Mit Hilfe von Nudging aus der Pandemie?

Können Menschen mit Hilfe von Nudging inmitten und nach der COVID-19 Pandemie zu einem positiven Sozialverhalten angeregt werden?

Sommersemester 2021: Michael Pfeiffer, Marinus Bachhuber und Joshua Seidel

Corona-Pandemie und Nudging

Im Dezember 2019 wurde die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über Fälle von Lungenentzündung mit unbekannter Ursache in der chinesischen Stadt Wuhan informiert. Am 7. Januar 2020 identifizierten die chinesischen Behörden daraufhin als Ursache ein neuartiges Coronavirus (SARS-CoV-2). Aufgrund der rapiden Zunahme der Fallzahlen außerhalb Chinas erklärte der WHO-Generaldirektor am 11. März 2020 den Ausbruch offiziell zu einer Pandemie (WHO, 2020). Im März 2020 kam es dann in Österreich zum Shutdown. Die Wirtschaft wurde schrittweise heruntergefahren und Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen, Versammlungsverbote und allgemeine Hygieneregeln wie das Tragen von Mund-Nasen-Schutz wurden umgesetzt (Bundesministerium für Soziales, 2021). Seither ist unser tägliches Leben von den Maßnahmen geprägt. An die neuen Verhaltens- und Hygieneregeln wie das Abstandhalten im Supermarkt, das häufige Händewaschen oder die Maskenpflicht im Handel, müssen wir uns erst gewöhnen. Diese Verhaltensmuster sind von großer Bedeutung, um das soziale Zusammenleben inmitten dieser Pandemie zu regeln und um trotz den Umständen etwas Normalität zu schaffen. Aus der Verhaltenspsychologie ist bekannt, dass sich neue Gewohnheiten erlernen lassen und durch wiederholendes Verhalten automatisiert werden können (Thaler, 2008). Hier kann das sogenannte Nudging einen entscheidenden Beitrag leisten. In diesem Blogbeitrag untersuchen wir, ob Menschen mithilfe von Nudging während und nach der Coronavirus Pandemie zu einem positiven Sozialverhalten angeregt werden können.

Was bedeutet „Nudging“ und wie kommt es zum Einsatz?

Nudging ist ein Konzept aus der Verhaltensökonomie, welches von den US-amerikanischen Ökonomen Richard Thaler und Cass Sunstein geprägt wurde. Nudging wird als Methode verstanden, das menschliche Verhalten zu beeinflussen, ohne die wirtschaftlichen Anreize wesentlich zu verändern oder auf bestimmte Regeln zurückzugreifen. Nudging bedeutet nicht, Menschen bei der Veränderung ihrer Gewohnheiten und Verhaltensweisen zu helfen, sondern neue Gewohnheiten und Verhaltensweisen zur natürlichen und logischen Konsequenz zu machen, also ein bestimmtes Verhalten in gewisser Weise mit einem „Denkanstoß“ hervorzurufen (Thaler, 2008). Sie waren sicher schon einmal in der Situation sich vor der Arbeit noch schnell bei Ihrem Stammkaffee einen Espresso bestellen zu wollen. Der zuvorkommende Kellner bietet Ihnen nun für ein paar Euro mehr noch das Frühstückspaket mit einem extra Croissant an, welches Sie dann auch gerne dazu bestellen. Als Sie dann das Kaffeelokal verlassen, fällt Ihnen auf, dass Sie eigentlich nur schnell einen Espresso trinken wollten und auf die zusätzlichen Kalorien des leckeren Croissants gerne verzichtet hätten. Sie wurden soeben Zeuge eines Nudges, der Ihre Kaufentscheidung unterbewusst beeinflusst hat. Nudging verleitet uns, „reflexiv“ statt „reflektierend“ zu handeln, weshalb wir uns in diesem Beispiel reflexartig für das Frühstückspaket entscheiden, bevor uns dann, während wir reflektierend das Kaffeelokal verlassen, einfällt, dass wir eigentlich nur einen Espresso bestellen wollten.

Wie kann Nudging als verhaltensökonomisches Konzept dazu genutzt werden, die sozialen Herausforderungen, denen wir uns durch Covid-19 stellen müssen, zu bewerkstelligen?

Um diese schwierige Situation bestmöglich bewältigen zu können, werden der Bevölkerung von der Politik und den Gesundheitsämtern bestimmte Verhaltensweisen empfohlen, mit dem Ziel, die Ansteckungsraten sowie die schweren Krankheitsverläufe zu minimieren. Diese Verhaltensregeln und Maßnahmen, wie zum Beispiel das Tragen einer FFP2-Maske im Supermarkt, sollen Situationen mit hohem Übertragungspotential bzw. mit Beteiligung von Risikogruppen, präventiv verhindern und somit die Gesundheit der Menschen schützen (Robert Koch Institut, 2021). Das primäre Ziel dabei ist es, die Abstandsregeln sowie die Hygieneregeln umzusetzen. Die Bevölkerung soll dadurch sensibilisiert und durch entsprechende Nudges stets an die Präventionsmaßnahmen erinnert werden. Um diese Regelungen konsequent umsetzen zu können, müssen wir lernen unsere Verhaltensweisen und Gewohnheiten an die aktuelle Situation anpassen. Nach Richard Thaler und Cass Sunstein ist der Mensch nicht immer in der Lage, optimale Entscheidungen zu treffen. Menschen verhalten sich demnach in vielen Situationen anders, als es die Theorie der rationalen Nutzenmaximierung vorhersagt. Nudging Konzepte können hierbei auf verschiedene Art und Weise Anwendung finden und das Verhalten korrigieren (Thaler, 2008). Wie im Stammkaffee Beispiel, werden etwa bestimmte Wahlmöglichkeiten „bequemer“ präsentiert, um ein bestimmtes Kaufverhalten anzustoßen. Nachfolgend zehn wichtige Nudging-Typen, die sich in der Praxis als wirksam erwiesen haben (Pfannes, 2020).

