Konferenz zum Dialog Konfuzianismus – Christentum mit WissenschaftlerInnen aus der VR China

Vermutlich das erste gemeinsame Symposium von WissenschaftlerInnen aus der Volksrepublik China und der Katholisch-Theologischen Fakultät Innsbruck fand unter dem Titel Dialogue between Confucian Thought and Christian Theology am 19. Oktober 2012 am Institut für Christliche Philosophie statt.
Josef Quitterer (Leiter des Instituts für Christliche Philosophie), Roman Siebenrock  …
Josef Quitterer (Leiter des Instituts für Christliche Philosophie), Roman Siebenrock (Institut für Systematische Theologie), Jiang Jia (PhD-Student an der Kath.-Theol. Fakultät), Li Lanfen, Winfried Löffler (Institut für Christliche Philosophie), Chen Shaoming, Chen Lisheng.

Die SprecherInnen vom Institut für Philosophie der Sun-Yat-sen-Universität Guangzhou (Guangzhou ist in Europa eher als „Canton“ bekannt) und aus Innsbruck untersuchten die Frage, wie das Verhältnis von Weltanschauung und Philosophie, insbesondere das Verhältnis zu alternativen religiös-weltanschaulichen Entwürfen in östlicher und westlicher Philosophie und Theologie gesehen wird. Verschiedene Anzeichen deuten darauf hin, dass in der VR China die eigenen religiösen Traditionen eine größere Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren als in der Vergangenheit und auch in ihrer potentiellen gesellschaftlichen Funktion stärker wahrgenommen werden. Mutatis mutandis mag man hier eine entfernte Parallele etwa zu Überlegungen in den jüngeren Werken von Jürgen Habermas zu den Sinnpotenzialen der Religionen sehen.

Li Lanfen skizzierte zunächst gewisse Defizite in der chinesischen Rezeption der westlichen Philosophie im 20.Jh. (die stark über John Dewey lief). Gegen ein dort entstandenes einseitig-zweckrationales Bild von Vernunft haben moderne buddhistische Philosophen wie Ou-Yang-Yingwu (1871-1943) ein umfassenderes, weisheitliches Bild von Vernunft verteidigt. Chen Lisheng und Roman Siebenrock analysierten neo-konfuzianische bzw. christliche Zugänge zum Phänomen des religiösen Pluralismus. Chen Lisheng zeigte zunächst, wie der Neo-Konfuzianismus (zur historischen Einordnung: es geht hier vor allem um Denker des 13.-16.Jhs., aber auch Vertreter aus der Gegenwart) die verschiedenen Religionen als Ausfaltungen letztlich nur eines Weges zur Selbstentfaltung sehen. In interessanter Parallele zu manchen existentiellen Interpretationen des Christentums aus den 1960er Jahren (John Macquarrie u.a.) sieht der Neo-Konfuzianismus das Ziel der Religionen und Weltanschauungen in rein diesseitiger Entfaltung, weshalb er auch wenig grundsätzliche Probleme hat, „konfuzianische Christen“ zu akzeptieren. Dennoch sei aus historisch-kulturellen Gründen für China der Konfuzianismus besonders angemessen (letztere These war Gegenstand einiger Debatten), und im Vergleich zum Buddhismus und Daoismus nehme er soziale Verantwortung stärker wahr. Roman Siebenrock (Institut für Systematische Theologie) präsentierte in einem Durchgang durch das Konzilsdokument „Nostra Aetate“ zur Religionsfreiheit und die Ansprache Benedikts XVI. am Friedenstreffen in in Assisi 27.10.2011 die aktuelle katholische Sicht des interreligiösen Dialogs. Bemerkenswert ist darin u.a. die implizite Begründung der Menschenrechte und zuletzt auch die positive Wertung des Agnostizismus im Vergleich zur falschen Gewissheit mancher Atheisten.

Obwohl weder Konfuzianismus noch Daoismus im engeren Sinne utilitaristisch genannt werden können, war dort doch das Phänomen der Lust ein Thema von großer Aufmerksamkeit. Prof. Chen Shaoming, Vorsitzender des akademischen Komitees des Instituts für Philosophie an der Sun-Yat-sen-Universität, verglich konfuzianische und daoistische Theorien und Klassifikationsansätze über die Lust. Interessant daran waren für westliche Betrachter unter anderem die z.T. an die aristotelische passiones-Lehre erinnernden leiblich-geistigen Doppelaspekte der Lust, die Analysen der sozialen Kontextbedingungen des Lusterlebens und die Überlegungen zur Frage, ob das Lusterleben auch erlernbar und kultivierbar ist. Winfried Löffler (Institut für Christliche Philosophie) ging abschließend der Frage nach, ob die Rede von einer „christlichen Philosophie“ tatsächlich ein Widerspruch in sich sei, wie Heidegger u.a. gemeint hatten. Ausgehend von einer einschlägigen Debatte in den 1930er Jahre differenzierte er zwei Lesarten dieses Ausdrucks und zeigte, dass eine davon haltbar ist, ohne in religiös motivierte Denkverbote oder Krypto-Theologie abzukippen. Möglicherweise sind diese Resultate auch übertragbar auf die Frage, ob es „buddhistische Philosophie“, „konfuzianische Philosophie“ u.a. gibt.

Tatkräftig unterstützt wurde das Symposium von Herrn Jiang Jia (Absolvent der Sun-Yat-sen-Universität Guangzhou und derzeit PhD-Student in Philosophie an der Kath.-Theol. Fakultät) durch seine Übersetzungsarbeit in den teils komplexen Diskussionen. Überhaupt fand das Symposium regen Zuspruch der Studierenden besonders aus China, Taiwan und Indien. Und die Kooperation Guangzhou-Innsbruck geht weiter: Im Februar 2013 wird Prof. Löffler Gastvorträge in Guangzhou halten.

(Winfried Löffler)