Warum Mietdeckel und Leerstandsabgaben nicht zur sozialen Gerechtigkeit beitragen

Gerade in Innsbruck mit seinen zahlreichen Studenten ist der Mietpreis ein allgegenwärtiges Gesprächs- und Diskussionsthema.

Sommersemester 2021: Johannes Eigenstiller und Elias Mühlbacher

Ausgangslage
Gerade in Innsbruck mit seinen zahlreichen Studenten ist der Mietpreis ein allgegenwärtiges
Gesprächs- und Diskussionsthema. Dementsprechend laut wird immer wieder eine Obergrenze für
Mieten sowie eine Leerstandsabgabe gefordert, um so leistbaren Wohnraum verfügbar zu machen.
Von einem ökonomischen Sichtpunkt aus ist diese Forderung jedoch problematisch.1

Dies lässt sich spieltheoretisch erklären, indem man eine Matrix mit Vermieter als „first mover“ und
Mieter konstruiert, die jeweils die Wahl zwischen (ver-) mieten und nicht (ver-) mieten haben. Die
Nutzenniveaus ergeben sich bei dem Vermieter aus den monetären Mieteinnahmen und bei dem
Mieter aus dem Nutzen durch die bereitgestellte Wohnung. Der Nutzen des Mieters ist gleich dessen
Zahlungsbereitschaft. Wir nehmen einfachheitshalber eine Miete in der Höhe von 1000 Euro an,
wobei der Break-Even Punkt bei 900 liegt. Wenn der Vermieter nicht vermieten will, nutzt er die
Wohnung selbst, der Nutzen ist gleich der Gewinnschwelle und dadurch 0.

Die Lösung dieses spieltheoretischen Beispiels führt zu zwei Nash-Gleichgewichten, einerseits
(vermieten; mieten) und andererseits (nicht vermieten; mieten). Allerdings wird (vermieten; mieten)
präferiert werden, da es den höheren Nutzen für den Vermieter bringt und dieser ein „First mover“
ist.

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Abbildung 1 Ohne Mietdeckel: Die Zahlen ergeben sich wie folgt. 100 ist der Gewinn des Mieters bei Vermietung nach
Abzug der Betriebskosten; -900 hingegen der Verlust bei gewünschter Vermietung aber ohne gefundenen Mieter; 1000 ist
die Zahlungsbereitschaft des Mieters bei Mietung; -1000 hingegen, wenn nicht vermietet wird, der Mieter allerdings bereit
wäre 1000 zu zahlen.

Mietdeckel
Wird nun ein Mietdeckel eingeführt, welcher eine Maximalmiete von 750 vorsieht und daher unter
dem ursprünglichen Vermietungspreis liegt, so wird der Nutzen des Vermieters bei Vermietung
negativ, da der Break-Even Punkt um 150 unterschritten wird. Der Nutzen des Mieters erhöht sich
um den gesparten Betrag. Dies führt dazu, dass sich ein alleiniges Nash-Gleichgewicht bei (nicht
vermieten; nicht mieten) einstellt. Ein Mietdeckel ohne weitere Maßnahmen führt also dazu, dass
Mietwohnungen, die bis dato über dem Mietdeckel angeboten wurden, nicht mehr angeboten
werden und somit leer stehen.

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Abbildung 2 mit Mietdeckel: Die Zahlen ergeben sich wie folgt. -150 ist der neue Verlust des Vermieters, wenn gedeckelt
wird und dies unter Wert der Gewinnschwelle ist (1000-900-250); 1250 ergibt sich aus der Summe der
Zahlungsbereitschaft und der Ersparnis des Mietdeckels (1000+250).

Leerstandsabgabe
Eine Leerstandsabgabe ist eine Strafzahlung für den Vermieter, wenn er eine Wohnung nicht
vermietet, in diesem Beispiel liegt sie bei 300. Diese Zahlung, welche die Option nicht vermieten für
den Vermieter unattraktiver macht als die Option vermieten, kann diesem Problem Abhilfe schaffen.
Die ursprüngliche Form mit den beiden Nash-Gleichgewichten (vermieten; mieten) und (nicht
vermieten; mieten) wird somit wiederhergestellt. Zwar wird der Vermieter in beiden seiner
Wahlmöglichkeiten mit einem negativen Nutzen konfrontiert, jedoch ist das Nutzenniveau höher,
wenn er sich für vermieten entscheidet.

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Abbildung 3 mit Mietdeckel und Leerstandsabgabe: Die Zahlen ergeben sich wie folgt. -300 ist die Summe aus Nutzen bei
Eigengebrauch, welcher dem Break-Even Punkt entspricht, sowie der Leerstandsabgabe (900-900-300).

Soziale Gerechtigkeit
Als Argumentationslinie dient den Befürwortern solcher Deckelungen oftmals das Argument, dass
dies sozial gerecht wäre, da ärmere Personen sich die Wohnung ebenfalls leisten könnten. Das erste
Modell war Pareto- effizient, sprich es konnte niemand mehr bessergestellt werden, ohne dass
jemand anders schlechter gestellt wird; mit der Einfuhr des Mietdeckels wurde der Vermieter
schlechter gestellt, die Mieter hingegen gewannen, dasselbe geschah auch bei den
Leerstandsabgaben. Es kann nun argumentiert werden, dass es mehr Mieter als Vermieter gibt und
somit der soziale Nutzen, welcher durch eine Deckelung der Mieten gewonnen wird, nicht
unerheblich ist, was wiederum zu einer Gesamtnutzenmaximierung führt. Dies geschieht allerdings
unter der Prämisse, dass ein Einzelner benachteiligt wird. Doch ist der Nutzen des Einzelnen
vernachlässigbar, wenn es der Gesellschaft nützt (Utilitarismus) oder sollte nicht besser der Nutzen
des am schlechtesten Gestellten maximiert werden (Wohlfahrtsfunktion von Rawls)?2

Dies wäre zwar undemokratisch, aber gerecht. Als Veranschaulichung dient das Extrembeispiel von
99 Rassisten und einem Migranten. Ein Utilitarist wäre auf der Seite des Ersteren, Rawls jedoch auf
der Seite des Schutzsuchenden.

Rawls orientiert sich an dem Nutzen des am meisten benachteiligten Marktteilnehmers, in unserem
Fall also dem Vermieter. Nach Rawls soll der Nutzen des am schlechtesten gestellten
Markteilnehmers maximiert werden. Unter Berücksichtigung der Paretoeffizienz und der
Wohlfahrtsfunktion nach Rawls wäre die gerechte und auch effiziente Lösung, keine Mietdeckel bzw.
Leerstandsabgaben zu implementieren.3

Resultat einer Deckelung mit Leerstandsabgabe
Mehrere negative Resultate wären die Folge, erstens würde niemand mehr Wohnungen kaufen, um
diese zu vermieten, da ein negativer Nutzen entsteht. Zweitens würde bei bestehenden Wohnungen
versucht werden, die Betriebskosten und damit den Break-Even Punkt zu drücken, was zur Folge
hätte, dass keine Investitionen oder notwendige Reparaturen in bestehende Mietwohnungen
getätigt werden. Ob dies den Nutzen für den Mieter steigert, ist fraglich.

Quellen

1 O’Brien/Kögl/Stadler: Wohnraum darf kein Luxus sein! (2019, 2. September). OTS.at.
https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20190902_OTS0066/obrienkoeglstadler-wohnraumdarf-
kein-luxus-sein

2Varian, H. R. (2010). Intermediate microeconomics: A modern approach. New York: W.W. Norton &
Co.

3 Rawls, J. (1971). A theory of justice. Belknap Press/Harvard University Press.

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