandeln dieses Signal in einen elektrischen Impuls um, der durch den Hörnerv ins Gehirn läuft und dort als Ton wahrgenommen wird. All dieses Wissen ist durch Forschung entstanden. Der Hörvorgang hat aber, wie alles was kompliziert ist, auch Schwachstellen: Sterben beispielsweise die Haarzellen, geht das Gehör verloren, auch wenn alle anderen am Hören beteiligten Mitspieler inklusive des Hörnervs noch einwandfrei intakt sind. Was tun? Gerade hier setzt Forschung an.

Lieblingsmusik verzerrt – Gespräch verwirrt

"Hört hört!" macht jungen Menschen nachvollziehbar, wie es sich anfühlt, wenn das Gehör versagt, die Lieblingsmusik nur noch eine Karikatur ihrer selbst ist und ein fröhliches Stimmengewirr zu einem unentwirrbaren Kauderwelsch wird. Ihnen wird deutlich, dass Neugier und Entdeckungsdrang nicht nur Selbstzweck ist, sondern dass Forschung eine zwingende Notwendigkeit ist, um drängende medizinische Probleme zu lösen. "Hört hört!" lässt junge Menschen selbst erfahren, welche Schritte nötig sind, um von einem medizinischen Problem zu einer medizintechnischen Lösung zu gelangen. Der Weg von der Forschungsidee zum Cochlea-Implantat ist das zentrale Thema des Projekts.
"Hört hört!" nutzt in der Einführungsphase das Science Center AUDIOVERSUM von MED-EL, das Hören und Gehörverlust interaktiv erlebbar macht. Im weiteren Projektverlauf werden die Jugendlichen selbst messen und forschen, bei den Firmenpartnern Experimente im Labor durchführen und protokollieren, mit den Fachleuten physikalisch-technische Lösungen zusammenbauen, und sie kommen in direkten Kontakt mit Patienten. So haben sie beispielsweise Gelegenheit, ethische Fragen zu diskutieren, die sich durch den Einbau eines künstlichen Sinnesorgans in den menschlichen Körper stellen.
"Hört hört!" läuft bis Herbst 2014 im Rahmen des Förderprogramms talente regional des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie. Beteiligt sind die Volksschule Absam, die Neue Mittelschule Pembaurstraße, die Gymnasien BRG Telfs, WRG Ursulinen, das Reithmann, PORG Volders und BRG in der Au, sowie die HTL Peter Anich Elektronik.

Bildungsplattform im Aufbau

Damit "Hört hört!" nicht nach Ende der Förderung wie eine abgespielte Schallplatte verklingt, als wäre nichts gewesen, baut Cemit heute bereits eine Plattform auf, die die Impulse aus bestehenden Bildungsprojekten aufgreift und weiterführt. Das Krebsforschungszentrum Oncotyrol betreibt derzeit beispielsweise das Projekt "Science Inspires" zur personalisierten Krebsmedizin und Medikamentenforschung aus pflanzlichen Arzneimitteln. Genau wie bei "Hört hört!" werden dabei Schulen mit regionalen Unternehmen und Hochschulen vernetzt. "Gemeinsam mit der Stadt Innsbruck und dem Land Tirol wollen wir die Nachwuchsarbeit in industrienaher Forschung in regional wichtigen Themen weiter fördern, um dem für die Zukunft befürchteten Mangel an Fachkräften in diesem Bereich rechtzeitig entgegenzuwirken," beschreibt Cemit-Geschäftsführer Bernhard Hofer das anvisierte Ziel der Bildungsplattform.

(Christian Flatz)