Politisches Nudging als Tool für und Umweltschutz & nachhaltigen Konsum

In diesem Blogbeitrag wird aufgearbeitet, ob Nudging eine passende Herangehensweise zum Schutz unseres Ökosystems darstellt und die Menschen zu einem nachhaltigeren Konsum leitet.

Sommersemester 2021: Raimund Döllerer und Diana Amsih

In den vergangenen Jahren versuchte die Politik auf verschiedenste Weise, ökologische Verhaltensveränderungen bei privaten Konsumenten herbeizuführen. Dies geschah unter anderem durch Anreizsysteme aus der Wirtschaft, wie Preissenkungen und Rabattaktionen für Bahntickets oder Subventionen für Elektroautos und erneuerbare Energiequellen. Auch das klassische Repertoire an fiskalpolitischen Instrumenten, bestehend aus Geboten, Verboten, Sanktionen und den unbeliebten Steuern, sind Werkzeuge der Politik, die oft, und meistens auch sehr effizient, eingesetzt werden. Sie sollen Menschen zu Verhaltensveränderungen bewegen, die den nachhaltigen Konsum fördern und zu den staatlichen Zielen des Umweltschutzes beitragen (Hentsch, 2020). Heute erproben immer mehr politische Institutionen neben den eben genannten Methoden auch den Gebrauch von Nudging. Die von Richard Thaler und Cass Sunstein geprägte Methodik aus der Verhaltensökonomie gilt als eine neue Möglichkeit, wie Menschen durch teils bewusste, teils unbewusste Anreize, zu Verhaltensveränderungen bewegt werden können. Daher wird diesem Blogbeitrag aufgearbeitet, ob Nudging eine passende Herangehensweise zum Schutz unseres Ökosystems darstellt und die Menschen zu einem nachhaltigeren Konsum leitet.

Nudges – Simpel und dennoch wirkungsvoll?

Sunstein führt in seinem Essay „Nudging: A Very Short Guide“ die seiner Meinung nach zehn effektivsten Nudges an. Der erste und demnach effektivste Nudge in seiner Auflistung sind die Default-Regeln (Sunstein C. R., 2014).

Default-Regeln sind Voreinstellungen bzw. Standard-Optionen. Hier erfolgt also automatisch eine Entscheidung, deren Gültigkeit bis auf Widerspruch anhält. Ein Beispiel hierfür ist das österreichische Organspende-System, wonach jeder Österreicher automatisch als Organspender gilt, solange er dem nicht ausdrücklich widerspricht. Meistens wird die Default-Regel beibehalten und weist demnach eine hohe Effektivität auf (Umwelt-Bundesamt, 2017). Zudem sind Default-Regeln einfach umzusetzen, was sie als politisches Tool begünstigt.

Im Werk „Warning: You Are About to Be Nudged“ wird anhand von Studien aufgezeigt, dass hinsichtlich der Wirksamkeit von Nudges keinen beachtlichen Unterschied macht, ob die Betroffenen wussten, dass sie in eine Richtung beeinflusst werden oder nicht (Loewenstein, Bryce, Hagmann, & Rajpal, 2014). Ein (weniger) transparenter Umgang mit Nudges zeigte also keine große Wirkung auf deren Effektivität. Das deutsche Umwelt-Bundesamt merkt jedoch an, dass die Studienlage hier noch dünn sei. In der Politik sollte demnach miteinkalkuliert werden, dass die Effektivität von Nudges durch einen hohen Grad an Transparenz abnehmen könnte. (Umwelt-Bundesamt, 2017)

Beim Thema Umweltschutz könnten Nudges dazu führen, dass beispielsweise mehr nachhaltiger Strom konsumiert wird. Eine Studie von Ebeling und Lotz beobachtete die Wirksamkeit von Default-Regeln bei Stromtarifen. Ihr Test zeigte, dass fast 70% der untersuchten Haushalte den nachhaltigen Ökostromtarif beibehielten, wenn dieser als Standard-Option vorgemerkt war. Nur etwa 7% jener Haushalte, denen ein regulärer Stromtarif zugewiesen wurde, wechselten aktiv zum Ökostrom. Aus der Studie lässt sich also entnehmen, dass Verbraucher eher dazu neigen Ökostrom zu beziehen, wenn dieser als schon automatisch hinterlegt ist. (Ebeling & Lotz, 2015)

