Verlustaversion als Vermarktungsstrategie

Immer häufiger wird Konsumenten in Werbeanzeigen oder an Verkaufsschildern signalisiert, sie könnten ein wunderbares Angebot verpassen.

Wintersemester 2021/22: Lukas Brixa

Diese Marketingstrategie wählen Unternehmen nicht zufällig immer öfter. Den Kunden soll gewissermaßen eine Angst eingejagt werden, sie könnten eine tolle Chance versäumen. Diese Strategie ist nicht selten durchaus erfolgreich, da die Angst vor drohenden Verlusten tatsächlich in die menschliche Psyche unterbewusst einprogrammiert ist. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit man sich als Konsument vor der Ausnutzung dieser unterbewussten Entscheidungsgrundlage schützen kann. Auch für Unternehmen stellt sich die Frage, in welchem Ausmaß es noch Sinn ergibt, die Verlustaversion des Kunden zu Vermarktungszwecken umzufunktionieren, bevor es zu offensichtlich wird und schädlich für das Geschäft wird.

Bereits Kahneman und Tversky (1979) erkannten, dass Individuen Verluste größere Bedeutung zuschreiben als Gewinne. Aufgrund dessen, versuchen Personen unterbewusst stets Verluste gänzlich zu vermeiden. Die resultierende Verlustaversion kann in weiterer Folge beim Menschen zu einer kognitiven Verzerrung der Realität führen, die ihn zu unvernünftigen und teilweilweise nicht rationalen Entscheidungen bewegen kann. Entscheidungen, die durch die immanente Angst vor Verlusten getroffen werden, müssen jedoch nicht immer schlecht oder irrational sein. Verschiedene Annahmen gehen davon aus, dass die Verlustaversion dem Menschen während seiner frühen Entwicklungsphase eine schnelle Entscheidungsfindung in gefährlichen Situationen ermöglichte und damit indirekt mithalf sein Überleben sicherzustellen. In der heutigen Zeit ist eine derartige Entscheidungsfindung jedoch oftmals nicht mehr angebracht und sollte kritisch hinterfragt werden.

Die Anwendungsmöglichkeiten der Ausnutzung von Verlustaversion durch Unternehmen ist vielseitig. Beginnend mit einfachen Verfahren, wie der Verwendung durchgestrichener Preise als signalisierte bisherige Preise, können auch komplexere Systeme, wie die preisliche „Ankersetzung“ dazu genutzt werden, eine gezielte Angst etwas zu verpassen beim Kunden auszulösen. Eine häufige Gemeinsamkeit dieser Beispiele bildet die planmäßige Einführung eines Referenzpunkts. Laut Heidhues und Köszegi (2004) beurteilen Individuen wirtschaftliche Ereignisse anhand von subjektiv gewählter Referenzpunkte. Mithilfe dieses Referenzpunktes bewertetet eine Person im Anschluss unbewusst, ob ein Ereignis als Gewinn oder Verlust wahrgenommen wird. Unternehmen nützen diese Anomalie gezielt aus, um einen höheren Preis bei ihren Kunden akzeptabel zu machen. Auch durch die Etablierung des Internets als Verkaufsplatz eröffneten sich weiters viele neue Möglichkeiten, die Furcht der Kunden, etwas zu verpassen, zu verstärken. Unternehmen wie booking.com übernahmen bereits vor geraumer Zeit digitale Konzepte, um die Kaufbereitschaft durch Zuhilfenahme von Verlustaversion zu steigern. So werden Konsumenten auf derartigen Webseiten häufig auch bereits abgelaufene Angebote angezeigt, die im Grunde genommen, für den Kunden vollkommen irrelevant sind. Ziel dieser Angebote ist es auch nicht, tatsächliche Informationen für potenzielle Kunden zu liefern, sondern sie sollen primär ein Gefühl der Dringlichkeit und die Angst etwas zu verpassen bei der Kundschaft auslösen. Auch Knappheitshinweise, also Hinweise, die auf eine starke Limitierung des Produkts oder der Leistung hinweisen, werden in diesem Zusammenhang häufig angewendet (Teubner und Graul, 2020). Diese erzielen ein ähnliches Ergebnis.

Obwohl solche Geschäftspraktiken mittlerweile vielen Konsumenten bekannt sein dürften, scheinen diese simplen Hinweise immer noch einen deutlichen Einfluss auf die Kaufbereitschaft von Abnehmern zu haben. Jedoch erkennen auch immer mehr Kunden, dass sie durch derartige Verkaufsmethoden bewusst getäuscht werden sollen und lassen sich daher nur noch bedingt durch diese in ihrer Kaufentscheidung beeinflussen. Es kann somit angenommen werden, dass sich offensichtliche Ausnutzungsversuche der Verlustaversion zunehmend abnutzen und nicht mehr die gewünschten Resultate erzielen. Weiterführende Forschung deutet bereits darauf hin, dass auch die Kunden sich nicht ewig von der gleichen Ankersetzung beeinflussen lassen. Gemäß Song et al. (2019) kommt es sogar seitens der Kunden zu einer massiven Einbuße beim Vertrauen und der Glaubwürdigkeit in einen Betrieb, wenn dieser ständig mit der gleichen Strategie versucht das Verhalten seiner Kunden zu manipulieren. Kunden können sich daher durchaus als Gesamtheit vor überschießender Ausnutzung bestimmter menschlicher Verhaltensheuristiken durch Unternehmen schützen, jedoch sind subtile Ankersetzungen nach wie vor oftmals schwer als solche zu identifizieren.

Abschließend kann gesagt werden, dass die Integration von menschlichen Verhaltensmustern in Verkaufsstrategien wohl weiterhin zunehmen wird. Sowohl Kunden als auch Unternehmen sollten sich daher mit dem Thema befassen, um einerseits nicht unfreiwillig Opfer eines Trickbetrugs zu werden und andererseits nicht unabsichtlich den Bogen zu überspannen und sich in weiterer Folge bei der eigenen Kundschaft unglaubwürdig zu machen.

Quellen:

Kahneman, D., & Tversky, A. (1979). Prospect Theory: An Analysis of Decision under Risk. Econometrica, 47(2), 263–291. https://doi.org/10.2307/1914185

Heidhues, P., & Koszegi, B. (2004). The Impact of Consumer Loss Aversion on Pricing. WZB, Markets and Political Economy Working Paper No. SP II 2004-17. http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.658002

Teubner, T., & Graul, A. (2020). Only one room left! How scarcity cues affect booking intentions on hospitality platforms. Electronic Commerce Research and Applications. ISSN 1567-4223. https://doi.org/10.1016/j.elerap.2019.100910

Song, M., Noone, B. M., & Han, R. J. (2019). An examination of the role of booking lead time in consumers’ reactions to online scarcity messages. International Journal of Hospitality Management, Volume 77, Pages 483-491. ISSN 0278-4319, https://doi.org/10.1016/j.ijhm.2018.08.012

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