Kann Nudging meine WG sauberer machen?

Über die beinahe grenzenlosen Möglichkeiten von Nudging.

Sommersemester 2022: Lea Dönz, Clara Gördes

 

Das WG-Chaos

Wie kann man sich das Leben in einer WG vorstellen? Diese Frage lässt sich meiner Meinung
nach schnell und einfach beantworten: ein bisschen schmutzig, manchmal lustig, aber auf jeden
Fall immer irgendwie gemeinsam. Sei es beim Kochen, Feiern oder eben auch bei den weniger
spaßigen Sachen, nämlich beim Putzen.
Mein Zuhause teile ich mit sieben anderen Studenten. Ganz genau, richtig gelesen! - Wir sind
eine WG von insgesamt acht Personen. Wahrscheinlich wird sich jetzt die Mehrheit von Euch
ein Bild einer WG, die riesig, verschmutzt und vor allem auch chaotisch ist, ausmalen. Eines
vorab: So ähnlich ist es auch. Nur mit Putzplan – der Spaß am Saubermachen hält sich nämlich
ganz klar bei uns allen (beim einen mehr als beim anderen) in Grenzen und verursacht deshalb
viel Ärger und Diskussionen. Doch damit soll jetzt endgültig Schluss sein! Um dieses Ziel auch
wirklich zu erreichen, haben wir uns zusammengesetzt und gemeinsam überlegt, wie wir unser
bescheidenes Heim in Zukunft sauber halten können. Doch das war gar nicht Mal so einfach.
Einerseits, da bei acht Personen das Auftreten des Trittbrettfahrerproblems, bei dem einer
ständig Kritik ausübt, quasi vorprogrammiert ist und andererseits, da putzen an sich prinzipiell
mit negativen Emotionen verknüpft ist, was nach Prokrastination, Ausreden und vor allem
Schmutz bis zum geht nicht mehr schreit. Also musste ich zu neuen Mittel greifen und habe
mich infolgedessen mit der Frage beschäftigt, ob Nudging meine WG sauberer machen kann.

Gescheiterte Maßnahmen

Bisher war jedes Mitglied der Wohngemeinschaft dazu verpflichtet, pro Woche einen Bereich
zu putzen. Welcher das ist, ist dem grauen Putzplan am Kühlschrank zu entnehmen. Eine
Deadline gibt es auch: Dienstag um Mitternacht. Diese wird auch in der Regel eingehalten. Aber
denkt nicht, dass der Grund dafür das Verantwortungsbewusstsein meiner Mitbewohner ist! Der
einfache Grund ist unser Bestrafungssystem - Wer vergisst zu putzen, muss fünf Euro Strafe an
die WG-Kasse zahlen.
Klingt ja eigentlich schon ganz gut, nicht? Naja, ein großes Problem gibt es. Denn natürlich
sind die Vorstellungen und Ansprüche gerade in einem Bereich wie diesem sehr
unterschiedlich. Während dies Vorteile für den einen bringt, bedeutet es ebenso Ärger und
Nachputzen für den anderen.

Was ist Nudging?

Bevor wir Euch hier aber tiefer in die Thematik einführen, muss natürlich erst der Begriff
„Nudging“ erklärt werden. Nudging gehört zur Verhaltensökonomie und bedeutet zu deutsch
so viel wie „Anschubsen“. Das Konzept basiert auf der Annahme des nicht rationalen
Menschen, welcher sich bei seiner Entscheidungsfindung durch Heuristiken, Emotionen und
Tagesverfassung beeinflussen lässt. Ziel dieser Strategie ist es, das Verhalten von anderen zu
steuern und in vorhersagbarer Weise zu verändern. Wichtig hierbei ist, dass weder
Auswahlmöglichkeiten verboten noch wirtschaftliche Anreize verändert werden. Zudem darf
nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Nudge eben keine Pflicht ist, sondern nur ein
„Anschubser“. Aufgrund dessen sollte er also leicht zu vermeiden sein (Hummel & Maedche,
2019). Die Anwendungsgebiete von Nudging sind vielfältig. Beispielsweise findet man
Nudging häufig in Bereichen der Altersvorsorge, aber auch bei Themen, welche
klimafreundliches Verhalten betreffen, oder wie in diesem Fall bei Tätigkeiten wie dem Putzen.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass bei sozialen Nudges häufig betont wird, dass
das erwünschte Verhalten bereits von anderen umgesetzt wurde. In unserem Fall also, dass die
anderen Mitbewohner bereits sauber putzen. Die Zielperson wird dadurch viel wahrscheinlicher
das Wunschverhalten ebenso umsetzen, um dazuzugehören.

Schluss mit schmutzig

Um dieses Problem ein für alle Male zu beseitigen, habe ich folgendes Konzept entwickelt:
Jeder kann jedem eine anonyme Bewertung in Form eines Smileys geben. Dabei wird also
einfach neben dem jeweiligen Namen in der betreffenden Woche ein Smiley gemalt, der für die
Zufriedenheit bezüglich des Putzergebnisses steht. Was ist meine Intention dahinter? Ganz
einfach - ich versuche einen positiven Anreiz für gründlicheres Putzen zu schaffen. Durch das
etablierte Bewertungssystem entsteht ein sozialer Druck, der Verlangen nach einem besseren
Ergebnis, was im Normalfall mit gründlicherem Putzen einhergeht, erzeugt.

Erste Eindrücke: Top oder Flop?

Nun fragt Ihr euch wahrscheinlich, ob mein Konzept denn den erhofften Effekt mit sich gebracht
hat. - Obwohl sich so mancher aufgrund von Angst vor negativer Bewertung gegen die
minimalen Änderungen im Putzplan gewehrt hat, konnte ich schon rasch kleine, aber dafür
positive Veränderungen feststellen. Jene, die bereits zuvor gründlich geputzt haben, berichten,
dass die positive Bewertung durch einen zufriedenen Smiley ein gutes Gefühl auslösen.
Diejenige, die weniger gründlich geputzt haben, berichten ebenso, dass das Nichtvorhandensein
eines lachenden Smileys in ihnen Gefühle wie Scham und Ärger verursacht. Daraus kann man
schließen, dass diese sich zuvor nicht dessen bewusst waren, dass ihre Putz-Standard für den
Rest nicht ausreichend war. Doch durch die Bewertung sind sie darauf aufmerksam geworden
und bemühen sich mehr. Bedauerlicherweise ist einzelnen gleichgültig, was die Anderen von
ihnen halten. Bei ihnen ist der soziale Druck also keine ausreichend treibende Kraft, dass
gründlicher geputzt wird. Alles in allem kann aber dennoch gesagt werden, dass Nudging sich
in meinem Fall im Großen und Ganzen bewährt hat und kleine Besserungen nach nur kurzer
Zeit schon bemerkbar waren.

Literaturverzeichnis

Hummel, D., & Maedche, A. (2019). How effective is nudging? A quantitative review on the
effect sizes and limits of empirical nudging studies Author links open overlay panel.
Journal of Behavioral and Experimental Economics, 80, S. 47-58.

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