Ethische Bedenken

Wenn es darum geht, was politisches Nudging für unsere Umwelt bedeuten könnte, ist es wichtig die Bedenken hinsichtlich dieser Thematik zu verstehen. Denn die Berücksichtigung der Bedenken und Risiken ist bei jeder Einflussnahme erheblich für eine erfolgreiche Umsetzung (Schubert, 2017).
In Anbetracht der Default-Nudges im Bereich der Stromtarife kann man sagen, dass deren politische Anwendung allein schon rechtlich gesehen Probleme mit sich bringen kann (Kartellrecht) (Umwelt-Bundesamt, 2017). Doch auch die ethischen Bedenken sollten in die politischen Entscheidungen miteinbezogen werden. Ein Argument gegen Nudging ist der Vorwurf der Manipulation (Fischer & Lotz, 2014).
Beim Nudging nach Thaler und Sunstein sollen kleine „Anstöße“ und „sanfte Schubser“ dazu führen, dass eine bestimmte Option wahrscheinlicher in Betracht gezogen wird als andere. Hierbei muss jedoch die Entscheidungsfreiheit der Person in vollem Umfang bestehen bleiben. Nudges sollen also unser Verhalten beeinflussen, ohne etwas vorzuschreiben oder zu verbieten. (Thaler & Sunstein, 2008)
Wenn Nudging als dieses verstanden und offen kommuniziert werden, kann dem Nudging demnach auch keine Manipulation unterstellen. Da sich Nudging sowohl bewusst, als auch unbewusst auf subtileren Ebenen abspielen kann, ist das Vertrauen der Menschen in die Staatsorgane dabei von besonderer Wichtigkeit. Transparenz, Sichtbarkeit und öffentliche Diskussion bilden hierfür die Basis (Hentsch, 2020).

Ausblick

Umweltschutz und nachhaltiger Konsum bilden ein komplexes Themengebiet, was auch in Zukunft eine wichtige Angelegenheit sein wird. Nudging ist nicht die einzige und wird auch nicht immer die effizienteste Lösung sein. Wenn aber Menschen, Staat und Wirtschaft kooperieren, so kann Nudging eine gute Alternative neben Steuern, Verboten und Sanktionen darstellen.

Literaturverzeichnis

Ebeling, F., & Lotz, S. (2015). Domestic uptake of green energy promoted by opt-out. Nature Climate Change(5), S. 868-871.

Fischer, M., & Lotz, S. (2014). Ist sanfter Paternalismus ethisch vertretbar? Eine differenzierende Betrachtung aus Sicht der Freiheit. Sozialer Fortschritt(63(3)), S. 52-58.

Hentsch, A. (2020). Kleiner Schubs ins Grüne: Kann Nudging die Umwelt retten?.
Verfügbar unter https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2020/02/kleiner-schubs-ins-gruene-kann-nudging-die-umwelt-retten Zugriff am 01.05.2021.

Loewenstein, G., Bryce, C., Hagmann, D., & Rajpal, S. (2014). Warning: You Are About to Be Nudged. Behavioral Science & Policy, 1(1), 35–42.

Schubert, C. (2017). Green Nudges: Do they work? Are they ethical? Ecological Economics(132), S. 329-342.

Sunstein, C. R. (2014). Nudging: A Very Short Guide. Journal of Consumer Policy(37), S. 583-588.

Thaler, R. & Sunstein, C. R. (2008). Nudge: Improving decisions about health, wealth and happiness. München: Penguin

Umwelt-Bundesamt. (2017). Nudging-Ansätze beim nachhaltigen Konsum: Ermittlung und Entwicklung von Maßnahmen zum "Anstoßen" nachhaltiger Konsummuster - Abschlussbericht. Dessau-Roßlau: Für Mensch und Umwelt.

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