Klima-Aktivismus, der Weg aus der Krise oder einfach nur nervig?

Die öffentliche Debatte über die Sinnhaftigkeit solcher Protestaktionen ist weit gespalten. Viele private und politische Personen und Parteien sehen die Aktionen als potenziell gefährlich und im Sinne des Klimaschutzes sogar als kontraproduktiv.

Wintersemester 2022/23: Domenico Digel

 

Im November diesen Jahres wurde bereits die 27ste Weltklimakonferenz abgehalten. Vertreterinnen und Vertreter aus 198 Staaten weltweit haben sich zusammengesetzt um zentrale Fragen der Klimapolitik und insbesondere die Reduktion der Treibhausgasemissionen zu besprechen. (Weltklimakonferenz in Ägypten | Bundesregierung, 2022) Die Resultate der Konferenz, in Form von neu gesetzten und überarbeiteten Zielen, stoßen jedoch auf viel Kritik. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock äußerte sich zum Ausgang der Gespräche mit den Worten „Beim Ergebnis liegen Hoffnung und Frustration nahe beieinander“ (Amt, A. (o. D.)). Hauptsächlich die Frustration teilen derzeit auch Klimaaktivist*innen, die die erreichten Einigungen und gesteckten Ziele für nicht ausreichend halten. Man habe entschieden „endlos weiter Klimaschäden zu verursachen, statt das Ende von Kohle, Öl & Gas einzuleiten“ teilte die bekannte Klimaaktivistin Luisa Neubauer via Twitter. (Neubauer L., 2022) Diese Meinung teilen auch Klimaexpert*innen wie zum Beispiel Jan Kowalzig der Beschlüsse zum Klimaschutz als „deprimierend“ bezeichnet. (Der Tagesspiegel. (2022, 20. November)). Kann und muss diese Krise also durch Aktivismus gelöst werden?

Unter diesen Umständen ist es zumindest kaum verwunderlich, dass die Schlagzeilen zum Thema Klimaschutz derzeit von Demonstration und diversen anderen aktivistischen Aktionen von Umweltschützer*innen geprägt sind. Besonders medienwirksam waren vor Allem Aktionen von Aktivist*innen, die bekannte Kunstwerke mit Lebensmitteln bewarfen und sich darunter festklebten (Baumgartner, E. (2022, 30. Oktober)). Auch auf öffentlichen Straßen und sogar Rollfeldern klebten sich in letzter Zeit viele Aktivist*innen als Protest gegen die Umweltschädlichen Formen des Transports fest. (Tagesschau (2022, November 25))

Die öffentliche Debatte über die Sinnhaftigkeit solcher Protestaktionen ist weit gespalten. Viele private und politische Personen und Parteien sehen die Aktionen als potenziell gefährlich und im Sinne des Klimaschutzes sogar als kontraproduktiv. Wir wollen die Gefahren vorerst außer Acht lassen und uns auf die Kritik an der Wirksamkeit der Proteste konzentrieren.

Wenn wir annehmen, dass die Kritik an der Politik im Kontext von offiziellen Klimazielen und geplanten Maßnahmen gerechtfertigt ist und unzureichend gehandelt wird, scheint der einzige Weg eine Klimakatastrophe zu verhindern der soggenannte „Weg von unten“ zu sein. Um politische Wirksamkeit zu erreichen gibt jedoch zwei Arten wie das Meinungsbild der Gesellschaft wirken kann. Zum einen in dem große Teile der Bevölkerung ausreichend überzeugt werden sich zumindest mit ihrer Stimme bei Wahlen für den Klimaschutz zu äußern. Zum andern aber auch wenn relativ kleine Teile der Bevölkerung sich sehr stark für den Klimaschutz einsetzen. Die „critical mass theory“ beschreibt, dass eine Gesellschaft einen sogenannten „tipping point “hat, der je nach Subjekt zwischen 10% und 40% liegt. Setzen sich also genug Leute aktiv für den Klimaschutz ein, kann dies äußerst wirksam sein auch wenn der Großteil der Gesellschaft unbeteiligt oder anderer Meinung ist. (Centola et al. 2018)

Ob Klima-Aktivismus wie er in letzter Zeit betrieben wird und über die Medien große Aufmerksamkeit erhält dazu beiträgt, dass mehr Menschen sich für das Klima einsetzen und sich umweltbewusster verhalten, kann nicht einfach beantwortet werden. Der Grund ist, dass man nicht genau sagen kann wie sich die Folgen der steigenden Aufmerksamkeit im Verhältnis zu möglichen, entgegenwirkenden Folgen wie Ablehnung und Trotz durchschnittlich auf die Gesellschaft
auswirken. Was man jedoch mit Sicherheit sagen kann ist, dass jede*r zusätzliche Aktivist*in dazu beiträgt die Gesellschaft näher an den potentiellen „tipping point“ zu bringen. Ob das Erreichen dieses Ziels realistisch ist bleibt fraglich, jedoch ist es eine Chance, die bei der Aussichtslosigkeit der Situation nicht außer Acht gelassen werden sollte und aus der individuellen Sicht einer Person, die sich engagieren will, zudem fast alternativlos wirkt.

 

Literaturverzeichnis

Weltklimakonferenz in Ägypten | Bundesregierung. (2022, 7. November). Die Bundesregierung informiert | Startseite. https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/weltklimakonferenz-aegypten-2139218

Amt, A. (o. D.). Außenministerin Baerbock zum Abschluss der Klimakonferenz in Sharm El-Sheikh. Auswärtiges Amt. https://www.auswaertiges-amt.de/de/newsroom/bmin-abschluss-klimakonferenz/256442

Der Tagesspiegel. (2022, 20. November). Vernichtende Kritik an COP27: „Nicht der Ort, wo die Klimakrise bewältigt wird“. https://www.tagesspiegel.de/politik/klimaaktivisten-kritisieren-beschlusse-klimakonferenz-ist-nicht-der-ort-wo-die-klimakrise-bewaltigt-wird-8898214.html

Baumgartner, E. (2022, 30. Oktober). 2166386. Kunst - Wiener Zeitung Online. https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/kunst/2166386-Die-Kunst-das-Klima-und-Kartoffelpueree.html

Tagesschau (2022, November 25). Nach Klimaprotest am BER: Scharfe Kritik an Flughafen-Blockade. tagesschau.de. https://www.tagesschau.de/inland/klimaaktivisten-legen-flugbetrieb-ber-lahm-103.html

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