Universität im Dorf 2012: Zukunftsthema Pflege – gemeinsame Verantwortung

Am ersten Adventwochenende fand bereits zum 12. Mal in Folge die Veranstaltung Universität im Dorf in der Gemeinde Außervillgraten statt. Die Vorträge der eingeladenen Referentinnen und Referenten wurden im Haus Valgrata von zahlreichen interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern verfolgt.
blog_uni_im_dorf_2012.jpg
Außervillgraten, Veranstaltungsort der „Universität im Dorf“.

Die einjährige Vorbereitungszeit der ARGE-Mitglieder Bgm. Mag. Josef Mair, OSR Josef Told, Mag. Daniela Genser, MA, Koordinatorin für universitäre Weiterbildung, Universität Innsbruck, und Univ.-Prof. Dr. Tilmann Märk, Rektor der Universität Innsbruck, hat sich wieder gelohnt.

„Wenn die große Universität Innsbruck in ein kleines Bergdorf wie Außervillgraten kommt, dann erfolgt dies nur in Form einer kleinen Delegation. Ein kleiner Unterschied zu den Lesungen in den Vortragssälen der Uni ist, dass das Tragen von Bergschuhen hier erlaubt ist,“ erklärt der Moderator der Veranstaltung, Univ.-Prof. Dr. Roland Psenner, Vizerektor für Lehre und Studierende, mit einem Schmunzeln im Gesicht.

Den ersten Vortrag hält Dr. Johann Wiedemair. Der gebürtige Innervillgrater ist seit 2006 Vorstand der Abteilung Soziales beim Land Tirol und stellt den Besucherinnen und Besuchern den für die kommenden 10 Jahre ausgearbeiteten Pflegestrukturplan des Landes Tirol vor. Das geplante Ausbauprogramm forciert grundsätzlich mobile vor stationären Einrichtungen; es sollen vermehrt teilstationäre und alternative Angebote sowie Möglichkeiten zur Entlastung pflegender Angehöriger geschaffen werden.

Univ.-Prof. Mag.a Dr.in Erna Appelt, Leiterin der interfakultären Forschungsplattform Geschlechterforschung, wirft einen Blick auf die Erwartungen, Belastungen und Entlastungen von pflegenden Angehörigen und stellt Fragen: Wie geht es den Personen, die zu Hause pflegen? Wer kümmert sich um jene, die sich um andere kümmern? Persönliche Pflicht und Last oder eine gesellschaftliche Verantwortung? Liebesdienst oder Dienstleistung?

Über die rechtliche Seite zum Thema Pflege und Versorgung im Alter spricht der Jurist Univ.-Prof. Dr. Michael Ganner. Der Vortragende mit Osttiroler Wurzeln (Obertilliach) informiert, dass in medizinischen Angelegenheiten grundsätzlich jeder für sich selber entscheidet und die Verantwortung übernimmt. Der Arzt klärt in erster Linie auf; nur im akuten Notfall entscheidet er unmittelbar. Wenn eine Person nicht mehr selbst zu einer Entscheidung fähig ist, werden die nächsten Angehörigen oder Bevollmächtigten zur Sachwalterschaft bzw. Vorsorge herangezogen.

Die Predigt von em. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Kriegbaum, SJ am Samstag sowie am Sonntag mit dem Titel Irdische Heimat – Heimat bei Gott nimmt – wie jedes Jahr - Bezug zum aktuellen Veranstaltungsthema. Seine Worte handeln von der Würde des Menschen, die in der Liebe Gottes seine Begründung findet und nicht von der Leistung und der Herkunft des einzelnen abhängt. Pater Kriegbaum steht der Uni im Dorf schon seit fünf Jahren unterstützend zur Seite.

Bei der Abendveranstaltung stellt Bürgermeister Mag. Josef Mair das Pilotprojekt Besuchs- und Begleitdienst Außervillgraten vor und leitet zur Podiumsdiskussion über. Neben den Referentinnen und Referenten nimmt auch Franz Webhofer, Verwalter der Wohn- und Pflegeheime in Osttirol, Platz. Es gibt viele Fragen und Wortmeldungen aus dem Publikum, die in die Diskussion einfließen. Die wichtigsten Punkte, die angesprochen werden, sind die Problematik einer ausreichenden Unterstützung für pflegende Angehörige und die Wichtigkeit einer Vernetzung der Strukturen sowie verstärkte Kooperation. Den Abschluss dieses informativen ersten Tages bilden die - von den ansässigen Bäuerinnen - vorbereiteten Köstlichkeiten, die zum Verweilen bei gemeinsamen Gesprächen einladen.

Am Sonntagvormittag geht die Veranstaltung im Haus Valgrata weiter. Dieses Mal ist auch Landesrat Mag. Johannes Tratter dabei, der zur Einführung ein paar Worte an die anwesenden Zuhörerinnen und Zuhörern richtet.

„Die Würde des Menschen altert nicht,“ meint Univ.-Prof. Mag. Dr. Wilhelm Guggenberger von der Katholisch-Theologischen Fakultät. Er nimmt Bezug auf das Sozialwort der österreichischen Kirchen: „Menschliches Leben braucht Achtung, Geborgenheit und Fürsorge vom Beginn bis zu seinem Ende. Kinder brauchen für ihre Entwicklung die Geborgenheit einer Familie, kranke und alte Menschen Begleitung und Hilfe. Männer sind dabei ebenso gefordert wie Frauen.“

Die biografische Sicht für die Übernahme einer Pflegetätigkeit erklärt Dr.in Susanne Gadinger, Institut für Erziehungswissenschaft. Eine Biographie ist kein Lebenslauf sondern die persönliche Deutung des eigenen Lebens und erlebter Ereignisse. Das Ergebnis kann variieren, je nachdem in welcher Lebenssituation oder Gefühlslage man sich gerade befindet oder wer einem als Gesprächspartner gegenüber sitzt. Beim Übergang von der Tochter zur Rolle der pflegenden Tochter macht es Sinn, Biographieforschung zu betreiben. Die Motive für die Übernahme der Pflege einer Mutter können unterschiedlich sein.

Parallel zur Veranstaltung Universität im Dorf herrscht am 1. Dezember großer Betrieb in der Volksschule, wo sich die Junge Uni und rund 90 Kinder von insgesamt sieben teilnehmenden Volks- und Hauptschulen aus der Region und erstmals auch aus Südtirol mit Themen wie fleischfressende Pflanzen, Mathematik oder Informatik spielerisch auseinandersetzen. Beide Veranstaltungen, sowohl die Universität im Dorf als auch die Junge Uni im Dorf, waren ein voller Erfolg.

(Helene Bergmann/Daniela Genser)