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Tabelle 1: Die zehn wichtigsten Nudges nach Sunstein CR (Sunstein, 2019).
Quelle: Ernährungs-Umschau, Nudging ein Präventionsansatz auch bei Corona (Pfannes, 2020).

Die sozialen Medien werden dabei häufig als Plattform für die Präsentation der Maßnahmen eingesetzt. Auf dem Instagram Kanal der Universität Innsbruck werden zum Beispiel regelmäßig Videos veröffentlicht, die an das Abstandhalten aufmerksam machen und auf das Tragen von FFP2-Masken hinweisen.

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Abbildung 1: Quelle: www.instagram.com/uniinnsbruck/

Dieser Erinnerungs-Nudge trägt dazu bei, dass die Hygienemaßnahmen in unserem Bewusstsein verankert werden und somit in unser automatisiertes Verhalten mitaufgenommen werden. Nachstehend Beispiele für Nudging-Typen im Bereich Social Media (Pfannes, 2020).

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Tabelle 2: Nudging-Beispiele in den sozialen Medien während der Corona-Pandemie
Quelle: Ernährungs-Umschau, Nudging ein Präventionsansatz auch bei Corona (Pfannes, 2020).

Auch im Handel bzw. Lebensmitteleinzelhandel werden Nudges eingesetzt. Sicher sind Ihnen bereits die vielen Bodenmarkierungen als Erinnerungshilfe zum Abstand halten aufgefallen. Diese Markierungen sollen uns das „social distancing“ visuell vereinfachen. Die Zahlreichen Warnhinweisschilder in den Supermärkten, Geschäften und Restaurants sollen uns stets an die Corona-Maßnahmen erinnern, und uns bei der Anpassung unserer Gewohnheiten helfen. Insbesondere das Abstandhalten ist für uns Menschen als soziale Wesen oft eine große Herausforderung, da zwischenmenschliche Interaktion seit Kindestagen tief in unseren Gewohnheiten verankert ist. Nachstehen Nudging-Beispiele für den Handel bzw. Lebensmitteleinzelhandel während der Corona-Pandemie (Pfannes, 2020).

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Tabelle 3: Nudging-Beispiele im Handel bzw. Lebensmitteleinzelhandel während der Corona Pandemie
Quelle: Ernährungs-Umschau, Nudging ein Präventionsansatz auch bei Corona (Pfannes, 2020).

Fazit

Wie unsere Beispiele gezeigt haben, kann das menschliche Sozialverhalten inmitten der Covid-19-Pandemie durch Nudging positiv beeinflusst werden. Wenn die Corona-Pandemie in näherer Zukunft überstanden werden soll und man schrittweise zurück zur „Normalität“ gelangen möchte, werden Präventionsmaßnahmen auch weiterhin wichtig sein und solange auch bleiben, bis es ausreichend Impfstoff für alle Menschen gibt. Die beschriebenen Nudigung-Typen und Beispiele zeigen auf, wie wichtig das Konzept Nudging ist, um das optimale Verhalten für den Schutz der Gesundheit der Menschen zu erzeugen. Nudging-Maßnahmen können dementsprechend einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der Corona-Pandemie leisten.

Literaturverzeichnis

World Health Organization (WHO): WHO erklärt COVID-19-Ausbruch zur Pandemie (12.03.2020). Zuletzt abgerufen am 07.05.2021. URL:
www.euro.who.int/de/health-topics/health-emergencies/coronavirus-covid-19/news/news/2020/3/who-announces-covid-19-outbreak-a-pandemic

Bundesministerium Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz. Corona – so schützen wir uns (2021). Zuletzt abgerufen am 07.05.2021. URL: https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---So-schuetzen-wir-uns.html

Richard Thaler, Cass Sunstein: Improving decisions about health, wealth and happiness. 2008, ISBN 978-0-14-311526-7. Oder Online: Zuletzt abgerufen am 07.05.2021. URL: https://doi.org/10.1007/s10602-008-9056-2

Robert Koch Institut. Kontaktpersonen-Nachverfolgung bei SARS-CoV-2-Infaktionen (30.04.2021). Zuletzt abgerufen am 07.05.2021. URL: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html;jsessionid=754D21EA271DE8682B5E16517D09E996.internet092?nn=13490888#doc13516162bodyText2

Pfannes Ulrike, Adam Sibylle, Rossi Carolina Diana. Ein Blick in den Alltag in Deutschland: Nudging – ein Präventionsansatz auch bei Corona (12.06.2020). Abgerufen am 25.04.2021. URL: https://www.ernaehrungs-umschau.de/online-plus/12-06-2020-nudging-ein-praeventionsansatz-auch-bei-corona/589490/

Sunstein, C.R. Nudging: a very short guide. Bus Econ 54, 127–129 (2019). Zuletzt abgerufen am 07.05.2021. URL: https://doi.org/10.1057/s11369-018-00104-5

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Bildschirmfoto Instagram. Abgerufen am 07.05.2021. URL: https://www.instagram.com/uniinnsbruck

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