Flüchtlinge machen Medien

Österreichische Medien berichten laufend über Asylwerber im Zusammenhang mit schleppenden Asylverfahren und mangelnden Beschäftigungsmöglichkeiten. Diesen Sommer drehen 13 jugendliche Flüchtlinge der Caritas-Wohngemeinschaft „Haus Noah“ im Montafon (Vorarlberg) den Spieß um – sie machen selbst Medien. Ein Projekt, das unter anderen von der Uni Innsbruck gefördert wird.
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Ali im Studio von FREIRAD 105,9 MHz.

13 junge Flüchtlinge machen im Sommer selbst Medien. Mehrere, über den Sommer 2013 verteilte Radio-, Video- und Blogworkshops ermöglichen es den Jugendlichen, von und mit Experten zu lernen. Die Idee für das Projekt mit dem Namen „Write Edit Produce Speak“ (WEPS) hatten Eva-Maria Hochhauser (Universität Innsbruck) und Michael Gams (Freier Radiomacher). WEPS startete am 17. Mai 2013 erfolgreich mit einem Studiobesuch beim Freien Radio Innsbruck FREIRAD 105.9, am 2. Juni 2013 folgte die erste Live-Radiosendung der Jugendlichen.

Studiobesuch in Innsbruck

Malik schaut sich im Radiostudio um: „Es ist nicht das erste Mal, dass ich einen Radiosender sehe, wir haben schon mal den ORF in Dornbirn besucht, das war auch interessant. Aber hier dürfen wir das Mischpult selbst bedienen!“ Die anderen Jugendlichen im Studio nicken zustimmend, zwei von ihnen singen etwas auf Paschtunisch (wird in Afghanistan und Pakistan gesprochen) ins Mikro. Mitte Mai sind sie noch nicht live On Air, aber Anfang Juni sollte sich das ändern. „Da gab es den ersten Radioworkshop mit einer Livesendung, die die Jugendlichen selbst gestalten dürfen“, erklärt Michael Gams, der die 13 Jugendlichen und deren Caritas-Betreuerteam bei ihrem Studiobesuch begleitet und die Workshopinhalte konzipiert hat. Neben Radioworkshops warten im Sommer 2013 auch Video- und Blog-Workshops auf die Jugendlichen.

„Das Wichtigste ist, dass wir ihnen eine Stimme geben“

Die Projektkoordinatorin Eva-Maria Hochhauser arbeitet an der Universität Innsbruck und koordiniert dort den Forschungsschwerpunkt „Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte“. Das Projekt mit dem Titel „Write Edit Produce Speak“ (WEPS) hat sie gemeinsam mit Michael Gams und Andreas Wiesinger (Institut für Germanistik) entwickelt: „Es ist gar nicht so wichtig, ob die 13 Jugendlichen ein Video übers Dorf-Fußballspiel vom letzten Wochenende produzieren oder eine Live-Radiosendung über unterschiedliche Musikstile machen. Das Wichtigste ist, dass wir ihnen eine Stimme geben. Sie sollen die Möglichkeit haben, von ihrem Alltag zu berichten und dabei einfach Spaß am Medienmachen finden. Eine schöne Zugabe wäre es, wenn dadurch mehr interkultureller Austausch mit Nachbarn und anderen Jugendlichen in Vandans zustande käme.“

Caritas-Wohngemeinschaft ist Projektpartner

Ralf Engelmann und sein Betreuerteam sind zum Projektstart am 17. Mai 2013 vollzählig in Innsbruck mit dabei. Engelmann leitet die seit 2012 bestehende Wohngemeinschaft für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge „Haus Noah“, in der die 13 jungen Männer leben. „Dieses Medienprojekt begeistert uns aus drei Gründen: Erstens haben die Jugendlichen dadurch eine sinnvolle Beschäftigung und erwerben Kompetenz im Umgang mit Medien. Zweitens setzen sie sich mit ihrer Muttersprache und der deutschen Sprache auf diese Weise intensiv auseinander. Und drittens entsteht dadurch automatisch eine Interaktion mit den anderen Einwohnern im Ort.“

Live on air bei Radio PROTON

Am 2. Juni gestalten die Jugendlichen schließlich in Dornbirn ihre erste eigene Radio-Sendung, live zu hören von 11 bis 12 Uhr im Vorarlberger Freien Radio PROTON. Mit der Unterstützung von Oliver Jagosch (Freier Radiomacher aus Linz) und Michael Gams produzieren sie am Tag zuvor mehrere Radio-Beiträge über ihr Leben im Haus Noah. Sie erzählen vom frühen Aufstehen, sprechen über Basketball, oder über die Spielregeln beim Cricket, nehmen Beatbox-Sequenzen für die Live-Sendung auf und spielen Gitarre vor dem Aufnahmegerät. Live im Studio singen Belal und Haroon ein selbst geschriebenes Lied auf Paschtunisch, so wie sie es bereits bei ihrem Studiobesuch in Innsbruck geprobt hatten. Voller Euphorie und Stolz fragen alle dreizehn Jungs im Anschluss an die Sendung: „Wann gibt’s den nächsten Workshop?“ Das nächste Workshop-Wochenende findet Mitte Juni statt. Dann drehen sie Videos, schneiden sie unter Anleitung selbst und berichten voraussichtlich über einen Jugendbeteiligungstag im Montafon.

Die Radio-Sendung der „Jungs aus dem Haus Noah“ können Sie hier nachhören: http://www.radioproton.at/index.php/sondersendungen.html

Dieses Projekt ist dank der finanziellen Unterstützung der Gemeinde Vandans, der Caritas Vorarlberg, des Landes Vorarlberg und der Universität Innsbruck (Forschungsschwerpunkt Kulturelle Begegnungen – Kulturelle Konflikte) möglich.

(Michael Gams, Ralf Engelmann und Eva-Maria Hochhauser)